Christian Illek ist Vorsitzender von Deutschland sicher im Netz e.V. und Geschäftsführer der Deutschland-Tochter des Software-Konzerns Microsoft (Foto: Microsoft)
Die Digitalisierung erfasst immer mehr Lebensbereiche und verändert unseren Alltag durchgreifend. Schon heute können wir jederzeit und überall arbeiten, spielen, kommunizieren, uns informieren, Bankgeschäfte tätigen oder einkaufen. Wir tun viele Dinge parallel, wir nutzen viele Geräte und Apps gleichzeitig und tummeln uns in vielen verschiedenen sozialen Netzwerken. Wir gewinnen neue Freiheiten – und setzen uns neuen Bedrohungen aus. Wir hinterlassen überall unsere Datenspuren. Wir lassen uns im öffentlichen Raum leichter ablenken oder ausspähen als zuhause oder im Büro. Mobile Geräte werden leichter gestohlen, vergessen, verloren oder manipuliert als stationäre. Und durch die Vermischung von Privat- und Berufsleben entstehen wieder neue Sicherheitsrisiken.
Und das ist erst der Anfang: Renommierte Zukunftsforscher wie Eike Wenzel vom Institut für Trend- und Zukunftsforschung sind sich sicher: Digital Devices wie das Smartphone werden immer mehr zu Einkaufs- und Organisationsmaschinen, die uns Alltagsroutinen dezentral und unabhängig von Ort und Zeit abwickeln lassen. So besitzen zum Beispiel bereits heute über 570 Millionen Menschen in China kein Bankkonto mehr – sondern wickeln ihre Geldgeschäfte ausschließlich über das Smartphone ab.
Weitere Vorboten dieser Zukunft sind ebenfalls schon heute sichtbar: Das „Smart Home“ passt sich unseren Gewohnheiten an, Autos kommunizieren mit ihrer Umwelt, kommen fast schon alleine ans Ziel und werden immer sicherer. Wearables, als neue Generation von Devices, machen sich als persönliche Assistenten, Fitnesscoaches oder Gesundheitsberater unentbehrlich. All das führt zu deutlich mehr Komfort und Lebensqualität – gleichzeitig werden wir immer angreifbarer. Schließlich kann auch ein smartes Home, ein vernetztes Auto oder ein Fitnessarmband gehackt oder manipuliert werden.
„Wir dürfen weder den Kopf in den Sand stecken noch in Panik verfallen“
Die Risiken müssen uns bewusst sein, wir müssen damit umgehen lernen. Dabei dürfen wir weder den Kopf in den Sand stecken noch in Panik verfallen. Die Anbieter neuer digitaler Technologien, Geräte, Anwendungen und Dienste müssen diese so sicher wie nur irgend möglich gestalten und gleichzeitig einfach zu bedienende, nutzerfreundliche Sicherheitslösungen entwickeln. Und sie müssen Transparenz schaffen, um Vertrauen zu erzeugen. Hier ist noch viel zu tun. Laut einer Befragung von TNS Infratest im Auftrag von „Deutschland sicher im Netz“ zum „Safer Internet Day“ haben 83 Prozent der jungen Deutschen zwischen 14 und 23 Jahren Bedenken, dass ihre Daten in sozialen Medien nicht sicher sind.
Die erst kürzlich von „Deutschland sicher im Netz“ veröffentlichte Studie zur Digitalen Sicherheitslage der Verbraucher im Internet – kurz DsiN-Index – zeigt außerdem auf: Jeder dritte Nutzer fürchtet, dass seine Bankaktionen nicht sicher sind (34 Prozent), beim Online-Einkaufen ist es sogar fast jeder Zweite (43 Prozent). Diese Zahlen sind der Beleg für massive, jedenfalls subjektiv empfundene, Sicherheitsdefizite!
„Mit Komplexität wächst Aufklärungsbedarf“
Den Bedrohungen gewachsen ist nur der digital mündige Bürger, der Risiken erkennt und realistisch einschätzt, Verantwortung für das eigenes Handeln übernimmt, neue Technologien kompetent beherrscht und die angebotenen Sicherheitslösungen auch wirklich anwendet. Trotz einiger Fortschritte in den vergangenen Jahren, sind wir weit davon entfernt, dass der Prototyp dieses „Digital Citizens“ schon flächendeckend Realität wäre. Mit der fortschreitenden Digitalisierung, der zunehmenden Vernetzung und der steigenden Komplexität unserer Welt, wächst auch der Aufklärungsbedarf. Wir müssen sensibilisieren, Basiswissen vermitteln, die Umsetzungsbereitschaft verbessern und Vertrauen aufbauen. Dabei müssen wir mit dem rasanten technologischen Wandel Schritt halten.
Es ist an der Zeit, die zahlreichen bestehenden Aufklärungsinitiativen – von einzelnen Unternehmen bis hin zu Verbraucherschutz- und Familienverbänden – besser zu vernetzen. Gewiss: Sie leisten alle in ihrem Umfeld gute Arbeit. Aber wir brauchen ein breites Bündnis aus Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, das besser koordiniert ist, um die Sichtbarkeit zu schaffen, die der Relevanz des Themas Rechnung trägt. „Deutschland sicher im Netz“ steht bereit, den Dialog über wirksame Aufklärungsarbeit und engere Zusammenarbeit zwischen bestehenden Initiativen sowie allen gesellschaftlichen Akteuren zu initiieren.
Denn wir müssen zwei Dinge erreichen. Erstens: Vertrauen in IT-Technologie zurückgewinnen. Und zweitens: den „Digital Citizen“ vom Prototyp zum Standard machen. Das setzt die Bereitschaft zum Handeln und die tatsächliche Mitwirkung jedes einzelnen voraus. Als Vorsitzender von „Deutschland sicher im Netz“ möchte ich am Safer Internet Day dazu auffordern: Machen Sie mit!