Kommentar Bankenfusion: ein Irrtum namens Industriepolitik

Deutsche Bank und Commerzbank haben angekündigt, über eine Fusion zu sprechen
Deutsche Bank und Commerzbank haben angekündigt, über eine Fusion zu sprechen
© dpa
Gerade die Politik treibt die Fusion zwischen Deutscher Bank und Commerzbank voran. Damit zeigt sie, wie gefährlich staatlich organisierte Industriepolitk ist – das könnte letztlich sogar der SPD schaden

In diesen Tagen lässt sich ausgerechnet in der deutschen Politik- und Finanzszene beobachten, wie gefährlich Donald Trump ist. Der US-Präsident betont in der Politik wieder stärker das Nationale, er gängelt ausländische Firmen und will US-Unternehmen fördern. Diese Renationalisierung ist eine bedrohliche Entwicklung, die gedanklich leider auch bei Politikern angekommen ist, bei denen man sie nicht unbedingt vermutet: etwa bei Finanzminister Olaf Scholz (SPD).

Scholz und sein Staatssekretär Jörg Kukies (ebenfalls SPD) schwingen sich gerade zur Reparaturkolonne des deutschen Bankwesens auf. Sie sind die treibenden Kräfte dahinter, dass die beiden darbenden Institute Deutsche Bank und Commerzbank am Sonntag Fusionsgespräche bestätigten – offenbar vor allem, weil sich der Finanzminister einen nationalen Bankenchampion wünscht. Nebenbei will die Regierung auch noch handstreichartig die Probleme der Geldhäuser lösen.

Man muss sich einmal vergegenwärtigen, welch bizarrer wirtschaftspolitischer Sündenfall da gerade geschieht: Die beiden Politiker arbeiten nicht daran, die Rahmenbedingungen für Bankfusionen zu verbessern, etwa bei grenzüberschreitenden europäischen Zusammenschlüssen. Nein, die zwei Sozialdemokraten oktroyieren anscheinend zwei Banken eine Zwangsfusion auf, obwohl der deutsche Staat nur bei einer der beiden Banken Anteilseigner ist (wohlgemerkt der Bund hält an der Commerzbank lediglich 15 Prozent der Anteile).

Obendrein stehen Analysten, der Großteil der Investoren und die Finanzaufseher dem Zusammenschluss nicht nur skeptisch gegenüber, viele lehnen ihn unverhohlen ab (lesen Sie dazu auch unsere Analyse ). Kaum jemand hält die Fusion für betriebswirtschaftlich sinnvoll. Insofern zeigen die Fusionsgespräche vor allem, wie gefährlich es ist, wenn Politiker Industriepolitik betreiben, wenn sie versuchen, Unternehmen nach ihrem Gusto umzugestalten.

Nationaler Champion ist kein Wert an sich

Das Problem ist: Industriepolitik bietet Politikern die Chance, sich nicht nur als Paragraphen-Produzenten zu profilieren, sondern als Macher, die auch die ganz großen Deals hinkriegen. Dabei schlüpfen sie wie Scholz unter einen wohlig warmen Deckmantel aus gefühligen Argumenten wie dem des nationalen Bankenchampions, um ihr Vorgehen zu rechtfertigen. Dadurch braucht man die betriebswirtschaftliche Logik des Vorgehens gar nicht mehr diskutieren. Wer soll schon etwas gegen einen nationalen Champion haben?

Bloß ist ein nationaler Champion kein Wert an sich. Um das zu verstehen, hilft eine einfache Überlegung: Was würde passieren, wenn es keinen nationalen Bankenchampion geben würde – oder wenn gar die Deutsche Bank und die Commerzbank nicht mehr existieren würden? Die Antwort: nichts!

Es gibt in Deutschland ausreichend viele Banken, es existieren vermutlich sogar zu viele Geldhäuser. Wenn es weder einen Bankenchampion noch die Deutsche Bank oder die Commerzbank gäbe, würden andere Institute einfach die Lücke schließen. Das betrifft nicht nur Privatkunden, die zu den Sparkassen oder den Volksbanken überlaufen könnten. Auch Unternehmen könnten problemlos Geldhäuser finden, die Währungskursschwankungen absichern und sie bei Übernahmen unterstützen.

Dazu muss die hiesige Wirtschaft nicht einmal auf die gefürchteten Chinesen oder die immer argwöhnischer beäugten US-amerikanischen Banken zurückgreifen. Unser Nachbarland Frankreich hat zahlreiche gut aufgestellte Institute wie die BNP Paribas, die ebenfalls das können, was Deutsche Bank und Commerzbank drauf haben. Zudem können sich hiesige Manager sicher sein, dass die europäischen Institute weder Peking noch Trump dienen (wovon die US-Institute übrigens weit entfernt sind) – sondern hiesige Werte teilen.

Too big to fail

Aus ökonomischer Sicht braucht es also keinen nationalen Champion. Die Politik will ein Problem lösen, das gar nicht existiert – und riskiert dabei auch noch, dass sich die beiden Banken in der komplizierten Fusion verrennen.

Gleichzeitig gerät mit der Trivialutopie Bankenchampion ein Versprechen in Gefahr, dass die Politik den Bürgern gegeben hat: dass sie Banken nicht mehr mit Steuergeld retten muss. Ein nationaler Champion ist qua Definition eine große Bank, zusammen kämen Commerzbank und Deutsche Bank auf eine Bilanzsumme von fast 2000 Mrd. Euro.

Zwar wäre die neue Großbank mit dieser Bilanzsumme nicht mal unter den zehn größten Instituten der Welt. Aber je größer eine Bank wird, desto eher kann sie dem Staat in einer Krise Geld abpressen. Denn: Je größer das Geldhaus, desto gravierender sind die Folgen einer Pleite – und desto eher muss der Staat ein Interesse daran haben, dass dieses eine große Institut nicht in Schwierigkeiten gerät.

Merke: Aus einem nationalen Champion können Risiken erwachsen, die erst Jahre später zu Tage treten. Die verantwortlichen Politiker sind dann vielleicht schon gar nicht mehr im Amt.

Zudem beschädigt das Vorgehen des Finanzministers – und das passiert gerne mal bei staatlichen Eingriffen in Unternehmen – die beiden Banken. Die Deutsche Bank und die Commerzbank stehen nicht länger als Konzerne da, die ihr Schicksal selbst bestimmen – sondern als Getriebene. Das dürfte das Vertrauen in die Vorstände der Institute kaum fördern.

Die Fusion wird Arbeitsplätze kosten

Zugleich hat die Politik die zwei Banken in eine Situation gebracht, aus der sie kaum noch hinaus können. Eine Absage der Fusion würde die Glaubwürdigkeit der Banken weiter beschädigen. Wer sich erst in Fusionsgespräche drängen lässt und dann doch einen Rückzieher macht, müsste sich die Frage gefallen lassen, warum er nicht gleich erkannt hat, dass der Zusammenschluss nichts bringt – und warum er sich der Politik nicht stärker widersetzt hat.

Gleichzeitig gefährdet Scholz nicht nur das Ansehen der Politik generell, sondern gerade seiner Partei: der SPD. Die Rolle des Finanzministeriums ist diesmal eine andere als bei vielen anderen Staatseingriffen: Normalerweise pempert die Politik mit Steuergeld Unternehmen, um Arbeitsplätze zu erhalten, etwa um die Jahrtausendwende beim Baukonzern Philipp Holzmann und später bei Opel. Die Volksvertreter können sich dann stets als große Retter inszenieren.

Diesmal wird aber genau das Gegenteil passieren: Durch die Fusion werden, so schätzt man es in Frankfurt, 30.000 Arbeitsplätze wegfallen, womöglich sogar 50.000. Es ist offensichtlich, dass die Entlassenen die Politik dafür verantwortlich machen werden.

Zwar dürfte es unter Bankern eher unterdurchschnittlich viele SPD-Wähler geben, aber es entsteht in der breiten Bevölkerung ein Eindruck, der für die ohnehin gebeutelte SPD verheerend ist: Den Sozialdemokraten ist das Schicksal von zehntausenden Arbeitnehmern offenbar egal, was die Politikverdrossenheit maximal fördern dürfte.

Und das könnte irgendwann einmal die Ironie dieser Fusion sein: Ausgerechnet die Arbeiterpartei SPD wird zur Arbeitsplatzvernichter-Partei.

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