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Kolumne Her mit dem roten Teppich für Tesla!

Lars Vollmer
Lars Vollmer
© André Bakker
Eigentlich hegt Lars Vollmer keine Sympathien für staatliche Einmischungen in die Wirtschaft. Doch bei der Gigafactory von Tesla in Brandenburg macht er eine Ausnahme: Die Fabrik muss her, damit die deutsche Autoindustrie aufwacht!

Große Aufregung in Berlin, Sie haben es sicher gelesen: Elon Musk hat angekündigt, seine Gigafactory für Europa ausgerechnet im Umfeld des Berliner Flughafens bauen zu wollen. Wenn Sie nun ein Spötter wären, könnten Sie glauben, dass er einfach die ländliche Stille liebt und darauf spekuliert, dass der BER sich im gleichen Tempo weiterentwickelt wie bisher. Aber zu diesen Spöttern gehöre ich natürlich nicht. Ich glaube auch nicht, dass Elon Musk mit seiner Entscheidung die deutsche Automobilindustrie verhöhnen möchte. Obwohl? Ach nein, so viel Humor traue ich ihm gar nicht zu.

Eigentlich ist es mir auch egal, was diesen Tausendsassa in Sachen Innovationen dazu treibt, sich ausgerechnet in einem Land niederzulassen, dass nun wahrlich nicht für die wendigste Bürokratie und die schnellste Umsetzung innovativer Ideen bekannt ist. Denn ich finde es gut. Und ich würde mich sogar fast dazu versteigen, dass die Regierung Teslas Vorhaben auch finanziell unterstützen sollte.

Ja, Sie haben richtig gelesen. Ich, Lars Vollmer, der immer verkündet, der Staat habe sich rauszuhalten aus der Wirtschaft, könnte mir vorstellen, dass eine staatliche Förderung in diesem Fall Sinn macht.

Nein, ich habe keinen kapitalen Sonnenstich: Auch in Barcelona ist die Sonne schon lange nicht mehr so kräftig in dieser Jahreszeit. Mir ist vielmehr eine Geschichte aus meiner Kindheit eingefallen …

Deutschlands Brötchen „nach Großmutters Rezept“

In dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, gab es eine Bäckerei. Es gab nur diese eine, aber dafür bereits in der dritten Generation. Dort wurden Brötchen „nach Großmutters Rezept“ verkauft und alle waren zufrieden. Die Bäckerei war fester Bestandteil des sozialen und auch des wirtschaftlichen Dorflebens, denn sie gab immerhin einigen Menschen Arbeit.

Wenn Sie die Dorfbewohner gefragt hätten, wie ihnen die Brötchen schmecken, hätten die die Frage gar nicht verstanden. Die Brötchen waren die Brötchen. Fertig.

Die Unkenrufe, dass die kleinen Betriebe es immer schwerer hätten, sich im Wettbewerb zu behaupten, interessierten den Bäcker überhaupt nicht. Die äußerste Neuerung, zu der er sich gezwungen sah, war, den Euro einzuführen. Mehr war ja auch gar nicht nötig: Er war im bescheidenen Rahmen erfolgreich, sein Laden wuchs moderat. Ab und zu wurden die Brötchen zwei Cent teurer und das war’s.

Doch es kam der Tag, an dem am Dorfrand ein Supermarkt seine Pforten öffnete: mit Parkplätzen davor und allen Artikeln des täglichen Bedarfs drinnen. Das ist heute normal, für uns Dorfbewohner aber war das damals neu. Das war revolutionär, denn auf einmal konnten wir sowohl mittags zwischen 13 bis 15 Uhr als auch nach 17.30 Uhr noch Brötchen besorgen – also dann, wenn die angestammte Bäckerei geschlossen hatte.

Darüber hinaus gab es auch andere Brötchen als die „nach Großmutters Rezept“. Die schmeckten schon allein deshalb gut, weil sie anders schmeckten. Die Zahl der Monate, bis der alte Laden weg war, können Sie an zwei Händen abzählen.

Doch warum ist mir diese Geschichte mit der Dorfbäckerei ausgerechnet im Zusammenhang mit Elon Musk und seiner Gigafactory in Berlin wieder eingefallen?

Berliner Taxifahrer müssen nicht

Das Prinzip ist das gleiche: Sie können als Unternehmer jegliche Moden und Jammereien ihrer Umwelt lange ignorieren. Das Wettern von mir und von vielen anderen Seiten, dass die Welt digitaler, agiler oder sonst was werden muss, kann Ihnen vollkommen wurscht sein.

Berliner Taxifahrer machen das hervorragend: Was ich mich schon echauffiert habe, dass ich in kaum einer dieser Mietsdroschken vernünftig mit Kreditkarte zahlen kann, geht auf keinen speckledernen Autobezug. Und die schauen mich dann nur an und zucken mit den Schultern. Und das Schlimme ist: Sie haben recht. Die müssen nicht digitaler werden. Zumindest solange nicht, wie es ihre Wettbewerber auch nicht werden.

Spüren Sie es? Jetzt wird es heiß. Fortschritt passiert nur da, wo Wettbewerb stattfindet. Eine Binse, an die es sich zu erinnern lohnt.

Lasst uns den Teppich fördern

In diesem Sinne kann der deutschen Automobilindustrie nichts Besseres passieren, als dass Tesla sich genau in der Höhle des alternden Löwen ansiedelt. Der Wettbewerb rückt der kriselnden Branche so nah wie nie auf den Pelz, wenn in Zukunft auf den Teslas auch noch der Stempel „Made in Germany“ prangt – das gibt in der Kundenwahrnehmung echte Konkurrenz. Und das ist gut so, denn nur so steht der bequem gewordene Koloss deutsche Autoindustrie endlich wieder von der Couch auf.

Mit der Innovationskraft ist es nämlich wie mit der Muskelkraft: Ohne Training erschlafft die gnadenlos. Ein bisschen Zirkeltraining à la Musk dagegen regt die Eigenkräfte der Wirtschaft besser an als jede Subvention. Und deshalb sage ich: Wenn der Staat also unbedingt Geld ausgeben will, um die Wirtschaft anzukurbeln, dann möge er bitte lieber den roten Teppich für Elon Musk finanzieren. Das ist unter dem Strich nicht nur die sinnvollere, sondern auch die günstigere Wirtschaftsförderung als denjenigen, der es sich leisten kann, für 80.000 Euro einen Tesla zu kaufen, auch noch mit 6000 Euro zu sponsern, was nun wirklich Blödsinn ist.

Noch lieber wäre es mir natürlich – und insofern bleibe ich mir dann doch wieder treu –, wenn der Staat auf all diesen Kram verzichten würde. Aber so würde es wenigstens halbwegs Sinn machen.

Der rote Teppich für Elon Musk jedenfalls muss aus meiner Sicht sein, denn sonst schneiden wir uns ins eigene Brötchen „nach Großmutters Rezept“. Oder was meinen Sie?

Lars Vollmer ist Unternehmer, Vortragsredner und Bestsellerautor. In seinem Buch „ Gebt eure Stimme nicht ab! – Warum unser Land unregierbar geworden ist “ bietet er einen neuen konstruktiven Blick auf die Krise von Politik und Gesellschaft

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