Es ist ein Paukenschlag im US-Wahlkampf: Der Oberste Gerichtshof von Colorado hat Donald Trump untersagt, bei der Präsidentschaftsvorwahl der Republikaner in dem Bundesstaat im kommenden Jahr teilzunehmen. Hintergrund ist der 14. Zusatzartikel zur US-Verfassung. Dieser schreibt fest, dass niemand ein öffentliches Amt ausüben darf, wenn er an einem „Aufstand oder Aufruhr“ gegen die Verfassung teilgenommen hat, nachdem er einen Eid auf ihre Verteidigung abgelegt hat.
Genau das wird Trump wegen seiner Rolle bei der Kapitol-Erstürmung am 6. Januar 2021 aber vorgeworfen. Eine Gruppe von Wählern hatte argumentiert, der Ex-Präsident habe sich damit für den Präsidentenjob disqualifiziert – und nun von den Richtern in Colorado Recht bekommen. Es wäre ein Verstoß gegen das Wahlgesetz des Bundesstaates im Westen der USA, „ihn als Kandidaten auf dem Präsidentschaftsvorwahlzettel aufzuführen“, heißt es in dem Urteil.
Endgültig ist der Richterspruch aber nicht. Letztlich dürfte die Frage nach der Anwendbarkeit des 14. Zusatzartikels, die auch in mehreren anderen US-Bundesstaaten die Justiz beschäftigt, vor dem Supreme Court in Washington landen. Dort haben konservative Richter eine klare Mehrheit.
Donald Trump hat zahlreiche juristische Probleme
Die Klagen wegen des Aufstandsartikels richten sich nur indirekt gegen Trump persönlich. Der 77-Jährige hat aber auch diverse juristische Probleme am Hals, in denen er direkter Beschuldigter ist. Dabei geht es etwa um Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin, um sexuellen Missbrauch und Verleumdung sowie um den Vorwurf der Verschwörung und des versuchten Wahlbetruges. Trump bestreitet in allen Fällen vehement jegliches Fehlverhalten und behauptet, die gegen ihn laufenden Untersuchungen seien eine politische Hexenjagd der Demokratischen Partei und voreingenommener linksgerichteter Justizvertreter.
Kein amerikanischer Ex-Präsident hatte jemals so weitreichende Probleme mit der Justiz wie Donald Trump. Einen Überblick über die wichtigsten Klagen und Verfahren, mit denen der Republikaner sich herumschlägt, finden Sie in der Fotostrecke oben.
Diese Verfahren laufen noch gegen Donald Trump
Wegen angeblicher Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels ist Donald Trump in New York angeklagt. Anfang April 2023 erschien der Beschuldigte unter großem Medienandrang vor dem Bezirksgericht von Manhattan und plädierte auf nicht schuldig. Seither muss er sich als erster Ex-Präsident in der US-Geschichte in einem Strafverfahren verantworten.
Daniels, bürgerlich Stephanie Clifford, behauptet, sie habe 2006 am Rande eines Golfturniers Sex mit Trump gehabt. Um zu verhindern, dass ihm dieser Vorwurf im Wahlkampf 2016 schaden könnte, hatte Trumps damaliger Anwalt Michael Cohen 130.000 Dollar (rund 122.000 Euro) an Daniels gezahlt. Ende März 2024 soll der Prozess beginnen – das ist kurz nach dem sogenannten Super Tuesday, an dem gleichzeitig in mehreren US-Bundesstaaten Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidatur stattfinden.
Fazit: Würde man Trumps Strafverfahren nach Erfolgschancen sortieren, käme dieser Fall an letzter Stelle. Juristisch steht er auf wackeligen Beinen, da die Anklage ein kompliziertes Zusammenspiel aus Bundes- und Bundesstaatenrecht verargumentieren muss. Aus Sicht der Öffentlichkeit gilt er als der irrelevanteste Prozess.
Die Generalstaatsanwältin von New York, Letitia James, hat Donald Trump, Mitglieder seiner Familie und Mitarbeiter der Trump Organization im September 2022 wegen des Vorwurfs von Finanzbetrügereien zivilrechtlich verklagt: Die Familienholding soll den Wert von Immobilien künstlich aufgeblasen haben, um Kredite von Banken zu erhalten. In anderen Fällen sollen die Immobilienwerte wiederum kleingerechnet worden sein, um weniger Steuern oder Versicherungsbeiträge zahlen zu müssen. Die Klage richtete sich ursprünglich gegen Trumps drei älteste Kinder Ivanka, Donald Junior und Eric Trump. Ivanka wurde aber inzwischen aus der Klage herausgelöst. James strebt nach eigenen Angaben Geldstrafen in Höhe von 250 Millionen Dollar für den Ex-Präsidenten und seine Kinder an. Außerdem soll ihnen für immer verboten werden, Unternehmen mit Sitz im Bundesstaat New York zu leiten.
Sechs Tage vor dem Verhandlungsstart am 2. Oktober 2023 erklärte der New Yorker Richter Arthur Engoron die Trumps bereits in einer Grundsatzentscheidung des Finanzbetruges für schuldig. Engoron zufolge hatte die Staatsanwaltschaft „schlüssige Beweise dafür vorgelegt, dass die Angeklagten die gemeldeten Vermögenswerte um 114 Millionen bis 207 Millionen Dollar überbewertet haben“
Fazit: Die juristische Niederlage ist Trump nach dem verkündeten Richterspruch gewiss. Da es sich jedoch nur um ein Zivilverfahren handelt, droht ihm keine Gefängnisstrafe. Die spannende Frage lautet nun, wie hoch die Geldstrafe gegen den Ex-Präsidenten ausfallen wird und ob er einige seiner wertvollsten Immobilien – wie den Trump Tower – abdrücken muss.
Der vom US-Justizministerium ernannte Sonderermittler Jack Smith leitet strafrechtliche Untersuchungen zu Donald Trumps Umgang mit sensiblen Regierungsdokumenten. Trump hatte sich nach seiner Abwahl im November 2020 lange geweigert, dem zuständigen Bundesarchiv geheime Unterlagen zu übergeben, die er nach Mar-a-Lago, seinem Wohnsitz in Florida, mitgenommen hatte. Im Sommer 2023 durchsuchte das FBI deshalb die Räume des Anwesens in Palm Beach. Dort fanden die Beamten etwa 100 Verschlusssachen, darunter auch solche mit höchster Geheimhaltungsstufe.
Smith hat 40 Anklagepunkte gegen Trump eingereicht. Unter anderem wird untersucht, ob Straftatbestände wie Verschwörung zur Behinderung der Justiz, Verlieren von Verteidigungsinformationen oder Entfernen offizieller Dokumente erfüllt sind. Ende Juli wurde zudem der Vorwurf laut, Trump habe einen Hausmeister seines Anwesens aufgefordert, Aufnahmen von Überwachungskameras zu löschen, damit diese nicht in die Hände der Justiz geraten. Trump bekannte sich im Juni vor einem Bundesgericht in Miami nicht schuldig. Der Prozess soll im Mai 2024 beginnen, könnte sich aber verzögern. Bei einer Verurteilung drohen dem 77-Jährigen zwischen drei und 20 Jahren Gefängnis.
Fazit: Zumindest auf dem Papier ist dieser Fall der wohl schwerwiegendste. Die Anklageschrift führt eine Fülle konkreter Beweise an, die die Vorwürfe gegen Trump untermauern. Hoffnung dürften dem Ex-Präsident jedoch zwei Dinge machen: Erstens hat er die Richterin, die über den Fall urteilt, selbst ernannt. Zweitens dürfte ihm die Geschworenen-Jury im konservativen Südflorida eher zugeneigt sein.
Im Bundesstaat Georgia hat Oberstaatsanwältin Fani Willis Donald Trump wegen Versuchen, den Ausgang der Präsidentschaftswahl 2020 zu kippen, angeklagt. Zu den 13 Anklagepunkten gehören neben einem Verstoß gegen das Gesetz gegen organisierte Kriminalität, auf den zwischen fünf und 20 Jahre Gefängnis stehen, auch Verschwörung zur Fälschung, Verschwörung zur Falschaussage, eine Abgabe falscher Dokumente und Anstiftung zum Verstoß gegen einen Amtseid. Trump hatte unter anderem in einem schlagzeilenträchtigen Telefonat mit Georgias Wahlleiter Brad Raffensperger gefordert, die für einen Sieg in dem Südstaat nötigen 11.780 Wählerstimmen zu "finden". Außerdem sollte die Bestätigung des Sieges von Joe Biden durch falsche Wahlleute-Stimmen verhindert werden.
Trump erschien Ende August im Gefängnis von Fulton County, um sich erkennungsdienstlich behandeln zu lassen. Bei dem Termin machten die Behörden ein Polizeifoto von dem Republikaner — der erste Mugshot, der je von einem ehemaligen US-Präsidenten angefertigt wurde.
Neben dem Ex-Präsidenten sind 18 weitere Personen angeklagt, darunter sein früherer Stabschef Mark Meadows und New Yorks einstiger Bürgermeister Rudy Giuliani. Vier der Mitangeklagten haben sich bereits der illegalen Verschwörung zur Umgehung von Trumps Niederlage schuldig bekannt und könnten vor Gericht gegen die anderen aussagen.
Fazit: Der Fall in Georgia könnte für Trump besonders heikel werden – und zwar nicht nur, weil der Prozess live bei Youtube übertragen wird. Die Beweislast in der 98-seitigen Anklageschrift ist erdrückend, die Motivation der Mitangeklagten, gegen den Ex-Präsidenten auszupacken, hoch. Und da das Verfahren auf bundesstaatlicher Ebene stattfindet, könnte er es selbst im Falle seiner Wiederwahl weder stoppen noch sich selbst begnadigen. Heißt im Klartext: Wird Trump in Atlanta für schuldig befunden, müsste er ins Gefängnis.
Die Autorin E. Jean Carroll hatte Trump wegen Vergewaltigung und Verleumdung verklagt – und teilweise r „sexuell missbraucht“ und später verleumdet. Den Vorwurf der Vergewaltigung wiesen die neun Geschworenen aber zurück. Der frühere US-Präsident musste zwei Millionen Dollar wegen Körperverletzung und drei Millionen Dollar wegen Verleumdung zahlen.
Carroll, die unter anderem für die „Elle“ schrieb, hatte Trump beschuldigt, sie im Frühjahr 1996 in der Umkleidekabine des New Yorker Luxus-Kaufhauses Bergdorf Goodman vergewaltigt zu haben. Öffentlich machte die langjährige Kolumnistin des Magazins „Elle“ ihren Vorwurf erst 2019, als Trump Präsident war. Trump bezichtigte Carroll der Lüge und erklärte, sie sei nicht sein „Typ“.
In einem weiteren Verfahren klagt Carroll erneut gegen Trump wegen Verleumdung auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von zehn Millionen Dollar. Dabei geht es um Äußerungen des 77-Jährigen nach seiner Verurteilung, in denen er erneut alle Vorwürfe bestritt. Anfang September entschied Bundesrichter Lewis Kaplan, dass in dem erneuten Prozess die Frage nicht mehr geklärt werden muss, ob Trump Carroll sexuell genötigt habe, da dies bereits im ersten Verfahren entschieden worden sei, und dass Trumps Dementis daher als verleumderisch einzustufen sind. Beginnen soll der Prozess Mitte Januar 2024.
Fazit: Auch dieses Zivilverfahren stellt für Trump mehr ein Ärgernis, denn eine ernste Gefahr dar. Im ersten Prozess wurde er bereits für schuldig befunden. Nun muss in dem zweiten Prozess lediglich geklärt werden, wie hoch die Entschädigungssumme ausfällt, die der Ex-Präsident an Carroll zahlen muss.
Donald Trump wurde am 2. August 2023 im Zusammenhang mit der Erstürmung des Kapitols in Washington angeklagt. Sonderermittler Jack Smith wirft ihm unter anderem eine Verschwörung vor, deren Absicht es gewesen sei, „die legitimen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl 2020 unter der Verwendung wissentlich falscher Vorwürfe des Wahlbetruges zu kippen“. In der Anklageschrift sind sechs Personen, deren Namen nicht genannt werden, als Mitverschwörer aufgelistet. Diese sind aber nicht angeklagt. Smith bemüht sich nach eigenen Angaben um ein "zügiges Verfahren". Bei einem Schuldspruch droht dem Angeklagten eine Gefängnisstrafe von bis zu 20 Jahren.
Trump hatte in den Wochen nach der Wahl 2020 mit falschen Behauptungen Stimmung gemacht und erklärt, ihm sei der Sieg durch Betrug gestohlen worden. Am 6. Januar 2021 kam es dann zum beispiellosen Angriff auf den Sitz des US-Kongresses, bei dem Anhänger des Republikaners versuchten, die formale Bestätigung des Sieges von Joe Biden und damit den Machtwechsel in Washington zu verhindern.
Richterin Tanya Chutkan setzte den 4. März als Auftakttermin für das Verfahren in Washington fest. Es beginnt somit einen Tag vor dem „Super Tuesday“, an dem in mehr als einem Dutzend Bundesstaaten Präsidentschaftsvorwahlen stattfinden. Trump bewirbt sich um die Kandidatur der Republikaner für die Wahl im November 2024.
Fazit: Der 6. Januar hat sich in das kollektive Gedächtnis der Amerikaner eingebrannt. Allein deswegen wird der Fall als das inhaltlich bedeutsamste der vier Strafverfahren angesehen. Die Anklageschrift ist zwar umfangreich, enthält aber auch gewisse rechtliche und sachliche Unklarheiten, die Trumps Verteidigungsteam zugutekommen könnten.
Dieser Artikel ist zuerst bei stern.de erschienen.