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Milliardenzukauf Siemens greift für US-Softwarefirma Altair tief in die Tasche

Siemens-Chef Roland Busch
Siemens-Chef Roland Busch setzt den Umbau des Konzerns mit einem Zukauf fort
© Frank Hoermann/SVEN SIMON / Picture Alliance
Mit der Übernahme der US-Firma Altair will Siemens sein Industriesoftware-Geschäft stärken. Der Münchner Konzern lässt sich den Deal mehr als 10 Mrd. Dollar kosten – die zweitgrößte Übernahme der Unternehmensgeschichte

Siemens stärkt sein Geschäft mit Industrieautomatisierung mit der zweitteuersten Übernahme der Firmengeschichte. Der Münchner Technologiekonzern schluckt die US-Industriesoftwarefirma Altair Engineering für mehr als 10 Mrd. Dollar, wie die beiden Unternehmen am Mittwochabend mitteilten. Die Aktionäre von Altair erhalten 113 Dollar je Aktie, was einem Börsenwert von 10,6 Mrd. Dollar entspricht. Vorstandschef Roland Busch sprach von einem „bedeutenden Meilenstein für Siemens“. Er will den Anteil von Software in der Sparte Digital Industries erhöhen, die sich mit der Steuerung von Maschinen und Anlagen sowie der Planung der Produktion befasst.

„Diese strategische Investition steht im Einklang mit unserem Engagement, die digitale und nachhaltige Transformation unserer Kunden durch die Verbindung der realen und digitalen Welt zu beschleunigen“, sagte Busch. Mit Altair gewinne Siemens zusätzliche, KI-gestützte Fähigkeiten für das Design und die Simulation von Produktionsprozessen. Die Altair-Software ergänze das Siemens-Portfolio, mit dem sich Prozesse virtuell abbilden lassen – als „digitaler Zwilling“. „Es ist ein logischer nächster Schritt: Wir haben in den vergangenen 15 Jahren unsere Führungsrolle bei industrieller Software ausgebaut und zuletzt die Vorteile von Daten und KI für ganze Industrien nutzbar gemacht“, sagte Busch.

Zuletzt hatte die Sparte Digital Industries allerdings mit sinkenden Umsätzen zu kämpfen, weil die Konjunktur in China schwächelt. Finanzvorstand Ralf Thomas hatte in einem Interview kürzlich gesagt, Siemens wolle in dem Bereich in den USA stärker Fuß fassen, wobei man „sehr interessiert“ an Software-Zukäufen sei. Der Konzern konkurriert in der Automatisierungstechnik unter anderem mit der französischen Schneider Electric und Rockwell Automation aus den USA.

Altair soll langfristig Milliardenumsatz bringen

Altair war vor fast 40 Jahren in Detroit gegründet worden und beschäftigt heute in Troy im Bundesstaat Michigan rund 3500 Mitarbeiter, davon rund 1400 in der Forschung und Entwicklung. Geführt wird die Firma von Firmengründer James Scapa. Siemens erwartet von der Übernahme 600 Mio. Euro mehr Umsatz im Digitalgeschäft, das wäre ein Plus von acht Prozent. Langfristig erhofft man sich einen Milliarden-Dollar-Umsatz von Altair, wenn man den Siemens-Kunden auch die Produkte der Amerikaner anbieten könne. Finanzvorstand Ralf Thomas rechnet daneben mit mehr als 150 Mio. Dollar Kosteneinsparungen. Im zweiten Jahr soll sich die Übernahme positiv im Gewinn je Aktie niederschlagen.

Im abgelaufenen dritten Quartal hat Altair einen Umsatz von 151,5 Mio. Dollar erwirtschaftet, 13 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der bereinigte Nettogewinn lag bei 21,2 (2023: 12,7) Mio. Dollar.

Finanzieren will Siemens den Zukauf in bar „und (mit) den sich durch seine starke Bilanz ergebenden Finanzierungsmöglichkeiten“, also wohl auch mit Schulden. Das Rating soll dadurch aber nicht gefährdet werden. Eine Übernahme in ähnlicher Größenordnung hatte Siemens selbst zuletzt 2015 mit Dresser-Rand gestemmt. Damals für 7,6 Mrd. Dollar inklusive Schulden. Übertroffen wird sie allerdings von der Übernahme des Krebsspezialisten Varian durch Siemens Healthineers für 16,4 Mrd. Dollar, das damals allerdings nach dem Börsengang nur noch eine Mehrheitsbeteiligung von Siemens war. 

Siemens konzentriert sich – nach dem Börsengang von Healthineers und der Abspaltung des Energietechnikkonzerns Siemens Energy – zunehmend auf seine Digitalisierungsgeschäfte und trennt sich von Randbereichen. Erst vor wenigen Wochen hatten die Münchner den Verkauf von Innomotics abgeschlossen. Für das Geschäft mit Elektromotoren und großen Antrieben bei rund 15.000 Beschäftigten hatte Siemens rund 3,5 Mrd. Euro bekommen.

Ebenfalls verkauft hat Siemens sein Geschäft mit Gepäckbändern und Luftfracht-Sortieranlagen an Flughäfen. Für 300 Mio. Euro geht es an den niederländischen Weltmarktführer Vanderlande. Das Unternehmen gehört seit 2017 der japanischen Toyota Industries. Siemens Logistics, wie die Tochter heißt, ist die letzte der sogenannten „Portfolio Companies“, die der Münchner Technologiekonzern im Zuge seiner Konzentration auf das Kerngeschäft zum Verkauf gestellt hat.

rtr/dpa/kb

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