Mein lieber Hayek,
Sie als Marktgläubiger sind doch sicher an den Finanzmärkten engagiert. Nun würde mich brennend interessieren: Auf was würden Sie an den Börsen wohl im kommenden Jahr setzen? Staatsanleihen fallen bei Ihnen freilich weg. Also Firmenanleihen? Oder gar auf den Euro, jetzt wo die Krisenstaaten sich erholen? Oder doch lieber Gold?
Sehr gespannt – John Maynard
Sehr geehrter Herr Keynes,
da muss ich mich wohl geehrt fühlen. Ausnahmsweise wollen Sie mich nicht missionieren, sondern fragen um Rat! Ein Wandel?
Gez. F. A. Hayek
Lieber Hayek,
fühlen Sie sich nicht zu sehr geschmeichelt. Mein Credo für Börsengeschäfte lautete stets „zu erkennen, was der Durchschnittsbürger glaubt, was der Durchschnittsbürger tut“. Ich befinde mich gewissermaßen in der Erhebungsphase.
Herzlichst, Ihr John Maynard
Sehr geehrter Herr Keynes,
im Gegensatz zu Ihnen bin ich ja selbst nie im großen Stil am Aktienmarkt tätig geworden. Ich werde mich daher hüten, Ihnen eine irgendwie geartete Prognose für die Entwicklung an den Börsen zu geben. Ihr „Credo“ allerdings spricht wieder einmal für die Ihnen eigene Arroganz. Sie glauben also, die „Durchschnittsbürger“, zu denen Sie sich natürlich selbst nicht zählen, durchschauen zu können. Dahinter scheint mir eine „Anmaßung von Wissen“ (Hayek 1974) zu stehen.
Ihr F. A. Hayek
Hayek,
ich vergaß. Zwar glauben Sie, dass Märkte perfekt sind. Aber Ihr Geld wollten Sie diesen Märkten dann doch lieber nicht anvertrauen. Nun werfen Sie mir bitte nicht vor, dass ich mir den Irrsinn der Marktbewegungen wenigstens zunutze mache. Quasi als Feldversuch. Am meisten lernt man über die Realität der Finanzmärkte schließlich in der Praxis, nicht in der Theorie zwischen Bücherregalen, Hayek!
Ihr John Maynard
Sehr geehrter Herr Keynes,
dass Sie bisher an der Börse nur Feldversuche betrieben haben, nehme ich Ihnen nicht ab. Immerhin war es ein lukratives Experiment, Sie haben ja Millionen verdient. Aber es liegt mir fern, in einem System tätig zu werden, das wie jetzt wieder mit billigem Geld aberwitzig agierender Notenbanken versorgt wird. Fehlinvestitionen und die nächste Blase werden zwangsläufig die Folge sein. Da bleibt dann tatsächlich nur Gold, um Ihre erste Frage zu beantworten.
Ihr F. A. Hayek
Oh Hayek,
den Notenbanken bleibt doch gar nichts anderes übrig, als in dieser heiklen Phase die Zinsen niedrig zu halten. Inflationsgefahr besteht doch nun wirklich nicht. Und Gold? Ach, Hayek.
Ihr John Maynard
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