Christian Schütte schreibt an dieser Stelle über Ökonomie und Politik
Meine liebe Tante SPD,
was will denn der jetzt von mir, wirst Du sagen. Und es stimmt ja auch: Wir haben eigentlich nicht mehr viel miteinander zu tun.
Immer mal wieder ärgere ich mich über Deinen bürokratisierten Weltverbesserungsfimmel. Manchmal denke ich auch: trotzdem gut, dass es diese SPD gibt. In unserer Geschichte der deutschen Demokratie warst Du immer eine fortschrittliche Hauptperson, der wir viel verdanken. Das soll keiner vergessen.
So. Und genau deshalb schreibe ich Dir jetzt. Du bildest in Thüringen – übrigens Deinem Geburtsland – eine Regierung mit der Partei Die Linke. Einer Partei, die dort als SED einst die Diktatur des Proletariats durchexerzierte. Das finden viele einfach unanständig.
Geht es Dir wirklich so schlecht?
Lassen wir hier das Grundsätzliche. Du hast Dich in der Moralfrage ja längst entschieden, koalierst seit Jahren mit gewandelten SED-Erben, wenn sie als Juniorpartner passen.
Was mich wirklich fassungslos macht, ist, dass Du nun sogar selbst zum Juniorpartner der Linken wirst. Ja, Du hast Dich darum scheinbar regelrecht gerissen.
Meine liebe SPD: Geht es Dir wirklich so schlecht, dass Du all Deine legendäre Lebensklugheit für diesen Billigjob aufgeben musst?
In Koalitionen gibt es Koch und Kellner, hat ein berühmter Genosse von Dir mal gesagt. Für den war immer klar, dass die SPD Koch sein soll. Oder wenigstens Mit-Koch: Ohne „Augenhöhe“ läuft gar nichts.
Das ist nicht nur eine Frage der Ehre, sondern auch eine des Erfolgsanspruchs. In Koalitionen hat jeder eine Rolle, und der Regierungschef steht dazu noch für das große Ganze. Ich muss Dir nicht sagen, wie wichtig die Aura der Landesmuttis (und -vatis) ist. Und jetzt kellnerst Du für Bodo Ramelow?
Für Dich bleibt nicht mehr viel übrig
Wenn Du wenigstens Profil gewinnen könntest. Aber Klein-Rot neben Groß-Rot? Wo genau wären die Unterschiede? Die Linke stammt aus Deiner Parteifamilie, ihr Genosse Zampano war mal Dein eigener Zampano. Du warst Oskar Lafontaine dann aber nicht mehr sozial und demokratisch genug, also beschloss er, Dir, liebe Tante SPD, mal so richtig Beine zu machen. Da gehst Du nun kellnern?
Wenn die Grünen schlau sind, bedienen sie in Eurem Erfurter Trio den bürgerlichen Flügel. Für Dich bleibt dann nicht mehr viel übrig.
Gut, manchmal gibt es Dinge, die sind von außen nicht zu verstehen. Vielleicht ist da etwas sehr Spezielles in dieser Thüringer Politik oder dieser Bratwurst, das die übliche Logik aushebelt. Wenn es so eine Amour fou sein muss – viel Glück!
Aber vielleicht kalkulierst Du ja auch so: Zwischen Dir und der Linken fallen nun die letzten Tabus. Und die Linke mit einem stolzen Herrn Ministerpräsidenten wird schon richtig staatstragend. Auch im Bundestag könnt Ihr also bald ganz normal über eine Koalition verhandeln. Und der Koch heißt wieder SPD.
Alles Blödsinn, sagt dazu Deine Generalsekretärin. Aber wirklich überzeugend ist das nicht. Denn wenn Du einen eigenen Kanzler willst, hast Du ja leider nur zwei Möglichkeiten: Entweder Du gewinnst neue Wähler in der politischen Mitte. Oder Du versuchst eben Rot-Rot-Grün. Diese linke Mehrheit gibt es sogar im aktuellen Bundestag schon.
Falls Du mit Deinem Kellnerjob bei Ramelow auf neue Freunde aus der Mitte hoffst, muss ich Dich enttäuschen: Vergiss es!
Ich dachte, liebe SPD, ich schreibe Dir das jetzt doch mal persönlich. Bevor Du es am nächsten Wahlabend wieder aus den Medien erfahren musst.