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Kreditrisiken Parallelen zur Eurokrise: Chinas neuer Seidenstraße droht ein Fiasko

Der Hafen Hambantota auf Sri Lanka. China organisierte den Bau praktisch im Alleingang, dafür musste der Inselstaat ihn für 99 Jahre an das Reich der Mitte verpachten
Der Hafen Hambantota auf Sri Lanka. China organisierte den Bau praktisch im Alleingang, dafür musste der Inselstaat ihn für 99 Jahre an das Reich der Mitte verpachten
© Liu Hongru / picture alliance/Photoshot
Die „neue Seidenstraße“ ist das wichtigste Prestigeprojekt Chinas, mit dem die Volksrepublik ihre Position als Weltmacht auch im Handel ausbauen will. Doch nun droht ein Desaster. Experten sehen bereits Parallelen zur Eurokrise 2008

Einst war die Seidenstraße die vermutlich wichtigste Handelsroute der Erde. Sie verband den fernen Osten, Zentralasien, den Mittelmeerraum, Europa und Teile Afrikas. Schon in der Antike wurde hier gen Westen wertvolle Seide und gen Osten vor allem Edelmetallen und Baumwolle verkauft. Bis ins 16. Jahrhundert hinein ermöglichte sie den Austausch von Waren, Kulturen und Bräuchen. Mit der zunehmenden Dezentralisierung des Handels, dem Versiegen wichtiger Flüsse und vielen Konflikten auf der Route verlor die Seidenstraße im Mittelalter an Bedeutung. 

Doch seit einigen Jahren arbeitet China mit Hochdruck daran, die Handelsroute wiederzubeleben. Spätestens seit Xi Jinping die Geschicke des Landes führt, ist die „Neue Seidenstraße“ zum wichtigsten Prestigeprojekt der Volksrepublik geworden. Geld spielte dabei lange keine Rolle. China vergab Kredite in Milliardenhöhe an Entwicklungs- und Schwellenländer, um deren Infrastruktur massiv auszubauen. Doch dabei hat sich das Reich der Mitte offenbar verhoben. Wie eine neue Studie des Kieler Institut für Weltwirtschaft, AidData, der Harvard Kennedy School und der Weltbank nun zeigt, droht das Projekt zu einem Milliardengrab zu werden. 

Neue Seidenstraße: 60 Prozent der Auslandskredite droht Zahlungsausfall

Wie die Forscher mitteilten, drohten im vergangenen Jahr 60 Prozent der von China gegebenen Auslandskredite auszufallen. 2010 habe dieser Anteil bei fünf Prozent gelegen. Um die Zahlungsfähigkeit zu sichern, schießt Peking Notkredite nach: Bis Ende 2021 habe China 128 Rettungsdarlehen in 22 Länder vergeben – mit einem Gesamtvolumen von knapp 240 Mrd. US-Dollar. Der größte Teil davon sei über Zentralbankkredite zur Verfügung gestellt worden: 170 Mrd. Dollar. Diese Art des Kredits sei für Außenstehende besonders schwer nachzuvollziehen, so die Autoren der Studie.

An dieser Finanzierungsstrategie Pekings seien drei Aspekte bemerkenswert. Zunächst werfe sie die Frage zur generellen Zukunft der Seidenstraße auf. Denn die meisten Notkredite seien Refinanzierungskredite zur Verlängerung von Laufzeiten oder Zahlungszielen oder zur Zahlung von bereits fälligen Schulden. Die eigentliche Kreditvergabe zum Ausbau von Infrastruktur- oder Energieprojekten sei dafür zu großen Teilen eingestellt worden.

Zudem behandele Peking seine Schuldnerländer sehr unterschiedlich. So habe für China höchste Priorität, Länder mit mittleren Einkommen zu unterstützen, denn auf sie entfielen 80 Prozent aller chinesischen Auslandskredite – in Zahlen knapp 500 Mrd. Dollar. Sie gelte es zu schützen. Dementsprechend bekämen diese Länder bei Zahlungsschwierigkeiten auch zuverlässig frische Kredite, um alte Schulden zu tilgen und so solvent zu bleiben.

Forscher sehen Parallelen zur Euro-Schuldenkrise von 2008

Anders sieht es allerdings bei Ländern mit geringem Einkommen aus. Diese spielen für China keine so große Rolle. Das Risiko, dass es zu Zahlungsausfällen kommt, ist durch die geringeren Summen überschaubar. Dementsprechend erhalten diese Staaten auch selten weitere Gelder und haben praktisch nur zwei Auswege aus dieser Insolvenz: ein Staatsbankrott oder eine Umschuldung, um Zahlungen zu stunden.

Der dritte bemerkenswerte Punkt, den die Forscher herausgearbeitet haben, ist eine Analogie zur Europäischen Finanzkrise von 2008. Als Länder in Südeuropa wie Griechenland in Zahlungsschwierigkeiten gerieten, unterstützte die Europäische Union sie mit Milliardenkrediten. Allerdings weniger, um dem Partnerland einen Gefallen zu tun, als vielmehr um einheimische Banken zu retten, die massiv in diese Länder investiert hatten. Im Falle eines griechischen Staatsbankrotts hätte dies auch Auswirkungen auf Banken in anderen Ländern gehabt – ein Domino-Effekt wäre eingetreten.

Ein ähnliches Horrorszenario drohe auch den chinesischen Banken, sollten ihre größten Schuldner zahlungsunfähig werden. Dies erkläre auch, warum China nun massiv weiter in diese Staaten investiere, so die Forscher: Peking ist ein hohes Risiko mit der Finanzierung von instabilen Staaten eingegangen und versuche nun, seine eigenen Banken zu retten.

Ob riskant oder nicht, die Studie mache deutlich, wie groß Pekings Einfluss auf das weltweite Finanzsystem geworden sei. Bislang sei nicht bekannt gewesen, dass auch China ein System zur Rettung von Krisenstaaten aufgebaut habe. Dies könne ein Vorbote eines neuen, fragmentierten Finanzsystems sein, in dem nicht allein die USA Rettungspakete an Krisenstaaten verteile. 

China könnte zum Manager seiner eigenen Finanzkrise werden

Ehemalige Schwellenländer wie Indien oder eben China, die früher auf Gelder aus dem Westen angewiesen waren, sind zu Global Playern geworden und treten heute also vermehrt selbst als Gläubiger auf. Dies ist insbesondere mit Blick auf Chinas Seidenstraßen-Initiative interessant. Das Reich der Mitte ist offenbar mittlerweile so zahlungskräftig, dass es ein solches Dekadenprojekt im Alleingang finanzieren kann. Allerdings kritisieren die Autoren der Studie, dass die Verteilung der Gelder bilateral und intransparent ablaufe. Mit anderen Worten: Sollte Peking aufhören, bestimmte Staaten mit Krediten zu versorgen und müsste beispielsweise der Internationale Währungsfonds einspringen, gebe es keine Koordination oder Absprachen, da die Finanzierung vorher nur zwischen Peking und dem betroffenen Land geklärt sei.

Geopolitisch bedeutet dies, dass China sich Einfluss – oder besser gesagt Abhängigkeiten – erkaufen kann. Die Länder, die für den Westen über Jahrzehnte zu uninteressant waren und es teilweise noch sind, werden nun aus Peking finanziert – wenn auch zu einem hohen Preis. Denn der durchschnittliche Zinssatz für Kredite aus China liegt mit fünf Prozent deutlich über dem des Internationalen Währungsfonds (zwei Prozent). Kritiker werfen der Volksrepublik schon seit Jahren vor, sie würde kleine Länder mit Krediten und Versprechungen rund um die Seidenstraße in die Schuldenfalle locken. Nun muss sich China möglicherweise bald als Manager seiner eigenen Finanzkrise beweisen.

Der Beitrag ist zuerst auf stern.de erschienen

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