Wer wissen will, wie es den deutschen Banken geht, muss nur auf den Dax schauen. Genauer gesagt auf den Subsektor Banken am Aktienmarkt. „Zurzeit keine Top-Werte“ steht dort, wenn man nach den Tops und Flops der Branche sucht. Und das, obwohl manche gehofft hatten, es werde demnächst einen überragenden Wert in diesem Sektor geben: Die neue „Deutsche Commerzbank“ nämlich, die bald entstehen könnte. Zumindest theoretisch. Denn seit dem Wochenende ist endlich offiziell, worüber bereits viele Marktbeobachter seit Jahren spekulierten, was aber bisher niemand bis zum Ende zu denken wagte: Die zwei großen Banken Deutschlands sprechen offen über eine Fusion. Am Donnerstag tagten sie beide in dieser Sache. „Ergebnisoffen“, wie es im Managersprech so schön heißt. Was natürlich nicht heißt, dass es auch wirklich dazu kommen wird.
Ferner bedeutet die Tatsache, dass nun endlich offen geredet wird, auch nicht, dass der Zusammenschluss tatsächlich wünschenswert wäre. Denn wer eigentlich von der Fusion profitieren würde, fragen sich sehr viele Branchenbeteiligte. Die beiden Banken hätten vermutlich über viele Jahre eine Verschmelzungsleistung zu vollbringen, von der keiner weiß, ob sie funktioniert. Der Standort Deutschland würde dadurch nicht gestärkt, die Bankenbranche auch nicht wirklich vorangebracht. Und ob Anleger bei dem Mega-Deal gewinnen, darf man ebenfalls bezweifeln. Der Dax zeigte dieser Tage bereits, was er davon hält: Er sackte seit Bekanntwerden der Meldung kräftig ab. Wem also nützt diese Bankenunion eigentlich?
Bislang wünscht sich wohl vor allem Finanzminister Olaf Scholz die Fusion . Auf nationalen Bankentagungen betonte er zuletzt noch, wie wichtig ein nationaler Bankenchampion für Deutschland sei. Seit dieser Woche versuchen zwar der Minister und die Regierung nach Kräften den Eindruck zu erwecken, dass der Zusammenschluss beider Häuser eine rein private Angelegenheit der Unternehmen sei und die Banken diese Entscheidung allein träfen. Steuergelder würden bei einer möglichen Einigung auch nicht fließen, so Scholz. Und die Regierung solle sich da auch nicht einmischen, appellierte auch Kanzlerin Angela Merkel. Doch irgendwie will so recht niemand glauben, dass die Politik bei der möglichen Bankenunion nicht zumindest die Finger im Spiel gehabt hat. Schließlich wäre die Regierung gleich zwei Sorgen durch den Zusammenschluss los.
Zwei angeschlagene Institute
Nämlich erstens die Sorge, dass ihr Commerzbank-Aktienpaket nur noch wenig wert ist. Zum Höhepunkt der Finanzkrise sprang der Staat der Commerzbank als Retter bei. Er wollte die Bank sanieren und danach seine Anteile wieder gewinnbringend verkaufen, doch damit hat er sich verspekuliert. Der Republik gehören seitdem 15 Prozent der Commerzbank-Aktien, deren Wert sich ungefähr halbiert hat. Zweitens sorgt sich die Regierung, dass sich die Geschichte bald wiederholen könnte, weil sie nämlich irgendwann womöglich auch noch der krisengebeutelten Deutschen Bank aus der Klemme helfen muss. Die gilt schließlich als systemrelevant, sie könnte also aufgrund ihrer Größe ein Risiko für das heimische und das internationale Finanzsystem bedeuten. Und angesichts diverser Rechtstreitigkeiten und Skandale, von denen die Manipulation des Libor-Kurses und die Cum-Ex-Geschäfte in Dänemark nur die jüngsten waren, wirkt das größte deutsche Bankhaus so angeschlagen wie nie zuvor. Würden sich beide Finanzinstitute nun zusammentun, so das Kalkül, ließen sich vielleicht beide stabilisieren.
Es gibt also ohnehin sehr viel Wettbewerb, der noch dadurch verschärft wird, dass nicht alle Institute auf reine Gewinnmaximierung aus sind. Die Sparkassen und Volksbanken etwa haben sich der Förderung von regionalen Unternehmen verschrieben und vergeben in diesem Sinne zum Beispiel viele Kredite auch zu etwas anderen Konditionen als Großbanken sie anbieten würden. Die Folge davon ist: Jene Kostenvorteile, wie sie Konzerne in anderen Branchen durch ihre schiere Größe schaffen können, haben Großbanken nicht.
Deutsche Bank beim Investmentbanking abgehängt
Dazu kommt, dass heimische Banken noch immer maßgeblich auf das Geschäft der Fristentransformation setzen, also darauf, Einlagen wenig zu verzinsen und das eingesammelte Geld in Form von Krediten für höhere Zinssätze weiterzureichen. Das Problem dabei ist seit Jahren: Die Nullzinsen der Zentralbanken haben die Zinsen und Gewinnmargen immer weiter gedrückt und die deutschen Banken somit um einen Großteil ihrer Einnahmequellen gebracht. Von den vielen Millionen Privatkunden, die inzwischen Kostenloskonten gewohnt sind, können sie kaum noch leben.
Das sind die Hauptgründe für die große Ertragsschwäche der deutschen Banken im internationalen Vergleich: Sieht man sich an, was deutsche Banken gemessen an ihrem Vermögen verdienen, dann ist es rund die Hälfte dessen, was Banken in Frankreich oder den Niederlanden einfahren und es ist ein Fünftel dessen, was US-Banken erzielen. Die taumelten zwar in der Finanzkrise auch mächtig, haben sich aber danach sogar noch stärker aufs Investmentgeschäft konzentriert und machen damit heute wieder gute Gewinne. Die Deutsche Bank betrieb es nur noch halbherzig und bekam jüngst die Quittung dafür: Im M&A-Geschäft mit den Unternehmenszusammenschlüssen rangiert die Deutsche Bank im Heimatmarkt nur noch unter „ferner liefen“.
Das ganze Ausmaß der Schwäche wird deutlich, wenn man sich die Kurse der Banken ansieht und zwar ebenfalls in den Jahren nach der Finanzkrise: In den vergangenen ein, drei und fünf Jahren schnitten die Banken im tiefroten Bereich ab, während der Dax nur auf Jahressicht eine Schwächephase hatte und fünf Prozent verlor. In den übrigen Jahren legte der Gesamtindex stark zu, während die Bankaktien 35 oder sogar 60 Prozent ihres Wertes einbüßten. Noch viel deutlicher ist die Entwicklung auf zehn Jahre: Seitdem hat der Banken-Dax knapp 50 Prozent an Wert verloren, während der Gesamt-Dax auf Zehnjahressicht stolze 185 Prozent gewann. Das heißt: Anleger, die 2008 einen Betrag von 10.000 Euro in deutsche Bankaktien steckten, haben ihr Geld bis heute auf 5300 Euro dezimiert, also fast halbiert. Wer es stattdessen in Dax-Aktien investierte, der besitzt heute ein Aktiendepot im Wert von 28.500 Euro, hat den Einsatz also fast verdreifacht. Die Aktien deutscher Banken waren ein Beitrag zur effektiven Kapitalvernichtung.
Commerzbank-Aktie war einst 219 Euro wert
Im Falle der zwei Großbanken gilt das übrigens nicht erst seit der Finanzkrise, die ist also nicht allein an der Misere schuld: Sondern die beiden Bankaktien notieren heute sogar tiefer als sie es noch 1991 getan haben – und das können wohl nicht viele Aktien in den großen deutschen Indizes von sich sagen: Die Commerzbank war einst mit 79 Euro gestartet, die Deutsche Bank mit 13 Euro. Danach ging es für beide wild auf und ab, sie verbuchten aber beide ihre Höchstkurse im Jahr 2007. Damals kostete die Deutsche Bank dann 87 Euro, die Commerzbank übrigens 219 Euro. Dann stürzten beide gehörig ab. Im Jahr 2010 erreichten sie dann noch einmal gut 40 Euro, seitdem aber geht es ungefähr im Gleichflug bergab. Vor einem Jahr standen die Kurse der zwei deutschen Großbanken noch bei gut 11 Euro, heute sind es 7,02 Euro für die Commerzbank und 7,46 Euro für die Deutsche Bank. Sie sind so etwas wie die Pennystocks im Dax und MDax geworden.
Der größte Gewinn der Fusion läge darin, dass sich die Deutsche Bank ein klein wenig gesundstoßen könnte, falls sie die Commerzbank übernehmen würde, denn die Commerzbank ist derzeit nach Marktkapitalisierung deutlich weniger wert als es ihrem reinen Kernkapital entspricht. Mit 9 Mrd. Euro wird sie an der Börse bewertet, ihr Kapital ist aber 23 Mrd. Euro wert. Wäre die Deutsche Bank also der Übernehmer – wenn sich beide nicht in einer neuen Gesellschaft vereinigten – dann könnte sie diese Reserven in ihren künftigen Bilanzen heben. Warum auf die Idee noch kein anderes Bankinstitut gekommen ist? Vielleicht schielten schon ein paar große Wettbewerber darauf, doch an größere ausländische Banken will die Bundesregierung die Commerzbank nicht verkauft sehen (und sie ist ja schließlich mit 15 Prozent noch Großaktionär). Zudem ist die Unsicherheit groß, ob es nicht auch stille Lasten geben könnte in den Bilanzen der Commerzbank, die diese Reserven wieder zunichte machen würden.
Die Gespräche der kommenden Wochen und die gegenseitigen Einblicke in die Bücher werden es zeigen. Käme es zu einer Fusion, könnten die Aktien der Commerzbank leicht zulegen. Denn dann würde die Deutsche Bank einen Aufschlag zahlen, der rund 20 Prozent über dem dann aktuellen Börsenkurs liegen könnte. Auf mehr als 8,50 bis 10 Euro jedoch schätzen viele Analysten diesen Übernahmepreis nicht. Insgesamt raten gut 50 Prozent der Analysten bei der Commerzbank-Aktie zum Halten, 38 Prozent sagen: Kaufen. Bei der Deutschen Bank ist das Votum noch ein wenig eindeutiger, aber in die andere Richtung: 62 Prozent raten zum Halten, 32 Prozent sagen: verkaufen! Nach dem großen Aufschwung einer noch größeren deutschen Bank klingt das nicht.