Capital: Über ein Implantat per Software mit dem Gehirn des Menschen Kontakt aufzunehmen klingt nach Science Fiction. Was geschieht da?
BÁLINT VÁRKUTI: Die Hirn- und die Rückenmarkstimulation sind im Grunde schon seit langem bekannte, etablierte Therapien für Schmerzerkrankungen, Tremor oder Parkinson. Die gibt es schon seit Jahrzehnten. Was neu ist, dass wir festgestellt haben, dass diese Implantate viel mehr können als in der heutigen Nutzung. Indem man sie über Software anders ansteuert, sind wir in der Lage, völlig neue Fähigkeiten auf die Implantate aufzuspielen. Auf diese Weise lassen sich spezifische Symptome bekämpfen.
Welche Symptome sind das?
Wir können zum Beispiel Parkinson-Patienten dabei helfen, stabiler und mit mehr Selbstvertrauen in die Umwelt hinaus zu gehen. Oder Patienten mit einer Querschnittslähmung können wieder mit der Umwelt interagieren, zum Beispiel über einen Roboterarm. Wir können aber auch alle möglichen Informationen übertragen – vom Morse-Code über Buchstaben bis zu einem künstlichen Hörsinn.
Wie viele Menschen haben solche Implantate? Wie groß ist das wirtschaftliche Potenzial?
Weltweit gibt es etwa eine Viertelmillion Patienten mit Implantaten zur Tiefenhirnstimulation. Für das Rückenmark sind es ungefähr 600.000. Es könnten aber noch viel mehr sein. Bei Parkinson werden derzeit nur etwa acht Prozent derjenigen damit versorgt, die sich dafür eignen würden. Der Markt für Tiefenhirnstimulation hat etwa ein Volumen von 1,2 Mrd. Dollar und der für Rückenmarkstimulation 3,6 Mrd. Dollar.
In welchem Stadium ist die Arbeit von Ceregate?
Wir sind in Test- und Zulassungsphasen. Wir haben zum Beispiel eine Zulassungsstudie an sieben Zentren in den USA mit unserer kalifornischen Tochterfirma. Da geht es um eine neue Therapieform für Parkinson. Wir konzentrieren uns auf das Symptom der Bewegungsblockade, bei dem ein Patient beim Gehen gewissermaßen einfriert und da nicht mehr raus kommt. Die anderen Patienten sind alle in einer frühen Testphase.
Wann kann so eine Software reif für den Markt sein?
Die Entwicklungszeiten in diesem Deeptech-Sektor sind normalerweise wahnsinnig lang, das kann zehn Jahre dauern. Wir sind deutlich schneller, weil wir mit Systemen arbeiten, die schon zugelassen sind. Wir konnten daher schnell Daten vorlegen, die die die regulatorischen Behörden überzeugen. Wir glauben, dass wir die Parkinson-Studie nächstes Jahr abschließen können. Und das ist es nur eine Frage des Marktes, wie schnell das im Angebot ist.
Hören Sie in der neuen Folge von „Die Stunde Null“,
- wie Ceregate an seine Daten kommt,
- wer Patienten mit Hirn-Implantanten versorgt,
- woher das Unternehmen sich seine Mitarbeiter holt.
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