Herr Feiler, nehmen wir an, eine Künstliche Intelligenz schreibt und produziert einen neuen Song von Taylor Swift – einen sogenannten Deepfake. Wer ist der Urheber des Songs?
LUKAS FEILER: Niemand. Weil das Urheberrecht grundsätzlich nur geistig eigentümliche Schöpfungen eines Menschen schützt. Wenn die Maschine also etwas erzeugt, dann ist das kein urheberrechtlich geschütztes Werk. Das bedeutet nicht, dass die geschaffene Kunst ökonomisch wertlos ist – mitunter stimmt das Gegenteil. Es ist also eine Herausforderung, wie man solche Arbeitsergebnisse effektiv schützt. Aber das Urheberrecht als solches bietet diesen Schutz nicht.
Aber Teil der künstlerischen Leistung von Taylor Swift ist doch ihre Stimme, die im Song ja vorkommt. Wieso lässt die sich nicht urheberrechtlich schützen?
Die Stimme ist eben keine kreative Leistung. Die Stimme hat man sich vielleicht antrainiert, schließlich ist es ein Muskel wie jeder andere, aber das ist keine Frage der Kreativität. Wenn ein Dritter mittels einer künstlichen Intelligenz diese Stimme nachahmt, dann betrifft es das Persönlichkeitsrecht der Künstlerin. Die Künstlerin muss einwilligen, wenn mit ihrer Stimme Musikstücke hergestellt werden. Das ist die rechtliche Ebene, die für solche Deepfake-Songs relevant ist. Deswegen versuchen große Musikverlage im Moment auch, sich die Persönlichkeitsrechte vom Künstler einräumen zu lassen. So lange auch der Künstler finanziell davon profitiert, gewinnen alle.
Google und Universal Music verhandeln gerade über ein Produkt, mit dem Fans neue Lieder von ihren Lieblingskünstlern generieren können und gleichzeitig die Künstler bezahlt werden. Ist das eine gangbare Art, mit der Künstler doch noch von KI-Kunst profitieren können?
Ich kann und möchte mich nicht zu den konkreten Verhandlungen äußern. Aber allgemein wird an solchen Geschäftsmodellen gearbeitet. Häufig versucht man bei solchen Modellen, mithilfe des Persönlichkeitsschutzes den rechtlichen Schutz der KI-Arbeitsergebnisse zu erzielen.
Gehen wir nochmal zurück zum Urheberrecht: Es gibt ja theoretisch auch menschliche Anwärter für die Urheberschaft von KI-Kunst. Man könnte zum Beispiel sagen, die Programmierer der Künstlichen Intelligenz sind die Urheber, denn sie schaffen eine Maschine, die wiederum Kunst schafft.
Der Ersteller der Software mag zwar ursächlich sein für die künstlerischen Werke, aber er hat keine Kreativität erbracht, die sich in der Kunst wiederfindet. Seine Leistung ist schlicht zu weit weg von dem Arbeitsergebnis. Wir haben auch schon einige Rechtsprechungen zu computergenerierter Kunst in Europa. Die Richter haben immer auf diese Weise argumentiert.
Und was ist mit demjenigen, der die Künstliche Intelligenz „beauftragt“? Je nachdem, wie detailliert man einen Auftrag formuliert, hat man ja durchaus Einfluss auf das Ergebnis.
Das wäre tatsächlich denkbar. Dann müsste der Auftrag aber schon sehr, sehr spezifisch und kreativ gestaltet sein. Denn die Idee eines Künstlers ist nicht geschützt, sondern nur die konkrete Ausgestaltung dieser Idee. Es mag eine kreative Idee sein, eine Künstliche Intelligenz damit zu beauftragen, dass sie zum Thema des neuesten Songs von Taylor Swift ein neues Stück produziert im Stil ihres Erstlingswerks. Aber das ist eine nackte Idee, die keinen rechtlichen Schutz hat. Dann müssten die Instruktionen so sein, dass sie sich wirklich in dem dann erzeugten Werk als kreative Schöpfung manifestieren.
Es könnte ja auch sein, dass man eine sehr unkreative Künstliche Intelligenz hat und die etwas erstellt, was so nah am Original ist, dass es eigentlich nur eine schlechtere Kopie ist. Gibt es dann Möglichkeiten dagegen vorzugehen?
Ja, absolut. Die Tatsache, dass ich kein Urheberrecht an der Schöpfung habe, heißt noch lange nicht, dass die Schöpfung nicht die Rechte Dritter verletzen könnte. Wenn etwas erstellt wird, das ganz nah an dem ist, was zuvor geschaffen wurde, liegt selbstverständlich regelmäßig eine Urheberrechtsverletzung vor. Es gibt auch ein paar Beispiele aus dem literarischen Kontext. Da sollten Gedichte im Stile eines Dichters geschrieben werden, aber jeder zweite Vers war ein Fragment eines Originalgedichts. Das ist eine Rechtverletzung, weil der Dichter das Recht an diesen Fragmenten hat.
Ein anderer Punkt, der viele Künstler verärgert, ist, dass die Künstliche Intelligenz mit ihren Daten gefüttert wird und sie nichts davon haben.
Dies ist auch schon reguliert. Durch die letzte EU-Urheberrechtsrichtlinie hat man ein sogenanntes freies Werk-Nutzungsrecht für Text- und Data-Mining geschaffen. Ganz dezidiert mit dem Ziel, dass Unternehmen dem Algorithmus große Datenmengen zum Training zuführen können, damit der Algorithmus aus diesen Datenmengen Dinge lernen kann. Die Rechteinhaber dieser Werke haben die Möglichkeit eines Opt-outs. Das heißt, ich kann als Künstler, wenn ich beispielsweise auf meiner Webseite meine Werke zugänglich mache, der Nutzung durch Algorithmen widersprechen. Dafür gibt es unterschiedliche technische Mittel, die ein Algorithmus automatisch lesen kann. In den USA, wo das unter anderem bei den Streiks in Hollywood Thema war, wird dies unter der eher vagen „Fair Use“-Doktrin als Ausnahme vom Urheberrecht diskutiert.
Fehlen denn auch der Europäischen Union hier zu manchen Aspekten noch klare Regeln?
Wie so oft bei technischen Neuerungen, lautet der Reflex sehr schnell: Wir haben eine neue Technologie, wir brauchen neue Regeln. Aus der anwaltlichen Praxis bin ich kritisch gegenüber solchen Auswirkungen, weil wir routinemäßig mit Gesetzen arbeiten, die zum Teil mehr als hundert Jahre alt sind und mit denen man dennoch ohne Probleme sinnvolle Lösungen für neue Herausforderungen finden kann. Ich finde die Schaffung neuer Regeln dann oft eher kontraproduktiv. Die Komplexität des Rechts hilft zwar meinem Berufsstand, der wirtschaftlichen Produktivität eines Landes aber eher nicht.