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Habecks Charmeoffensive: Warum sich Indien wachsender Beliebtheit erfreut

Bei einem Unternehmensbesuch wird Wirtschaftsminister Habeck (l.) mit einer traditionellen Willkommenszeremonie empfangen
Bei einem Unternehmensbesuch des deutschen Brennstoffzellhersteller SFC Energy wird Wirtschaftsminister Habeck (l.) mit einer traditionellen Willkommenszeremonie empfangen
© Britta Pedersen/dpa / Picture Alliance
Indien statt China: Die deutsche Wirtschaft entdeckt das Riesenland als lukrativen Markt. Von „Dynamik“ und „Momentum“ ist die Rede. Auch Wirtschaftsminister Habeck ist vor Ort, um die Kontakte zu intensivieren 

Bevor Robert Habeck den Firmensitz des deutschen Unternehmens SFC Energy unweit von Neu-Delhi betritt, werden ihm erst einmal Blumengirlanden um den Hals gehängt, Kerzen werden entzündet. Nach diesem Begrüßungsritual in gnadenloser Hitze geht es endlich in das klimatisierte Gebäude. Das Unternehmen aus der Nähe von München fertigt bei Neu-Delhi Wasserstoff-Methanolbrennstoffzellen zur Stromversorgung und arbeitet mit einer indischen Firma zusammen, die der Türöffner für den Markt ist. SFC ist eins von rund 2000 deutschen Unternehmen, die mittlerweile in Indien aktiv sind.

Am Donnerstagmorgen stand Habeck am Rande eines indisch-deutschen Wirtschaftstreffens bereits lächelnd vor indischen und deutschen Flaggen – als Hintergrund für die zwei Vertragsunterzeichnungen des deutschen Freiflächen-Photovoltaik-Unternehmens Next2Sun mit indischen Partnern. „Können Sie vielleicht kurz etwas sagen und erläutern, um was es hier geht?“, fragt Habeck Finanzvorstand Sascha Krause-Tünker mit Blick auf die zahlreich anwesenden Journalisten, „sonst wirkt das hier ziemlich merkwürdig“. Seine Bitte wurde erfüllt.

Während der Besuch von Habeck in Indien die Charmeoffensive der Bundesregierung fortsetzt, hat das Land für die deutsche Wirtschaft stetig an Bedeutung gewonnen. Aus der mitreisenden Wirtschaftsdelegation wird von „Dynamik“ und „Momentum“ geschwärmt - auch wenn zwei Mitglieder gegenüber ntv.de auf die Euphoriebremse treten, vor überzogenen Erwartungen warnen und auf strukturelle Probleme Indiens hinweisen – etwa Bürokratie und Korruption.

Die Gründe für den dennoch verbreiteten Optimismus: Indien ist als bevölkerungsreichstes Land der Welt ein riesiger Markt, der kräftig wächst. Außerdem will sich Deutschland unabhängiger von China machen und sieht Indien als einen Schlüsselpartner – zumal auch Indien in China eine strategische Herausforderung sieht.

Stolz auf G20-Präsidentschaft

Das Land ist zugleich ein sehr selbstbewusster Partner. Indien hat in diesem Jahr die Präsidentschaft der G20 inne, dem Club der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Für die Regierung um Premier Narendra Modi hat das eine große, nicht nur symbolische Bedeutung. Viele Inder sind stolz auf die wachsende Bedeutung ihres Landes. In Neu-Delhi ist das nicht zu übersehen. Das riesige Plakat in der Innenstadt mit dem Slogan „G20 – 1,4 Milliarden Menschen, ein Traum“ und den G20-Aufkleber eines bunten Tuk-Tuk-Taxis, das sich durch den durch Dauerhupen geprägten Verkehr von Indiens Hauptstadt kämpft, eint die Botschaft: Indien ist oben und im Kreis der wichtigsten Länder angekommen.

Der Subkontinent ist aus vielen Gründen für die deutsche Wirtschaft attraktiv – etwa im Bereich der Erneuerbaren Energien. Das Bekenntnis der indischen Regierung, sich von fossiler Energie langfristig zu verabschieden, halten deutsche Unternehmensvertreter für glaubwürdig. Zum einen sind Erneuerbare eine Zukunftstechnologie. Zum anderen will sich Indien unabhängig vom Energieimport machen – und deshalb die erforderliche Energie im eigenen Land herstellen. Hinzu kommt, dass die Folgen des Klimawandels in Indien mit Rekordhitze und heftigen Niederschlägen besonders heftig zu spüren sind.

Schnelle wirtschaftliche Entwicklung ist für Indien – in dem viele Millionen Menschen in Armut leben – besonders wichtig. Deshalb baut das Land trotz des Klimawandels auch 20 Kohlekraftwerke, sogar etwas mehr sind in Planung. Zugleich sollen aber bis 2030 insgesamt 500 Gigawatt erneuerbare Energien hinzugebaut werden – damit das gelingt, muss der Zubau beschleunigt werden. Die deutschen Branchenvertreter sehen darin eine gute Gelegenheit.

Hoffen auf Freihandelsabkommen

Bis zum Jahre 2047 – zum 100. Jubiläum der Unabhängigkeit – will Indien ein Industrieland werden. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, reichen die bisherigen Wachstumsraten nicht aus, obwohl sie höher sind als in China. Die indische Regierung steckt Milliarden in den Ausbau der Infrastruktur wie Flughäfen, Straßen oder digitale Netze.

Spricht man mit deutschen Unternehmern, die in Indien aktiv sind, ist zu hören: Aus ihrer Sicht bieten ihnen Indiens Herausforderungen große Chancen. Hoffnungen setzen sie außerdem auf das Freihandelsabkommen, das die EU und Indien derzeit verhandeln.

Die Hälfte der deutschen Unternehmen, die in Indien investieren, produzieren für den lokalen Markt, nicht für den Export. Was für Indien auch attraktiv ist: Deutsche Firmen stecken immer mehr Geld in Forschung und Entwicklung auf dem Subkontinent. Das Wachstum ist auch deshalb nötig, weil Indien eine junge Bevölkerung hat. Jedes Jahr müssen neue Arbeitsplätze für 10 bis 13 Millionen Menschen geschaffen werden – eine ambitionierte Aufgabe.

Was die deutschen Unternehmen an Indien reize, fasst Stefan Halusa, Chef der Deutschen Außenhandelskammer in einem Wort zusammen: Wachstum.

Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen

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