Anfang des vergangenen Jahres hatte Diego Della Valle, einer der Giganten der italienischen Geschäftswelt, ein wichtiges Thema mit seiner Familie auf seinem Landsitz aus dem 17. Jahrhundert zu besprechen: ihre Vision für die Zukunft von Tod's, einem Hersteller von Luxusschuhen und Taschen. Sein Großvater hat das Unternehmen vor mehr als einem Jahrhundert gegründet. Nach einem gescheiterten Versuch, den Konzern zu privatisieren, wollten er und sein jüngerer Bruder Andrea in der Villa in der hügeligen Region Marken mit ihren Kindern über ihr Engagement bei der Führung des Unternehmens sprechen. Tod's ist für seine Ledertaschen und Wildlederschuhe bekannt.
Mehrmals traf sich die Familie zu sonntäglichen Essen. Diegos ältester Sohn Filippo, 26, aus der Marketingabteilung von Tod‘s, und Andrea's Sohn Leonardo, 24, der bei Schiaparelli arbeitet, bestärkten die Brüder dabei in ihrer Überzeugung. Einem Insider zufolge entschieden sie schließlich, einen Partner zu suchen, der neuen Schwung in die Unternehmensgruppe bringen kann.
Tod’s verlässt Mailänder Börse
Als Partner springt nun das von LVMH kontrollierte Private-Equity-Unternehmen L Catterton ein, mit dem vereinbart wurde, Tod’s nach mehr als zwei Jahrzehnten von der Mailänder Börse zu nehmen. Laut des am vergangenen Wochenende verkündeten Vorhabens behält die Familie Della Valle ihre Mehrheit, reduziert ihren Anteil aber von 64 auf 54 Prozent. Gleichzeitig übernimmt L Catterton einen Anteil von 36 Prozent an Tod's. LVMH behält seinen Anteil von 10 Prozent bei. Das Abkommen bewertet Tod's auf etwa 2 Mrd. Euro einschließlich Schulden.
An der Spitze von Tod‘s steht Diego Della Valle, eine der schillerndsten Figuren der italienischen Wirtschaft, der seit dem Jahr 2000 an der Spitze der Unternehmensgruppe steht. Früher war er Investor bei Italiens privatem Bahnbetreiber NTV. Außerdem steckte er Geld ins Sport-Business sowie in Banken, Medien und Designfirmen.
Der für seine seidenen Krawatten und seine direkte Art bekannte Geschäftsmann ist stolz darauf, Italiener zu sein. Offen kritisierte er italienische Familienunternehmen, wenn sie ihren Hauptsitz ins Ausland verlegten und lokale Arbeitsplätze abbauten. Der Hauptsitz von Tod's befindet sich nach wie vor in der kleinen Stadt Casette D'Ete. Das Unternehmen war der erste italienische Luxuskonzern, der in seinem Heimatland an die Börse ging, während Gucci New York für seinen Börsengang wählte.
„Die strategisch beste Entscheidung“
Gegenüber der „Financial Times“ sagte Della Valle, er sei zuversichtlich, dass das in Connecticut ansässige Unternehmen L Catterton die Attraktivität von Tod‘s steigern und dem Unternehmen ermöglichen werde, sich auf Investitionen in Marketing sowie Forschung und Entwicklung zu konzentrieren. „Dieser Deal wird der Gruppe helfen, sich durch Investitionen weiterzuentwickeln und neuen Herausforderungen zu stellen“, sagte Della Valle laut einer Erklärung, als die Pläne für das Delisting bekannt gegeben wurden. „Ich halte das für die strategisch beste Entscheidung.“
Obwohl der Umsatz von Tod's, zu dessen Marken das Schuhlabel Roger Vivier sowie die Bekleidungs- und Accessoire-Labels Schiaparelli, Fay und Hogan gehören, im vergangenen Jahr um 11,9 Prozent auf 1,13 Mrd. Euro gestiegen ist, blieb der Aktienkurs hartnäckig niedrig. Mit rund 43 Euro pro Aktie liegt der Kurs etwa 9 Prozent unter dem Preis beim Börsengang im Jahr 2000. Analysten wiesen daraufhin, dass sich Verbesserungen im Produktangebot und bei den Erträgen von Tod's nicht im Aktienkurs niedergeschlagen hätten. Es sei für kleine Luxusmarken kompliziert, als börsennotierte Unternehmen eine Trendwende herbeizuführen.
Die 1989 gegründete Beteiligungsgesellschaft L Catterton verfügt über Umstrukturierungserfahrung und ist auf Verbrauchermarken spezialisiert. Zu seiner jetzigen Form fand es 2016 durch eine Partnerschaft zwischen einer Private-Equity-Firma, dem französischen Luxuskonzern LVMH und dem Familieninvestmentvehikel des Gründers Bernard Arnault. Die Gruppe kann eine Reihe profitabler Exits vorweisen, wie den 8,6 Mrd. Dollar schweren Börsengang des deutschen Sandalenherstellers Birkenstock im Jahr 2023. Tod's habe gute Aussichten eine weitere Erfolgsgeschichte zu werden, meinen Analysten.
Della Valle und Arnault sind seit mehr als zwei Jahrzehnten befreundet. Der Deal mit Tod's vertieft ihre ohnehin schon engen Beziehungen zu einer Zeit, in der die Umsätze und der Aktienkurs von LVMH nach oben schießen. LVMH ist ein langfristiger Investor bei Tod's, der sich erstmals im Jahr 2000 an dem Unternehmen beteiligte. Della Valle sitzt seit 2002 im Aufsichtsrat des weltweit größten Luxuskonzerns. Der Italiener war 2021 Gast bei der Hochzeit von Alexandre Arnault in Venedig, während der LVMH-Chef in Della Valle's Sommerhaus auf der Insel Capri urlaubte.
Multikonzerne übernehmen familiengeführte Unternehmen
Der Deal mit L Catterton hat unter Brancheninsidern und Analysten Spekulationen wiederbelebt, LVMH könnte eventuell Tod's kaufen und damit seinen Bestand an Bekleidungsmarken auszubauen, zu denen auch Christian Dior und Céline gehören. „Man könnte es als Hors d'oeuvre für einen zukünftigen Verkauf an die Franzosen ansehen, zu einem höheren Preis als dem, den sie jetzt erzielen würden“, sagte ein Analyst, der nicht namentlich genannt werden wollte. Doch Della Valle, der sich stets geweigert hatte, die Kontrolle abzugeben, wehrte sich gegen diese Deutung. „Ich kenne diese Art von Spekulationen, aber sie ergeben keinen Sinn. Wir hätten die Gruppe direkt an LVMH verkaufen können, falls wir das gewollt hätten“, sagte er.
Der in Paris ansässige Multikonzern Kering besitzt italienische Marken wie Gucci und Bottega Veneta, LVMH kaufte 2011 Bulgari und 2013 Loro Piana. Die Frage der Nachfolge ist ein immer wiederkehrendes Thema in familiengeführten italienischen Luxusunternehmen. Ein hochrangiger italienischer Luxusmanager sagte, es sei enttäuschend, wenn „ausgerechnet Della Valle“ schlussendlich an die Franzosen verkaufe. Damit spielte er auf die 1 Prozent des Tod's-Gewinns an, die Della Valle jährlich an lokale Gemeinden in der Marken-Region spendet sowie dessen Auftritte im italienischen Fernsehen, in denen er die Vorteile von Zuwendungen an Arbeiter und benachteiligte Gruppen anpreist. Gleichzeitig fügte er hinzu, dass kleinere Luxuskonzerne es „schwer haben“ in einer von Mulitkonzernen dominierten Branche.
Partnerschaft bringt Vorteile mit sich
Schon im Jahr 2022 versuchte die Familie Della Valle das Unternehmen von der Börse zu nehmen, indem sie den Minderheitsaktionären 40 Euro pro Aktie anbot. Doch sie verfehlte die erforderliche Schwelle von 90 Prozent. Anders als damals wird erwartet, dass der jetzige Versuch Erfolg haben wird.
Doch sollten die an der Transaktion beteiligten Parteien die für das Delisting erforderliche Schwelle von 90 Prozent der Anteile nicht erreichen, will L Catterton die Gruppe in das Investmentvehikel einbringen, mit dem es das Angebot unterbreitet hat. Dieser Vorgang erfordert zwar keine Beteiligungsschwelle, doch die Aktionäre müssen darüber abstimmen. Vermutlich würde diese Abstimmung zustimmend ausfallen. Denn der gemeinsame Anteil von Della Valles und LVMH von 64 Prozent reicht aus, um die italienische Vorschrift zu erfüllen, wonach bei einer solchen Wahl mindestens 50 Prozent des Aktienkapitals vertreten sein müssen und dem Vorhaben mindestens eine Zweidrittelmehrheit zustimmen muss.
Luca Solca, Analyst der Vermögensverwaltungsgesellschaft Bernstein, sagte, dass die Partnerschaft mit L Catterton Tod's vorerst ermögliche, „viele der Vorteile zu nutzen, die die Zugehörigkeit zu einem Konglomerat wie LVMH bieten könnte, ohne jedoch auf die Möglichkeit zu verzichten, unabhängig Werte zu schaffen“.
„Unsere neuen Partner werden für uns von Vorteil sein“, fügte Della Valle hinzu. „Es verringert meine Verantwortung gegenüber meiner Familie, meinen Mitarbeitern und unserer gesamten Gruppe, die durchaus eine italienische Gruppe ist."
Mitarbeit: Adrienne Klasa
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