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Bernd Ziesemer Klimastiftung: Schweriner Denkmal putinistischen Irrsinns

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Die Querelen um die Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern finden und finden kein Ende. Deutschlands Ansehen im Ausland leidet

Wer sich die knallbunte Eigenwerbung der Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern anschaut, der landet in der schönen heilen Welt des „Natur- und Erlebnisgartens“, der „astreinen Obstbäume“ und eines neuen „Wildcamps für Kinder“. Im Ausland aber sieht man in der Schweriner Organisation zunehmend ein Denkmal des anhaltenden politischen Irrsinns in Deutschland und der Unfähigkeit, sich endgültig von Wladimir Putin und seinem Verbrecherregime zu verabschieden. Nahrung bekam diese Sicht der Dinge gerade wieder durch eine schlichte kleine Pressemeldung in der letzten Woche: Der Vorstandsvorsitzende der Klimastiftung und ehemalige SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering lehnt seinen Rücktritt erneut ab, um eine Auflösung seines Lieblingskonstrukts zu verhindern.

Man erinnert sich: Bei der Gründung der Stiftung öffentlichen Rechts im Januar 2021 ging es kein bisschen um den Schutz von Fledermäusen und Bienen, sondern einzig und allein um die Fertigstellung der russischen Gaspipeline Nord Stream 2, die Umgehung amerikanischer Sanktionen und den Kniefall vor Putin. Die Millionen des Gazprom-Konzerns flossen nur aus einem einzigen Grund: Um den Kauf eines Schiffes für die Verlegung der letzten Stahlröhren in der Ostsee zu camouflieren. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine flog die ganze ausgeklügelte Geheimdienstoperation auf, an der sich deutsche Politiker wie die jetzige SPD-Regierungschefin Manuela Schwesig geflissentlich beteiligt hatten. Fast anderthalb Jahre sind seit dem Stopp von Nord Stream 2 und dem folgenden eiligen Beschluss von Schwesig vergangen, die Klimastiftung aufzulösen, um nicht selbst in den Strudel des Skandals um ihre Errichtung zu geraten. Doch die Gazprom-Stiftung existiert weiter.

Man traut uns nicht

Man könnte das alles als Provinzposse abtun, wenn der ganze Vorgang nicht für nachhaltige Verstörung im Ausland sorgte. Vor allem in den Ländern Ost- und Mittel-Europas erscheinen die formaljuristischen Argumente Sellerings, die niemand im Ausland verstehen kann, nur als ein Glied in einer langen Kette von immer neuen deutschen Versuchen, sich doch noch eine Hintertür für eine spätere Verständigung mit Russland nach einem Ende des Kriegs in der Ukraine offenzuhalten. Die steten Forderungen des sächsischen CDU-Regierungschefs Michael Kretschmer nach einer künftigen Wiederaufnahme der Gasimporte aus Russland, die zahlreichen fortexistierenden prorussischen Gruppen und Organisationen in Deutschland, die Umgehung von Sanktionen durch einige deutsche Firmen, das anhaltende starke Engagement großer Konzerne wie der Metro – das alles verdichtet sich in vielen Nachbarstaaten zu einem eindeutigen Bild. Man traut uns trotz aller Hilfen für die Ukraine und trotz aller Waffenlieferungen, zu denen sich Bundeskanzler Olaf Scholz am Ende durchgerungen hat, nicht wirklich über den Weg.

Nur wer mit der prorussischen Politik der vergangenen Jahre und mit den naiven bis gewissenlosen Investitionen deutscher Konzerne in den vergangenen Jahren gründlich abrechnet und ihre Geschichte konsequent aufarbeitet, kann neues Vertrauen schaffen im Baltikum oder in Polen – und auch in den USA. Deshalb geht es bei dem anhaltenden Zoff um die Klimastiftung eben nicht um Peanuts, sondern um große Politik.

Bernd Ziesemer

ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

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