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Kolumne Ist WhatsApp mehr wert als Adidas?

So nachvollziehbar Facebooks Kauf von WhatsApp ist, die Bewertung des erst fünf Jahre alten Unternehmens scheint etwas überzogen. Von Martin Kaelble

Der FC Bayern ist seit langem bekannt für seine Einkaufs-Strategie: Sobald ein ernstzunehmender Konkurrent auftaucht, kauft man ihm einfach die besten Spieler weg – siehe Götze, Lewandowski und andere. In gewisser Weise scheint Facebook eine ähnliche Strategie zu verfolgen, nur dass CEO Mark Zuckerberg einfach direkt den ganzen Konkurrent kauft. Die Übernahme vom Messenging-Dienst WhatsApp für 19 Mrd. Dollar ist der größte Kauf der Firmengeschichte – und der Branche insgesamt. Zur Erinnerung: Googles bislang größter Kauf war die Übernahme von Motorola für 12,5 Mrd. Dollar, Microsofts größter Deal der Kauf von Skype für 8,5 Mrd. und Apple hat noch nie für einen Kauf mehr als 1 Mrd. ausgegeben. Zuckerberg muss also schon sehr viel Angst vor WhatsApp gehabt haben.

Keine Frage: Grundsätzlich macht der Kauf des Mobildienstes für Facebook absolut Sinn. Denn WhatsApp war bislang eben nicht nur der Todfeind der SMS, sondern wurde innerhalb kürzester Zeit auch zu einem gefürchteten Konkurrenten für Facebook. Auch wenn die Firma nur 50 Mitarbeiter zählt und erst seit 2009 existiert. Denn vor allem junge Leute sollen immer häufiger WhatsApp als das blaue soziale Netzwerk nutzen. Zuckerbergs größte Herausforderung wird es zunehmend, die jungen Leute nicht zu verlieren. Das hat er sogar selbst zuletzt eingestanden.

Neuer Referenzwert in der Internetbranche

Nun lässt er Taten folgen. Beim Fotodienst Snapchat, ebenfalls sehr beliebt bei jungen Leuten, war Facebook mit seinem Angebot noch abgeblitzt. Bei WhatsApp hat Zuckerberg nun bekommen was er wollte.

Zu einem sehr hohen Preis wohlgemerkt. Die Zahl 19 Mrd. Dollar relativiert sich bei genauem Hinschauen zwar ein wenig: 4 Mrd. Dollar werden in bar gezahlt, 12 Mrd. in Facebook-Aktien. Weitere 3 Mrd. in Aktien folgen in den kommenden vier Jahren.

Am Ende aber bleibt die Tatsache: Nämlich eine Bewertung von 19 Mrd. Dollar für ein Unternehmen, das fünf Jahre am Markt ist, in einem sich rasant wandelnden Mobile-Segment. Das ist ein neuer Referenzwert in der Internetbranche. Ein Signal, das wohl bei vielen wieder die Sorge vor einer Blase befeuern wird. 

Nur mal zum Vergleich: Nimmt man den Kaufpreis von WhatsApp als Bewertung, so liegt der Wert höher als der Börsenwert von Konzernen wie Adidas, Porsche oder ThyssenKrupp. Etablierte, große Konzerne und Marken, die richtig Geld verdienen.

Facebook treibt Preisspirale nach oben

Sicher, die Wachstums- und Nutzungszahlen von WhatsApp sind beeindruckend: 450 Millionen User, allein geschätzte 30 Millionen in Deutschland. 70 Prozent davon nutzen den Dienst täglich. Zuckerberg selbst rechtfertigte den Kauf damit, dass WhatsApp auf dem Weg zu einer Milliarde Nutzer sei – so viel wie Facebook selbst nach zehn Jahren. Das scheint auch tatsächlich machbar. Eine Millionen Nutzer kommen derzeit täglich hinzu. Und der Dienst hat wenigstens ein Erlösmodell: Ein Jahr lang ist WhatsApp kostenlos, dann kostet es rund 1 Dollar pro Jahr.

Doch ist eine Bewertung von 19 Mrd. Dollar, elf Prozent des eigenen Wertes von Facebook wirklich gerechtfertigt? Im Fußball gibt es seit Jahren eine Spirale nach oben, von immer überzogeneren Preisen für Top-Spieler. Der FC Bayern hat sich dieser Spirale bislang – trotz aller Einkäufe bei der Konkurrenz – weitgehend entzogen. Es scheint fast so, als würde sich in diesem Punkt Facebooks Strategie dann doch von der des FC Bayern unterscheiden. 

E-Mail: Kaelble.Martin@capital.de

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