„Unsere virensichere, zertifizierte Anlage filtert die Atemluft im Restaurant siebenmal in der Stunde – für ein Durchatmen fast wie an der frischen Luft.“ So oder ähnlich versprechen Gastronomen neuerdings ihren Kunden eine geschützte Atmosphäre, jetzt wo die Mahlzeit im Außenbereich doch schnell kalt wird. Mit Luftfilteranlagen, Heizpilzen und Wärmestrahlern will das schwer gebeutelte Gewerbe sich durch den Corona-Winter retten. „Unsere Unternehmer machen sich fit für die Herbst- und Wintersaison“, erklärt der Bundesverband Dehoga.
Denn die kündigt sich mit herbstlicher Flaute und Sperrzeiten höchst bedrohlich an. Der lange Sommer brachte dank der Lockerungen der Corona-Auflagen, Hygienekonzepten und einer Ausweitung der Außenbewirtschaftung eine leichte Verschnaufpause. Doch das Niveau von vor der Krise wurde noch nicht erreicht.
Fielen die Umsätze des Gastgewerbes von März bis Mai drastisch zwischen 45 und 75 Prozent, so lagen sie nach den jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamts im August real immer noch 22 Prozent unter dem Vorjahres- oder Vorkrisenmonat. An vielen ging die Belebung auch ganz vorbei: Nach Handel und Bauwirtschaft zogen Firmen im Gastgewerbe mit 1000 Insolvenzverfahren im ersten Halbjahr 2020 am häufigsten die Reißleine.
Nicht den schwarzen Peter
Die nun wieder verschärften Regelungen zur Kontaktbegrenzung und insbesondere zu den Sperrzeiten treffen das Gastgewerbe hart. „Die Maßnahmen sind existenzgefährdend“, heißt es. Ohnehin blieben in den ersten Herbstwochen Tische schon zunehmend frei. Um so mehr hofft die Branche, dass noch weiter gehende Lockdowns verhindert werden können. Mit schmissigen Slogans wie „Abstand halten. Sonst ist deine Stammkneipe schneller dicht als du“, werben Branchenvertreter für die Einhaltung von Verordnungen.
Die Branche will nicht den schwarzen Peter zugeschoben bekommen, nachdem mutmaßlich ein Übermaß an Geselligkeit die Zahlen der Neuinfektionen wieder drastisch in die Höhe treibt. „Unsere strikten Hygienekonzepte funktionieren. Hotels und Restaurants haben nachweislich nicht zum Anstieg der Infektionen beigetragen,“ versicherte Dehoga-Präsident Guido Zoellick noch vor der letzten Krisenrunde von Bund und Ländern.
Zugleich appellieren die deutschen Gastronomen an die Politik, die Rahmenbedingungen so flexibel wie möglich zu halten, um ihnen ein Überleben zu ermöglichen. Vor allem die zum Klimaschutz weitgehend verbotenen Heizpilze gelten als Hoffnungsträger. Eine bundesweite Zulassung soll her, um im Herbst und Winter dank Gas-Heizpilzen und Elektro-Wärmestrahlern mehr Gäste im Freien bedienen zu können.
Hoffnungsträger im Corona-Winter
Tatsächlich hat zuletzt die lange skeptische Hansestadt Hamburg ihren Widerstand dagegen aufgegeben. Die meisten Metropolen, wie Frankfurt, Stuttgart, Köln oder Düsseldorf haben das Verbot ausgesetzt, München lässt die „Klimasünder“ nur elektrobetrieben zu, in Berlin folgt allmählich ein Bezirk nach dem anderen und erteilt eine Corona-Ausnahme. Selbst Teile der Grünen und der Chef das Umweltbundesamts Dirk Messner halten sie für vertretbar. Ein handelsüblicher Propangas-Heizpilz mit acht Kilowatt Heizleistung blase rund 2,2 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Stunde in die Luft, hat das Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) berechnet.
Je stärker die Zahl erfasster Neuinfektionen in die Höhe geht, desto mehr werden Menschen geschlossene Gaststätten vermeiden, selbst wenn die Abstandsregeln eingehalten werden. Schon im August gab laut einer Umfrage von Yougov jeder zweite Deutsche an, öffentliche Innenräume aus Angst vor Ansteckungsgefahr zumeiden. Das Infektionsrisiko ist dort wegen der Aerosole nun einmal hoch: Neben Tröpfchen, die beim Niesen oder Husten geschleudert werden, aber im Umkreis von zwei Metern zu Boden sinken, können Aerosolpartikel – viel kleinere Tröpfchen, die beim Sprechen oder Atmen abgesondert werden – noch Stunden nach der Emission und mehrere Meter von einem Infizierten entfernt nachgewiesen werden.
Nicht erst seitdem wissenschaftliche Studien für Klassenzimmer neben Stoßlüften den Einsatz von professionellen Luftreinigern empfehlen, gehen auch in der Gastronomie Verkäufe durch die Decke. Atmosphärenforscher der Goethe-Universität Frankfurt haben soeben belegt, dass Geräte der Filterklasse HEPA (H13) die Aerosolkonzentration in einer halben Stunde um 90 Prozent senken können. Diese Hochleistungsschwebstofffilter (HEPA oder High Efficiency Particulate Air) der Klassen 13 oder 14 können bis zu 99,995 Prozent der Aerosole aus der Luft filtern – und damit auch die darin gebundenen Virenpartikel.
Gib Aerosolen keine Chance
Üblicherweise sind solche Partikelfilter in Kliniken und Labors im Einsatz. Nun legt auch der Gaststättenverband seinen Mitgliedern einen Blick in die Empfehlungen der Bundesregierung für „infektionsschutzgerechtes Lüften“ ans Herz. Dort wird für Umluftanlagen zu einer Nachrüstung für höhere Luftwechselraten durch Außenluft geraten sowie zu einem Upgrade auf Staubfilter der Klassen ISO ePM1 70 oder 80 Prozent. Aber besser noch: zur Aufrüstung auf die wissenschaftlich auf Virenschutz geprüften HEPA 13 oder 14-Standards.
Auch die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe weist darauf hin, dass Luftreiniger im Umluftbetrieb in der Regel weniger wirkungsvoll sind als die direkte Frischluftzufuhr von außen. Geräte, die auf der Basis von Elektrofiltern, kaltem Plasma oder UV-Strahlung arbeiteten, könnten Ozon und Stickoxide in die Atemluft freisetzen. Hier sei bei einigen Angeboten am Markt besondere Vorsicht geboten.
Neue leistungsfähige Anlagen und Systeme sind natürlich teuer in der Anschaffung. Der Bund will bis zu 500 Mio. Euro bis 2024 in die Verbesserung von Belüftungssystemen stecken – allerdings nur für Modernisierungen in öffentlichen Gebäuden. Speziell für die Gastronomie prüft offenbar Hessens Wirtschaftsministerium eine Unterstützung von betrieblich notwendigen Investitionen. Und aus den laufenden Überbrückungshilfen sollen auch Heizpilze laut dem Mittelstandsbeauftragten der Bundesregierung, Thomas Bareiß, finanziell unterstützt werden können.
So manche Gaststätte braucht aber vielleicht gar keinen großen Aufwand. Schließlich haben die Filteranlagen noch vor wenigen Jahren mit hinreichend hohem Luftdurchsatz viele Innenräume auch von dem Dunst qualmender Zigaretten befreit.

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