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Globalisierung Neue Studie: Wo schmerzt die Abhängigkeit von China am meisten?

Chinesisches Containerschiff im Hamburger Hafen
Chinesisches Containerschiff im Hamburger Hafen
© picture alliance / Robert B. Fishman | Robert B. Fishman
Die deutsche Wirtschaft ist weniger von chinesischen Vorprodukten und Rohstoffen abhängig als  befürchtet, zeigt eine Analyse. Einige sind aber kurzfristig kaum zu ersetzen

Jedes Mal, wenn die geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China sich wieder zuspitzen, wächst auch in der deutschen Wirtschaft die Unsicherheit, wie eine Eskalation die eigenen Lieferketten treffen könnte. Warnungen, dass die Beziehungen zu einseitig, die Abhängigkeit der Industrie von chinesischen Importen zu groß sei, gibt es genug. Nun hat eine Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) eine, wenn auch vorsichtige Entwarnung gegeben.

Zum siebten Mal in Folge war China 2022 Deutschlands wichtigster Handelspartner vor den USA und den Niederlanden. Insgesamt wurden Waren im Wert von knapp 300 Mrd. Euro gehandelt und dabei wesentlich mehr von Deutschland importiert als in die Volksrepublik exportiert. Für Deutschland ist China mit Einfuhren von über 190 Mrd. Euro das mit Abstand wichtigste Importland – allerdings ist es nicht immer verlässlich.

Angesichts der Lieferschwierigkeiten wegen der vielen Corona-Lockdowns und der internationalen Spannungen lösen einschlägige Außenhandelsdaten wie die des Statistischen Bundesamts bei vielen Unternehmen Ängste aus. Nun setzt das Kieler Institut IfW diese Zahlen in einer neuen Analyse ins Verhältnis und zeigt, dass die Situation insgesamt weniger kritisch ist als befürchtet. „Diese klassischen Handelsflüsse alleine sind nur bedingt geeignet, um die wirtschaftliche Bedeutung Chinas für Deutschland einzuordnen. Denn auch Deutschland selbst produziert Zwischen- und Endprodukte für die heimische Produktion und den heimischen Konsum“, sagt Alexander Sandkamp, einer der Studien-Autoren.

EU-Länder im Verhältnis bedeutsamer

So war China 2021 mit einem Anteil von 11,9 Prozent zwar das größte Ursprungsland deutscher Importe, insgesamt jedoch wesentlich weniger bedeutend als die Europäische Union. EU-Länder waren sowohl für über die Hälfte der deutschen Importe als auch Exporte verantwortlich. Auch der Anteil Chinas an der deutschen Produktion, z.B. mit Vorprodukten, ist mit 0,6 Prozent geringer als der der USA (0,8 Prozent) oder Frankreichs (0,7 Prozent). Dieser Anteil steigt allerdings auf 2,7 Prozent, wenn man auch jene Vorprodukte einbezieht, die aus Drittländern stammen und wiederum chinesische Vorprodukte benötigen – also indirekt zur deutschen Wertschöpfung beitragen. Eine Strategie für mehr Unabhängigkeit von China müsse daher dringend auch diese Verflechtungen berücksichtigen, heißt es in der IfW-Studie.

Bedeutender als Chinas Anteil an der deutschen Produktion ist der am Endverbrauch. Dieser liegt mit 1,4 Prozent gut doppelt so hoch. Die Branchen, an denen China mit etwa einem Viertel direkt und indirekt am stärksten am deutschen Konsum beteiligt ist, sind der Textil- und der Computersektor.

Gesamtwirtschaftlich betrachtet, ist die Abhängigkeit von China trotzdem gering. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2021 würde die Abkopplung der EU von China die deutsche Wirtschaft langfristig ein Prozent der Wertschöpfung bzw. 36 Mrd. Euro kosten. „Allerdings würde ein abrupter Abbruch der Handelsbeziehungen zunächst eine Versorgungslücke mit wichtigen Rohstoffen, Medikamenten und Produkten bedeuten“, erklärt Sandkamp. Denn zusammen dominieren China und Taiwan bei 221 Produkten die deutschen Einfuhren. Sollte es zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den beiden Ländern kommen, müssten innerhalb kurzer Zeit Alternativen auf dem Weltmarkt gefunden werden. Engpässe wären wahrscheinlich. China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz.

Große Abhängigkeit bei Laptops, Computerteilen und Masken

Verwundbar wäre Deutschland nach den Berechnungen des IfW besonders bei bestimmten Produktgruppen und Rohstoffen. So hat China bei Laptops einen Weltmarktanteil von 75 Prozent. 2021 stammten insgesamt 80 Prozent der nach Deutschland eingeführten Notebooks aus China. Bei kritischen Rohstoffen, wie z.B. seltenen Erden oder Scandium, die in der Batterieproduktion benötigt werden, ist China sogar für mehr als die Hälfte der Primärförderung verantwortlich. Auch weil hier kurzfristig kein Ersatz beschafft oder andere Produktionskapazitäten aufgebaut werden konnten, hat die deutsche Wirtschaft während der Coronapandemie unter den chinesischen Lieferengpässen gelitten.

Deutsche Importabhängigkeit von China und Taiwan: Importanteile 2021 nach Warengruppen (IfW)
Deutsche Importabhängigkeit von China und Taiwan: Importanteile 2021 nach Warengruppen (IfW)
© Kiel Policy Brief .Leere Regale made in China: Wenn China beim Handel mauert (Sandkamp et al., 2023)

Bei Computereinheiten und LEDs liegt der Anteil, den Deutschland aus China bezieht mit circa 60 Prozent deutlich über dem chinesischen Weltmarktanteil. Bei diesen Schmerzpunkten könnte also eher diversifiziert werden. Bei Spinnstoffwaren, die Deutschland zu 70 Prozent aus China bezogen hat, liegt der chinesische Anteil am Weltmarkt bei über 80 Prozent. Bei Atemschutzmasken und Schmerzmitteln ist Deutschland ebenfalls stark auf China angewiesen – teilweise liegen die Importanteile hier bei bis zu 90 Prozent.

Kurzfristige Folgen könnten hart sein

Weil diese wohl vereinzelten, aber massiven Abhängigkeiten in Modellrechnungen nicht berücksichtigt würden, könnte eine Abkopplung von China kurzfristig deutlich teurer sein und auch zu Wohlstandseinbußen führen, erklärt Sandkamp. „Aus Gründen der Versorgungssicherheit ist es erforderlich, die Beschaffung essentieller Produkte zu diversifizieren, beispielsweise durch den Abschluss weiterer Freihandelsabkommen“, heißt es in der Studie. Die Politik müsse sich unmittelbar um alternative Bezugsquellen bemühen und nicht erst, wenn es schon zu spät sei. Als Rohstofflieferant könnte z.B. Australien eine bedeutende Rolle einnehmen.

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