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Kolumne Rettet den Handel!

Das Transatlantische Freihandelskommen droht zum Opfer der Globalisierungsängste zu werden. Verdient hat es das nicht. Von Ines Zöttl
Ines Zöttl
Ines Zöttl schreibt an dieser Stelle über internationale Wirtschafts- und Politikthemen.
© Trevor Good

Keiner mag sie. Ihre Erfolge heimsen andere ein. Wenn etwas schief läuft, zeigen alle mit dem Finger auf sie. Die Rede ist – nein, nicht von der EU. Sondern von der Globalisierung. Kaum etwas hat die Welt in den vergangenen Jahrhunderten so stark verändert wie der internationale Handel und das Zusammenwachsen der Märkte. Verändert zum Guten. Niemand würde bestreiten, dass es Globalisierungsverlierer gibt. Aber genauso wenig lässt sich leugnen, dass der Nettoeffekt positiv ist. Die Globalisierung hat den Wohlstand in der Welt erhöht. Der Rest ist eine Frage der Verteilung – oder Umverteilung.

Trotz ihrer Erfolgsgeschichte wird die Globalisierung von niemand gemocht. Ökonomen, die sich für Freihandel einsetzen, gelten als naiv. Politikern wird schnell vorgeworfen, den Interessen der eigenen Bürger und Unternehmen zu schaden. Handelsliberalisierung wird nicht als Chance, sondern als Bedrohung wahrgenommen – und zwar meist von allen Beteiligten. Denn mögliche Zuwächse fürs weltweite Bruttoinlandsprodukt sind abstrakt und dem rituellen Versprechen zusätzlicher Arbeitsplätze glaubt ohnehin niemand. Entsprechend schwer fällt es der Politik, die Liberalisierung des Handels zu ihrer Sache zu machen.

Florierender Handel schafft Aufschwung

Opfer des generellen Misstrauens droht nun das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU zu werden. Die dahinter stehende Idee ist Träumern würdig: Eine Freihandelszone, die Kontinente überspannt; die die beiden größten Wirtschaftsblöcke der Welt mit beinahe der Hälfte des globalen BIP und mehr als 800 Mio. Menschen zu einem gemeinsamen Raum verbindet. Ganz so wird es in der Realität nie aussehen. Aber TTIP soll die Hürden für den Austausch von Waren und Dienstleistungen senken und so Exporte, Importe und Investitionen erleichtern. Und florierender Handel schafft Aufschwung.

Doch die Kritik an dem Vorhaben wächst. Erst wurde über mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen geklagt, inzwischen wird die Sorge immer lauter, dass das TTIP europäische Umwelt-, Sozial- und Verbraucherschutzstandards aushebelt. Darüber kann man diskutieren – und dann sind die Fähigkeiten der europäischen Unterhändler gefragt. Doch scheint beispielsweise die Angst, dass mächtige Konzerne künftig mit Hilfe von Schiedsgerichten die Demokratie unterlaufen können, ziemlich übertrieben.

Die Kritiker des TTIP bemängeln, dass in aller Stille Fakten geschaffen würden. Dabei ist es umgekehrt: es fehlt an starken Anwälten für das Abkommen, nicht an Stimmen dagegen. Weder der US-Präsident, der sich mit dem bockigen und wenig handelsfreundlichen Kongress auseinandersetzen muss, noch die europäischen Regierungen betreiben das Vorhaben mit Enthusiasmus und Entschlossenheit. Als der Ärger über die NSA-Abhöraktionen hochschwappte, kam in Europa gleich die Forderung auf, die Amerikaner mit einer Aussetzung der TTIP-Verhandlungen zu bestrafen. Vielleicht, weil die gerade anliefen, vielleicht aber auch, weil es leicht fällt, etwas zu opfern, was man selbst nicht liebt.

Wo bleiben die Fans der Globalisierung?

Globalisierung ist kein unaufhaltsamer Prozess, der Kollaps des Welthandels in den 30er-Jahren hat das schmerzhaft gezeigt. Eine neue Welle von Protektionismus ist in der Wirtschafts- und Finanzkrise der vergangenen Jahre zum Glück ausgeblieben. Doch der Konjunktureinbruch hat den Austausch von Waren, Kapital und Menschen trotzdem verlangsamt. Die Globalisierung kann neue Impulse gut brauchen.

Schon 2015 wollen die TTIP-Unterhändler fertig sein. Nicht unwahrscheinlich aber, dass es der Freihandelszone ergeht wie einem anderen ungeliebten Projekt: Jahrelang galt die Anfang des Millenniums gestartete Doha-Runde zur Liberalisierung des Welthandels wegen der großen Widerstände als mausetot. Doch zwölf Jahre nach dem Start gelang zur Überraschung aller doch noch der Durchbruch. In Bali schlossen die WTO-Staaten Ende 2013 ein multilaterales Handelsabkommen. Allerdings war die Idee einer umfassenden Marktöffnung geschrumpft auf graduelle Erleichterungen beim Zoll. Besser als nichts: Nach Berechnungen der OECD werden die Handelskosten der armen Entwicklungsländer um 14 Prozent sinken, wenn das Abkommen voll umgesetzt wird. Vielleicht findet die Globalisierung doch noch ein paar Fans. Verdient hat sie es sich.

E-Mail: Zoettl.Ines@capital.de

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