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China Kiel debattiert über Partnerschaft mit Qingdao

Hafen in Qingdao: Auch die chinesische Stadt ist, ähnlich wie Kiel, maritim geprägt
Hafen in Qingdao: Auch die chinesische Stadt ist, ähnlich wie Kiel, maritim geprägt
© IMAGO/VCG
Kiel will eine Städtepartnerschaft mit der Hafenstadt Qingdao eingehen. Das Sicherheitsinstitut der Universität vor Ort hat große Bedenken, vor allem wegen der Marinepräsenz und einer U-Boot-Werft in Kiel. Denn auch Qingdao baut U-Boote und ist ein wichtiger Marinestandort. 

Dieser Artikel liegt Capital.de im Zuge einer Kooperation mit dem China.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hat ihn China.Table am 14. Juni 2023.

Kiel hat seit vergangenem Donnerstag eine neue Stadtpräsidentin: Bettina Aust von den Grünen, die im Mai die Kommunalwahl gewonnen hatten. Damit liegt ein seit Monaten umstrittenes Projekt nun auf ihrem Schreibtisch: die geplante Städtepartnerschaft mit der chinesischen Hafenstadt Qingdao. Nur zwei Tage vor der Kommunalwahl hatte die Kieler Ratsversammlung noch einmal dafür gestimmt, die Gespräche mit Qingdao fortzusetzen, damals noch unter SPD-Führung. Die CDU-Fraktion hatte einen Stopp der Gespräche beantragt, andere Parteien zumindest gewisse Bedingungen gestellt.

Anfang März hatte der Hauptausschuss der Stadt Kiel beschlossen, mit Qingdao Gespräche über eine Partnerschaft zu führen. Die Ratsversammlung stimmte dann mehrheitlich dafür, eine Kooperation mit Qingdao in Bereichen wie Umwelt- und Meeresschutz, Nachhaltigkeit und Wissenschaft zu prüfen. „Auch wenn Chinas Haltung zum Krieg in der Ukraine, zur Unabhängigkeit von Taiwan, zu Menschenrechtsverletzungen und zum Umgang mit Minderheiten nicht unseren Vorstellungen von Demokratie entspricht, halte ich es dennoch für notwendig, im Gespräch zu bleiben“, sagte der langjährige Stadtpräsident Hans-Werner Tovar von der SPD damals. Die Partnerschaft solle bewusst auch dafür genutzt werden, politisch kritische Themen anzusprechen.

Kiel und Qingdao: Zwei ähnliche Städte

Schon länger arbeiten die 250.000-Einwohnerstadt Kiel und die Neun-Millionen-Metropole Qingdao zusammen. Die Kieler mit ihrer olympischen Erfahrung von 1972 halfen Qingdao, ein Segelzentrum für die Pekinger Sommerspiele 2008 aufzubauen. Die Hafenstadt der Provinz Shandong war von 1898 bis 1919 deutsche Kolonie gewesen, zu erkennen bis heute an traditionellen Gebäuden. Seit 2013 gibt es dort einen deutsch-chinesischen Ökopark. Beide Städte verfügen über Handelshäfen, Promenaden mit Meerblick und Strände. Die Ocean University of Qingdao kooperiert seit langem mit dem Kieler Helmholtz Center for Ocean Research, kurz Geomar.

Doch noch etwas verbindet beide Städte, und da liegt das Problem: Kiel und Qingdao sind Marinestützpunkte. In Kiel befindet sich eines von drei Ostsee-Marinestützpunktkommandos der Bundeswehr. Die Werft Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) baut in Kiel U-Boote. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben Weltmarktführer bei konventionellen U-Booten und führend in der Entwicklung neuer Über- und Unterwassertechnologien für die Marine. Qingdao wiederum ist Stützpunkt der chinesischen U-Bootflotte und Zentrum der chinesischen Unterwasser-Seekriegsführung, wie der frühere deutsche Botschafter in China Michael Schaefer kürzlich in einem Gastbeitrag für Table.Media schrieb: „Die Marine-U-Boot-Akademie zählt zu den wichtigsten Ausbildungseinrichtungen der chinesischen Volksbefreiungsarmee.“

Kritiker warnen daher vor chinesischer Spionage bei TKMS und in den Marinestandorten der Bundeswehr. Und die Ocean University of Qingdao ist zwar berühmt für zivile Unterwasserforschung, doch kann diese nach Ansicht der Kritiker eben auch für militärische Zwecke genutzt werden – abgeschöpfte Erkenntnisse vom Geomar inklusive. Das Geomar wollte sich gegenüber Table.Media lieber nicht zu der Debatte äußern.

Kritik an der Städtepartnerschaft: Sicherheitsbedenken

Zu den profiliertesten Kritikern gehört neben der CDU-Ratsfraktion das Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK). „Dass die Förderung des Segelsports zentrales Anliegen Qingdaos ist, darf angesichts der geopolitischen Trends und der Ziele und Methoden Pekings in internationalen Kooperationen bezweifelt werden“, warnte etwa Sarah Kirchberger, Leiterin der Abteilung Strategische Entwicklung in Asien-Pazifik, in einem Positionspapier vom April. Institutsdirektor Joachim Krause sagte dem NDR, China habe eine lange Tradition des Missbrauchs von Städtepartnerschaften und wissenschaftlichen Kontakten, „um Informationen abzufischen, die vor allen Dingen für das Militär und in diesem Fall für die Marine der Volksrepublik von entscheidender Bedeutung sind“. Speziell gehe es China um die U-Boot-Technik und Unterwasser-Kriegsführung.

Krause hatte SPD-Stadtpräsident Tovar im März als „hochgradig naiv“ bezeichnet. Der wehrte sich: „Wer mich naiv nennt, hat nicht den Hauch einer Ahnung von kommunaler Außenpolitik“, sagte er im Mai der Zeitung Kieler Nachrichten. Den Verdacht, die Chinesen könnten in Kiel spionieren, hält Tovar für „albern“. Wenn China spionieren wolle, bräuchte es dafür nicht die Städtepartnerschaft, sagte er der New York Times, die im Mai überraschend ausführlich über die Debatte in Kiel berichtete.

China-Politik der Kommunen mit lokalen Prioritäten

Tatsächlich zeigt der Fall exemplarisch auf, dass Kommunen oftmals ganz anders ticken, als der Bund oder akademische Experten. Kommunalpolitik arbeitet am Konkreten, schaut auf Standortvorteile – und nicht so sehr auf übergeordnete Strategiekonzepte oder Risiken. Das zeigte sich auch im Streit um den Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco in einem Hamburger Containerterminal. Die Hansestadt sprach sich quer durch die politische Bank für den Deal aus, während im Bund vor allem Grüne und FDP dagegen waren. Am Ende steht als Kompromiss eine geschrumpfte Minderheitsbeteiligung von 24,9 Prozent, für die eine Cosco-Zusage allerdings noch aussteht.

Erschwerend kommt hinzu, dass in den Rathäusern vielfach die China-Expertise fehlt. Krause sieht dieses Problem auch in der Kieler Ratsversammlung.

Kiel und Qingdao seit Jahren „befreundet“

Qingdao gehört seit 2022 zu den 16 locker mit Kiel „befreundeten Städten“ – ebenso wie übrigens Hangzhou, Hauptstadt der seit 35 Jahren mit Schleswig-Holstein verpartnerten Küstenprovinz Zhejiang – und möchte dies nun zur formalen Partnerschaft ausbauen. Mit 13 Städtepartnerschaften ist Kiel unter deutschen Städten besonders aktiv — zum Vergleich: München betreibt nur acht Partnerschaften. Die Partnerschaften mit zwei russischen Städten hat Kiel seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine allerdings suspendiert.

„Der Aufbau der internationalen Kontakte nach dem Zweiten Weltkrieg diente vor allem der Völkerverständigung und der Unterstützung der außenpolitischen Ziele der Bundesrepublik Deutschland“, heißt es in einem Papier der Stadt zur Internationalisierung. „In den vergangenen Jahren richteten Städte ihre internationalen Kontakte stärker auf projektbezogene Zusammenarbeit und das interkommunale Lernen aus. Hinzugekommen ist die Erkenntnis, dass Pflege und Ausbau der internationalen Beziehungen auch den Standort stärken.“ Aus einer nationalen ist demnach über die Jahre eine kommunale Perspektive geworden.

In Deutschland bestehen mehr als 100 Städtepartnerschaften mit China – die Hafenstädte Hamburg und Bremen sind seit Mitte der 1980-er Jahre mit Shanghai beziehungsweise Dalian im Nordosten Chinas verpartnert. Hamburg und Shanghai gehören zu den jeweils größten Hafenumschlagplätzen ihrer Region. Zwischen Bremen und Dalian geht es laut NDR vor allem um die für Bremen wichtigen Themen Raumfahrt und Satellitenbau, Elektromobilität und Windenergie.

Kritischer Blick auf China verändert Städtepartnerschaften

Doch nun hat sich der Blick auf China verdüstert: Statt als aufstrebender Partner gilt die Volksrepublik nun vor allem als Wettbewerber und Systemrivale. In China seien Städtepartnerschaften nicht auf kommunaler Ebene aufgehängt, sondern werden von höheren Stellen strategisch vorangetrieben, warnen kritische Experten wie etwa Mareike Ohlberg vom Global Marshall Fund. „Die naive Vorstellung, es handele sich hier nur um einen zivilgesellschaftlichen Austausch, wäre absurd. In China ist alles dem Einparteienstaat untergeordnet“, meint auch Ex-Botschafter Schaefer, der die Partnerschaft Kiels mit Qingdao trotzdem nicht rundheraus ablehnt. Wichtig sei es, an diese Entscheidung nüchtern und im Bewusstsein potenzieller Risiken heranzugehen und sich richtige China-Experten ins Boot zu holen, empfiehlt Schaefer.

Die Grünen waren in der Stadtkoalition mit der SPD unter bestimmten Bedingungen auch für die Partnerschaftsgespräche. Von Bettina Aust gab es in den ersten Tagen nach Amtsantritt zwar zunächst keine öffentlichen Aussagen zu Qingdao. Doch wie es weitergeht, dürfte sich bald zeigen.

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