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Beratungsfirma Heikler Doppelauftrag für PwC bei René Benkos KaDeWe-Gruppe

Mitarbeiterinnen in einem PwC-Büro in Melbourne
Seit vielen Jahren unterhält der Prüf- und Beratungskonzern PwC ein enges Verhältnis zum Bundeswirtschaftsministerium. Unter anderem berät er den Bund bei Bürgschaften
© AAP / IMAGO
Das Beratungsunternehmen PwC wickelt für den Bund Bürgschaftsanträge ab. Zugleich arbeiten PwC-Experten für René Benkos Luxuskaufhausgruppe, die von einer Staatsbürgschaft profitiert

Für Firmen, die sich in Deutschland um eine größere Staatsbürgschaft bemühen, führt der Weg stets über ein anderes Unternehmen: PwC. Seit vielen Jahren ist der Prüf- und Beratungsriese als sogenannter Mandatar des Bundes auch für die Abwicklung des Bürgschaftsprogramms verantwortlich. 

Interessenten für eine Staatsbürgschaft schicken ihre Anträge direkt an PwC. Experten des Big-Four-Konzerns prüfen die Anträge und geben Empfehlungen, über die dann in den Ministerien entschieden wird. Auch im Schadensfall, wenn eine Ausfallbürgschaft gezogen wird, etwa weil ein Unternehmen insolvent ist und einen staatlich gesicherten Kredit nicht zurückzahlen kann, kommt der Mandatar ins Spiel: Dann untersuchen PwC-Experten, ob das Unternehmen alle Auflagen und Bedingungen der Bürgen eingehalten hat.

Wegen des Einflusses auf Entscheidungen für millionenschwere Staatshilfen, der mit diesen Aufgaben einher geht, sieht der PwC-Vertrag mit dem Bund Regelungen für mögliche Interessenkonflikte vor. So wird vor jedem Bürgschaftsverfahren geprüft, ob es potenzielle Interessenkollisionen gibt – etwa weil PwC zugleich als Abschlussprüfer oder Beratung für das antragstellende Unternehmen tätig ist („conflict check“). Bislang habe PwC noch in keinem Fall gegen die Bestimmungen verstoßen, versichert das zuständige Bundeswirtschaftsministerium.

Doch in einem aktuellen Fall bei der Luxuskaufhausgruppe KaDeWe Group werfen Recherchen von Capital nun Zweifel daran auf. Dabei geht es um eine Doppelrolle von PwC – als Auftragnehmer des Bundes auf der einen und des Unternehmens auf der anderen Seite. 

PwC warnte schon 2020 vor hohen Mieten

Zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hatte die Luxuskaufhauskette eine Zusage für eine Staatsbürgschaft erhalten. Inzwischen ist sie in den Strudel des untergehenden Signa-Konzerns vom österreichischen Investor René Benko geraten und befindet sich seit Ende Januar in einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Dabei handelt es sich um eine Ausfallbürgschaft von Bund und Ländern für einen Betriebsmittelkredit der Großbank BNP Paribas in Höhe von bis zu 90 Mio. Euro. 

Wie in solchen Fällen üblich, stehen die Bürgen auch im Fall der KaDeWe-Gruppe für 90 Prozent der Kreditsumme gerade. Dabei haftet der Bund für die eine Hälfte der Summe. Für die andere Hälfte haften die Bundesländer Berlin, Bayern und Hamburg, in denen das Unternehmen, an dem die thailändische Central Group 50,1 Prozent und Signa 49,9 Prozent der Anteile halten, ihre drei Nobelkaufhäuser betreibt: das Berliner KaDeWe, das Hamburger Alsterhaus und den Münchner Oberpollinger.

Für das Bundeswirtschaftsministerium, das bei Bund-Länder-Bürgschaften federführend ist, begleitet dessen Mandatar PwC seit 2020 auch das Verfahren bei der KaDeWe-Gruppe. Schon 2021 zitierte das „Manager Magazin“ aus einem Gutachten der Prüffirma, das offenbar im Rahmen des Antragsverfahrens entstanden ist. Demnach stellten Experten des Big-Four-Konzerns fest, das Kaufhausunternehmen sei bislang den „Nachweis eines profitablen Geschäftsmodells (...) schuldig geblieben“. Zudem wies PwC demnach auch schon auf die Belastungen durch die hohen Signa-internen Mieten hin – nach Darstellung von KaDeWe-Group-Chef Michael Peterseim waren nicht-marktübliche Mieten der Auslöser für den Insolvenzantrag Ende Januar. 

Dennoch winkten Bund und Länder den Bürgschaftsantrag seinerzeit durch – während sich Manager intern über das „once in a lifetime gift by the German state“ freuten, wie die „Bild“-Zeitung kürzlich berichtete.

Unterstützung beim Insolvenzantrag

Doch im Fall der KaDeWe-Gruppe ist PwC nicht nur für den Bund tätig. Nach Informationen von Capital arbeitet PwC parallel auch für das Unternehmen: Wie interne Unterlagen zeigen, waren PwC-Experten im Januar an der Vorbereitung des Insolvenzantrags der Luxuskaufhausgruppe beteiligt – zusammen mit der auf Insolvenzrecht spezialisierten Kanzlei Finkenhof. Demnach war es die Hauptaufgabe der PwC-Berater, eine Übersicht über alle offenen Posten zusammenzutragen. 

Schon in den Monaten vor dem Insolvenzantrag hatte das Unternehmen große Probleme bei der Bezahlung von Rechnungen von Lieferanten und Dienstleistern – wegen massiver Auswirkungen eines Cyberangriffs russischer Hacker auf die IT-Systeme sowie einer missratenen SAP-Umstellung, aber auch wegen einer bereits angespannten Liquiditätslage. Dem Vernehmen nach waren ab Anfang Januar rund ein halbes Dutzend auf Restrukturierung spezialisierte PwC-Berater in der KaDeWe-Gruppe tätig, um wieder den kompletten Überblick über die bezahlten und noch offenen Rechnungen zu bekommen. Zudem kursieren im Unternehmen Gerüchte, PwC könnte auch das laufende Insolvenzverfahren unterstützen, etwa wenn es um den Verkaufsprozess für die bisherigen Signa-Anteile an der Kaufhausgruppe geht. 

Wie aber verträgt sich die Arbeit für den Bund und für das Unternehmen mit den angeblich so strikten Vorkehrungen gegen potenzielle Interessenkonflikte im Mandatarsvertrag? Und warum nimmt PwC für einen wohl vergleichsweise kleinen Auftrag den politisch brisanten Anschein eines Interessenkonflikts bei der Arbeit für die öffentliche Hand in Kauf?

Auf Anfrage von Capital wollte sich PwC unter Verweis auf Verschwiegenheitspflichten nicht zu konkreten Fragen zur Rolle bei der KaDeWe-Gruppe äußern. Ein Unternehmenssprecher erklärte nur allgemein, Bedenken seien „unbegründet“. Man nehme keine „Selbstprüfungen“ vor.

Auch das für die KaDeWe-Bürgschaft federführende Bundeswirtschaftsministerium wollte sich auf Anfrage nicht zum konkreten Fall äußern und verwies auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Ein Satz in der Antwort einer Ministeriumssprecherin lässt vor dem Hintergrund des jüngsten Beratereinsatzes von PwC im Unternehmen allerdings aufmerken: „Der Mandatar ist verpflichtet, für die gesamte Dauer der Fallbegleitung, also der Laufzeit einer Bürgschaft oder Garantie von Antragstellung bis zur Rückgabe der Urkunde, jegliche Interessenkollision zu vermeiden.“ 

Verbot für bestimmte Beratungsleistungen

In einer Antwort auf eine aktuelle Frage des Linken-Bundestagsabgeordneten Pascal Meiser, die Capital vorliegt, wird das Ministerium bei diesem Thema noch konkreter: „Insbesondere erbringt der Mandatar nach Ausreichung einer Bürgschaft beziehungsweise Garantie keine Leistungen im Zusammenhang mit der Verhandlung einer Restrukturierungslösung, welche Auswirkung auf das verbürgte Kreditengagement hätte, und erstellt keine Sanierungsgutachten für das durch eine Gewährleistung des Bundes unterstützte Unternehmen.“ 

Wie diese Vorgaben mit einem Beratungsauftrag im Rahmen der Vorbereitung eines Insolvenzantrags zusammengehen, erschließt sich nicht auf Anhieb – zumal eine Insolvenz allgemein die Gefahr massiv erhöht, dass ein staatlich verbürgter Kredit nicht zurückgezahlt werden kann und der Steuerzahler einspringen muss. Voraussetzung dafür wäre ein positives Votum, dass das Unternehmen alle Auflagen und Bedingungen für die Bürgschaft eingehalten hat. Nach den üblichen Standards würde diese Prüfung bei der KaDeWe-Gruppe wiederum von PwC durchgeführt – nachdem die Beratung noch kurz zuvor für das Unternehmen gearbeitet hat. 

„Umso genauer man hinschaut, umso problematischer erscheint die zentrale Rolle von PwC bei der Entscheidung über die Vergabe von staatlichen Bürgschaften“, sagte der Wirtschaftspolitiker Meiser. „Sollte sich herausstellen, dass PwC an der Entscheidung über Staatsbürgschaften an Unternehmen beteiligt ist, für die es an anderer Stelle selbst beratend tätig ist, so muss das Konsequenzen haben.“ Dabei stellten sich auch ganz grundsätzliche Fragen, sagte Meiser weiter: „Statt sich systematisch auf private Beratungsgesellschaften mit unklaren Loyalitäten zu verlassen, sollte die Bundesregierung hier dringend eigene Kompetenzen für die Bürgschaftsvergabe aufbauen.“

Ob der Staat – ähnlich wie bei Benkos Warenhauskette Galeria – auch bei der KaDeWe-Gruppe Geld verliert, ist allerdings noch nicht ausgemacht. Das Unternehmen, das eine Anfrage von Capital zu dem Auftrag an PwC und dem Stand bei der Bürgschaft unbeantwortet ließ, äußerte sich vergangene Woche in einer öffentlichen Erklärung. In der Pressemitteilung hieß es, die Ausfallbürgschaft sei bisher nicht in Anspruch genommen worden. Die Rückzahlung des Kredits von BNP Paribas erfolge planmäßig. Es seien bereits Rückzahlungen „in relevanter Höhe“ geleistet worden. 

Was das genau heißt, bleibt jedoch unklar. Auf jeden Fall zählt die Großbank zu jenen Gläubigern der Kaufhausgruppe, die nun im Gläubigerausschuss mit über den Verlauf des Insolvenzverfahrens wachen.

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