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Kommentar Ökonomischer Leitfaden für Krieg und Frieden

Es wird zu wenig über die ökonomischen Effekte von Konflikten nachgedacht. Von Steve Killelea

Berichte über Konflikte bestimmen die Schlagzeilen in diesen Tagen: Sei es der Bürgerkrieg in Syrien, die Straßenkämpfe in der Ukraine, der Terrorismus in Nigeria oder die Polizeirazzien in Brasilien – die schaurige Unmittelbarkeit der Gewalt ist offensichtlich. Doch während sich Kommentatoren Gedanken machen über geostrategische Erwägungen, Abschreckung, ethnische Unruhen und die Not der einfachen Menschen in den Konflikten, ist eine sachliche Debatte über einen anderen wichtigen Aspekt der Konflikte – die ökonomischen Kosten – selten.

Gewalt hat einen hohen Preis. Die globalen Kosten zur Eindämmung der Gewalt oder Behandlung ihrer Folgen erreichten 2012 sage und schreibe 9500 Mrd. Dollar (elf Prozent des globalen BIP). Das ist mehr als doppelt so viel wie die weltweiten Ausgaben für die Landwirtschaft Sektor und stellt die Gesamtaufwendungen für die Auslandshilfe in den Schatten.

Steve Killelea ist geschäftsführender Vorsitzender des Institute for Economics and Peace
Steve Killelea ist geschäftsführender Vorsitzender des Institute for Economics and Peace

Angesichts der kolossalen Summen müssen die politischen Entscheidungsträger unbedingt gründlich analysieren, wo und wie dieses Geld ausgegeben wird und Möglichkeiten für Kostensenkungen ins Auge fassen. Leider werden diese Fragen selten ernsthaft bedacht. Das liegt zum größten Teil daran, dass Militäreinsätze in der Regel auf geostrategische Erwägungen zurückgehen und nicht der Logik der Finanzwelt gehorchen. Obwohl die Gegner des Irakkriegs den USA unter anderem vorwerfen, an den Ölfelder des Landes interessiert gewesen zu sein, war der Einsatz, gelinde gesagt, unökonomisch. Auch der Vietnamkrieg und andere Konflikte waren finanzielle Katastrophen.

Ähnliche Zweifel treffen auf Rüstungsausgaben in Friedenszeiten zu. Man könnte beispielsweise den finanziellen Sinn der Entscheidung der australische Regierung infrage stellen, 24 Mrd. Dollar für den Kauf des problembehafteten Mehrzweckkampfflugzeuges Joint Strike Fighters auszugeben, während sie gleichzeitig die härtesten Haushaltskürzungen seit mehreren Jahrzehnten vorbereitet.

Konflikte blähen Staatsausgaben auf

Verschwenderische, in Zusammenhang mit Gewalt stehende Ausgaben sind nicht nur eine Frage des Krieges oder der Abschreckung. Harte und teure Law-and-Order-Kampagnen beispielsweise haben, auch sie den Wählern gefallen, im Allgemeinen nur geringe Auswirkungen auf die tatsächlichen Kriminalitätsraten. Ob es sich um einen Weltkrieg handelt oder lokale Polizeieinsätze: Konflikte führen stets zu einem enormen Anstieg der Staatsausgaben. Die Frage ist nur, ob es das wert ist.

Natürlich ist Geld, das zur Eindämmung von Gewalt ausgegeben wird, nicht immer schlecht angelegt. Armee, Polizei oder Einsatzkommandos für den Personenschutz sind oftmals willkommen und notwendig. Und wenn diese Kräfte ordnungsgemäß eingesetzt werden, sparen sie langfristig Steuergelder. Relevant ist, ob der Betrag für den Einzelfall angemessen ist.

Gewiss haben einige Länder ein gutes Gleichgewicht gefunden und treten der Gewalt mit relativ geringen Ausgaben entgegen. Es gibt also Wege, unnötige Ausgaben zu verringern. Eine wirksame Finanzplanung für potenzielle oder anhaltende Konflikte wird am besten erreicht, wenn man den Schwerpunkt auf die Prävention legt. Wir kennen die Stützpfeiler friedlicher Gesellschaften: eine gerechte Verteilung der Einkommen, die Einhaltung von Minderheitenrechten, hohe Bildungsstandards, wenig Korruption und attraktive wirtschaftliche Rahmenbedingungen.

„der positive Kreislauf des Friedens“

Wenn Regierungen zu viel für die Eindämmung von Gewalt ausgeben, verschwenden sie Geld, das andernfalls in produktivere Bereiche wie die Infrastruktur, die wirtschaftliche Entwicklung oder die Bildung investiert werden könnte. Die höhere Produktivität, die beispielsweise aus dem Bau einer Schule statt eines Gefängnisses hervorginge, würde dem Wohl der Bürger zugutekommen und somit geringere Ausgaben zur Gewaltprävention mit sich bringen. Ich nenne das den „positiven Kreislauf des Friedens“.

Vergleichen wir zum Beispiel die nahezu 10.000 Mrd. Dollar, die 2012 weltweit ausgegeben wurden, um Gewalt einzudämmen, mit den globalen Kosten der jüngsten globalen Finanzkrise: Mark Adelson, ehemaliger Chief Credit Officer bei Standard & Poor’s schätzt, dass die gesamten globalen Verluste aus der Krise von 2007 bis 2011 bei 15.000 Mrd. Dollar liegen, was nur etwa der Hälfte der Kosten für Gewalt im gleichen Zeitraum entspricht. Wenn die politischen Entscheidungsträger genauso viel Zeit und Geld darauf verwendeten, Konflikte zu verhindern und einzudämmen, könnten die Gewinne, im Sinne von weniger Gewalt und einem schnelleren Wirtschaftswachstum, enorm sein.

Die Regierungen könnten damit anfangen, ihre Hilfsausgaben zu überdenken. Global geben sie bereits 75-mal mehr für die Eindämmung von Gewalt aus, als ihre gesamte Auslandsentwicklungshilfe zusammen beträgt. Und es ist kein Zufall, dass Länder mit den höchsten Ausgaben für Gewalt (im Verhältnis zum BIP) auch zu den ärmsten Staaten der Welt gehören – Nordkorea, Syrien, Liberia, Afghanistan und Libyen, um nur einige wenige zu nennen. Sollte dieses Geld nicht besser in Investitionen gelenkt werden, die Konflikte eindämmen oder verhindern?

Neben den offensichtlichen humanitären Gründen für Investitionen in den Frieden, insbesondere wenn diese innerhalb der etablierten internationalen Entwicklungshilfeprogramme durchgeführt werden, stellen solche Investitionen auch eine der kosteneffektivsten Möglichkeiten dar, die Wirtschaft weiterzuentwickeln und den Haushalt auszugleichen. Deshalb ist diese Diskussion so nützlich.

Aus dem Englischen von Anke Püttmann

Steve Killelea ist geschäftsführender Vorsitzender des Institute for Economics and Peace.

© Project Syndicate 1995–2014

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