Gavin McCrone ist Autor von „Scottish Independence: Weighing Up the Economics“, erschienen bei Birlinn, Edinburgh
Es gibt gute Gründe für die Überzeugung, dass ein kleines unabhängiges Land manchmal wirtschaftlich besser dran ist, als wenn es eine Region in einem größeren Land wäre. Das trifft vor allem dann zu, wenn seine Wirtschaftsstruktur sehr unterschiedlich oder auf einem anderen Entwicklungsstand ist. Denn die Wirtschaftspolitik kann dann für seine Bedürfnisse maßgeschneidert werden, während im anderen Fall eine „Einheitsgrößen“-Politik gemacht wird.
Das gilt vor allem für den Wechselkurs. Ein Land muss im Austausch mit seinen Handelspartnern auf seine Kosten kommen, und Wechselkursveränderungen sind ein wesentliches Instrument, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Eine Region ist da außen vor, ihr Überschuss oder Defizit wird im Rahmen des Gesamtstaats ausgeglichen. Mit Hilfe eines wettbewerbsfähigen Wechselkurses lassen sich Investitionen anlocken und die Arbeitslosigkeit senken – doch eine Region muss mit dem Wechselkurs klarkommen, der für die gesamte Volkswirtschaft gilt, egal ob er für diese Region passt oder nicht.
Schottland will das Pfund behalten
Schottlands Wirtschaft, abgesehen vom Nordsee-Öl, ähnelt der britischen als Ganzes, und sie ist darin stark integriert. Eine Unabhängigkeit würde diese Integration beeinträchtigen, und das hat Folgekosten. Und wegen seiner erheblichen aber schrumpfenden Öleinnahmen könnte Schottland ganz anderem Druck aus dem Rest Großbritanniens ausgesetzt sein. Sowohl die Leistungsbilanz als auch der Regierungshaushalt wäre starker Volatilität ausgesetzt.
Erklärtes Ziel der schottischen Regierung ist es, nach der Unabhängigkeit die Währungsunion mit dem Vereinigten Königreich beizubehalten. Das ist ein zentrales Thema in der Unabhängigkeitsdebatte. In einer Rede in Edinburgh hat jüngst der britische Finanzminister genauso wie Vertreter der beiden anderen führenden Parteien die Idee einer Währungsunion zurückgewiesen, in der die Bank of England als Zentralbank und ‚lender of last resort’ agiert. Eine eigene schottische Währung könnte aber auch Vorteile haben, wenn sie an das Pfund angebunden wird, um ihr größere Stabilität zu verleihen. Denn dann könnte der Wechselkurs in einer Krise angepasst werden. Aber eine eigene Währung wäre den Druckfaktoren ausgesetzt, die auf einer Petro-Währung lasten.
Auf diejenigen Unternehmen, die Geschäfte mit dem Rest Großbritanniens machen, kämen Transaktionskosten und zumindest ein gewisses Maß an Wechselkursrisiko zu. Gleiches gilt für Personen, deren Hypotheken oder Renten in Sterling laufen. Der Hypothekenkredit des britischen Kreditgebers wäre in Sterling, der entsprechende Vermögenswert in Schottischen Pfund. Um das Wechselkursrisiko auszuschalten, müssten Kreditnehmer entweder eine neue Hypothek in Schottland aufnehmen oder die britische Institution in der Lage sein, in schottischer Währung zu leihen.
Fragezeichen hinter der Energieversorgung
Das ist nur eine von vielen Unsicherheitsfaktoren vor dem schottischen Unabhängigkeitsreferendum. Ein anderer ist, ob und wie schnell Schottland Mitglied der EU werden könnte, um so den Binnenmarkt zu behalten. Müsste es sich in einer Schlange von Kandidaten anstellen, ohne zu wissen wie das Verfahren ausgeht? Oder könnte es den leichteren und schnelleren Weg einer Vertragsänderung gehen? Was auch immer – die 28 bestehenden EU-Mitglieder müssten zustimmen. Und jedes könnte ein Veto ausüben.
Schottische Minister haben zu Recht auf den Wohlstand Schottlands nicht nur beim Offshore-Öl und -Gas, sondern auch bei Erneuerbaren hingewiesen. Aber mit der Ausnahme von Wasserkraft benötigen die Ökoenergien Subventionen von Verbrauchern in ganz Großbritannien. Windkraft auf Land wird allmählich wirtschaftlicher und, wenn sich der gegenwärtige Trend fortsetzt, wird sie irgendwann in dieser Dekade wettbewerbsfähig sein. Aber das gilt nicht für Offshore-Wind oder die Gezeitenenergie, die in einer sehr frühen Entwicklungsstufe steckt. Werden Verbraucher im Rest Großbritanniens bereit sein, diese auch nach einer schottischen Unabhängigkeit zu subventionieren? Das wird voraussichtlich davon abhängen, ob sie Strom aus anderen billigeren Quellen beziehen können.
Das sind nur einige der bestehenden Unsicherheiten, während das Datum des Referendums näher rückt. Sehr wahrscheinlich wird vieles davon auch dann noch ungeklärt sein, wenn die Menschen ihre Stimme abgeben.
Dieser Beitrag ist im Frühjahr 2014 im „The Geographer“, dem Newsletter der Royal Scottish Geographical Society, erschienen.
In der aktuellen Capital-Ausgabe analysiert Ines Zöttl die Unabhängigkeitsbestrebungen. Gavin McCrone kommt auch zu Wort: "Ich habe keine Zweifel, dass Schottland gedeihen kann: als unabhängige Nation - aber auch, wenn es sich entscheidet, Teil des Vereinigten Königreichs zu bleiben." Die ganze Geschichte lesen Sie in der Ausgabe 5/2014. Hier können Sie sich die iPad-Ausgabe der neuen Capital herunterladen. Hier geht es zum Abo-Shop, wenn Sie die Print-Ausgabe bestellen möchten.