Eine Verlobung endet nicht zwangsläufig mit einer Hochzeit. Aber wenn man sie wieder auflöst, bleibt in den meisten Fällen ein großer Scherbenhaufen zurück. Genau das Gleiche kann man über die Gespräche zwischen der Deutschen Bank und der Commerzbank sagen: Ein bloßes Zurück zum Status quo ante kann man sich nur schwer vorstellen. Scheitert der Deal, dann gehen beide Partner mit großer Sicherheit geschwächt aus dem Ganzen hervor. Und neue Strategien müssen her.
Die interessierte Öffentlichkeit diskutiert gegenwärtig vor allem die Gefahren eines Deals, der ja nur die Kombination zweier Schwächlinge sei. Man muss jedoch auch die Gefahren eines gescheiterten Deals mitbedenken. Die Aktien beider Institute dürften in diesem Fall weiter unter Druck geraten . Vor allem dürften die Risikoprämien steigen, die beide Banken zahlen müssen. Gegenwärtig schauen sich die beiden Partner gegenseitig in die Bücher. Brechen sie die Gespräche schnell wieder ab, dann kann man sich die Reaktion an den Märkten gut vorstellen. Man wird davon ausgehen, dass mindestens eines der beiden Institute weitere Leichen im Keller verbirgt; wahrscheinlich aber sogar beide Banken.
Die Börsenkapitalisierung der Deutschen Bank liegt gegenwärtig um mehr als die Hälfte niedriger als ihr Buchwert. Damit signalisiert die Aktie des Instituts: Mit weiteren hohen Verlusten der Bank ist zu rechnen. Die meisten Analysten vermuten, dass sie vor allem in ihrem Derivatebuch immer noch bisher unbekannte gefährliche Positionen mit sich herumschleppt. Bei der Commerzbank gehen die professionellen Beobachter davon aus, dass vor allem in ihrem großen Bestand an Staatsanleihen weitere hohe Risiken schlummern. Auch die Bewertung der Commerzbank liegt vor allem deshalb an der Börse um die Hälfte niedriger als ihr Buchwert.
Notfusion statt Hochzeit im Himmel
Zwar verfügen beide Banken über genug Liquidität, um allein über die Runden zu kommen. Und auch ihr Eigenkapital gilt – noch – als ausreichend. Doch bei beiden Banken hat man in der Vergangenheit gesehen, wie sich eine auskömmliche Position schnell ins Gegenteil verwandeln kann. Vor allem für die Deutsche Bank darf man daher annehmen, dass ein Abbruch der Verhandlungen mit der Commerzbank fast zwangsläufig neuen Kapitalbedarf auslösen würde – wenn nicht sofort, dann zumindest mittelfristig. Wer aber soll ihn decken?
Das erste Quartal dieses Jahres signalisiert bereits, dass es beide Banken sehr schwer haben dürften, ihre Ziele für 2019 zu erreichen. In der Berliner Politik war das der Hauptgrund, den Druck auf die beiden Institute zu erhöhen. Es geht nicht um eine Hochzeit im Himmel, die Schaffung eines nationalen Champions oder ähnliches mehr. Es geht schlicht darum, schwere Erschütterungen auf dem deutschen Finanzmarkt zu verhindern. Deshalb stand von Anfang der Begriff „Notfusion“ im Raum. Die Angst diktiert in der Politik das plötzliche starke Interesse an einer Fusion, nichts sonst.
Natürlich darf es trotzdem keinen Deal um jeden Preis geben. Und natürlich sind viele Argumente gegen eine Fusion richtig . Man muss fragen, ob das jetzige Management der Deutschen Bank wirklich die Kraft und die Rücksichtslosigkeit hat, den Abbau von Zehntausenden Arbeitsplätzen durchzuziehen. Aber die Gewerkschaften sollten sich keine Illusionen machen: So oder so kommt es zu weiteren harten Einschnitten in beiden Häusern. Solange sie – einzeln oder gemeinsam – nicht nachhaltig Geld verdienen, kann von sicheren Arbeitsplätzen keine Rede sein.
Bankenfusionen: eine Chronologie mit vielen Flops
Bankenfusionen: Chroniken des Scheiterns

Im Sommer 1997 kommt es zur Fusion zweier Großbanken – allerdings nicht in Frankfurt, sondern in München. Die Bayerische Vereinsbank und die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank verschmelzen zur Hypovereinsbank. Der Zusammenschluss ist auch eine Reaktion darauf, dass die Deutsche Bank ein Jahr zuvor fünf Prozent der Anteile an der Bayerischen Vereinsbank gekauft hat. Die Münchner möchten aber nicht zu den Vasallen eines Frankfurter Hauses verkommen, deshalb wehrt man sich. Allerdings ist die Fusion kein Glücksbringer: Ende der 90er-Jahre werden massive Probleme im Immobiliengeschäft bekannt, 2003 wird dieser Geschäftszweig schließlich in eine eigene Bank ausgelagert: die Hypo Real Estate, die in der Finanzkrise untergeht. 2005 wiederum kauft die italienische Großbank Unicredit die Hypovereinsbank, die ihr in den vergangenen Jahren einen rigiden Sparkurs verordnet hat. Von der einstigen Bedeutung ist wenig geblieben. Kein Wunder, dass der Bankenplatz München heute ein Schatten seiner selbst ist.

Im Frühjahr 2000 bebt die Frankfurter Finanzszene: Die Deutsche Bank und die Dresdner Bank kündigen ihren Zusammenschluss an. Von 125.000 Arbeitsplätzen sollen 16.000 wegfallen. Doch bereits wenige Wochen nach Ankündigung wird die Fusion abgeblasen. Die damals schon wichtigen Investmentbanker der Deutschen Bank sind gegen die Verschmelzung – und der damalige Vorstandschef der Deutschen Bank Rolf-E. Breuer (l.) kann sich nicht gegen sie durchsetzen. Der Chef der Dresdner Bank Bernard Walter tritt wegen des geplatzten Zusammenschlusses sogar zurück.

Die Allianz braucht weitere Vertriebskanäle, um ihre Versicherungen zu verkaufen. Deshalb kauft sie 2001 die Dresdner Bank. Doch der Zusammenschluss entpuppt sich bald als Fehlentscheidung: Bereits 2002 kann die Dresdner Bank nur mit Ach und Krach einen Verlust vermeiden. Übrigens: Auf Seiten der Allianz war damals ein Finanzvorstand namens Paul Achleitner mitverantwortlich für die Fusion. Achleitner ist seit 2012 Aufsichtsratschef der Deutschen Bank. Seine Bilanz bei Deutschlands größtem Geldhaus fällt ähnlich aus wie bei der Übernahme der Dresdner Bank: äußerst bescheiden.

Noch 2007 übernimmt die Münchner Hypo Real Estate die Depfa, die Bank finanziert überwiegend die öffentliche Hand. Das wirkt damals wie ein biederes, aber gleichzeitig sehr rentables Geschäft – doch die Depfa steht am Abgrund. Sie hat ihre Bilanz mit enormen Risiken vollgeladen und macht die Hypo Real Estate in der Finanzkrise zu einem Fall für den Bankenrettungsfonds. Der Rest ist Geschichte.

Der Zeitpunkt ist denkbar schlecht, die Finanzkrise belastet die Kreditinstitute weltweit: Dennoch übernimmt die Commerzbank 2009 die Dresdner Bank von der Allianz, die damals das drittgrößte Geldhaus der Republik ist. Die Fusion ist eine Notoperation, die Dresdner Bank macht im Geschäftsjahr 2008 einen Verlust von 6,3 Mrd. Euro. Die Folge: Das Eigenkapital ist dadurch nahezu aufgezehrt, das reißt die Commerzbank mit in die Tiefe. Der Staat muss deshalb Geld bei der Commerzbank einschießen und wird Anteilseigner, heute hält der Bund 15 Prozent an dem Geldhaus mit dem gelben Logo. Die Commerzbank braucht Jahre, um die Dresdner Bank bei sich zu integrieren. Trotz Fusion ist der Name der Dresdner Bank nicht ganz verschwunden: In Dresden unterhält die Commerzbank eine Filiale, auf der der Schriftzug des früheren Konkurrenten prangt.

2009 kauft die Deutsche Bank die Postbank – und kommt so einem Angebot des spanischen Geldhauses Santander zuvor. Das Ziel der Deutschen Bank damals: Die Erträge im Heimatmarkt steigern und stabilisieren und von der größeren Kundenbasis profitieren. Argumente, die auch jetzt bei den Fusionsgesprächen zwischen Deutscher Bank und Commerzbank eine Rolle spielen. Das Problem ist bloß: Die Deutsche Bank hat es bis heute nicht geschafft, die Postbank zu integrieren. Grund sind IT-Probleme, aber auch das strategische Hickhack der Deutsch-Banker. Zwischenzeitlich soll die Postbank sogar wieder verkauft werden, aber niemand schlägt zu. Also versucht die Deutsche Bank weiter die Tochter irgendwie mit den anderen Unternehmensteilen zu verschmelzen.

Im Juni 2009 meldet der Warenhauskonzern Arcandor Insolvenz an – und stürzt damit die Kölner Privatbank Sal. Oppenheim, gegründet 1789, in eine tiefe Krise. Das einst so stolze Geldhaus ist eng mit Arcandor und dessen Mehrheitsaktionärin Madeleine Schickedanz verbandelt. Eine Insolvenz des Instituts kann nur abgewendet werden, indem die Deutsche Bank Sal. Oppenheim übernimmt. Sie zahlt immerhin 1 Mrd. Euro für den deutlichen kleineren Konkurrenten. 2017 kündigt die Deutsche Bank an, Sal. Oppenheim zu schließen. Allzu viel Freude dürfte die Übernahme der Deutschen deshalb nicht gemacht haben. Die Deutsche hätte gerne wichtige Mitarbeiter von Oppenheim gerade aus dem Fondsmanagement behalten, doch viele wechseln zur Konkurrenz.

Auch die einst stolze nordrhein-westfälische Landesbank WestLB gerät in der Finanzkrise ins Taumeln. Nach vielen Jahren des Siechtums und gescheiterten Übernahmeversuchen durch andere Landesbanken, übernimmt schließlich die Landesbank Hessen-Thüringen Teile des Geschäfts, etwa den Zahlungsverkehr. Die übrigen Reste werden in einer Bad Bank abgebaut. 2012 verschwindet das Logo.

Nach vielen gescheiterten Anläufen gelingt es endlich: 2015 kündigt die damals größte Zentralbank der Genossenschaftsbanken an, die DZ Bank in Frankfurt, die zweite noch existierende genossenschaftliche Zentralbank zu übernehmen, die WGZ Bank aus Düsseldorf. Die Fusion wird 2016 vollzogen, bis 2022 dürften voraussichtlich 20 Prozent der Arbeitsplätze gestrichen werden, die das neue Zentralinstitut ursprünglich hatte. Der Zusammenschluss läuft vergleichsweise gut.