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Kolumne Geschützt, nicht gerettet

An den Märkten hat Mario Draghi für Ruhe gesorgt, aber die Schuldenquoten vielerorts steigen weiter - zum Beispiel in Spanien. Von Christian Schütte
Christian Schütte
Christian Schütte schreibt an dieser Stelle über Ökonomie und Politik
© Trevor Good

Fast genau zwei Jahre ist es jetzt her, dass Mario Draghi die bösen Geister von den Finanzmärkten vertrieben hat. Mit seinem Satz, die EZB werde um jeden Preis die Währungsunion erhalten – „whatever it takes“ -, stoppte er am 26. Juli 2012 in London die immer wilderen Spekulationen um einen Euro-Crash.

Seither scheint alles auf gutem Weg und zumindest in der deutschen Öffentlichkeit ist die Euro-Krise weitgehend abgehakt. Bei uns ist jetzt erst mal Sommermärchen.

In Wahrheit sind die Ursachen dieser Krise aber natürlich noch lange nicht bereinigt. Weite Teile der Euro-Zone sind immer noch nicht wettbewerbsfähig genug und werden von weiter wachsenden Schulden erdrückt. Draghi hat den Europäern bloß mehr Zeit und Ruhe für die nötigen Anpassungen verschafft. Mühsam und extrem schmerzhaft bleiben die trotzdem.

eine Art Schadensbilanz

Besonders drastisch zeigt das ein Vergleich zwischen dem Euro-Mitglied Spanien und dem Euro-Verweigerer Großbritannien, den der belgische Ökonom Paul de Grauwe kürzlich durchdekliniert hat.

De Grauwe hatte anhand dieses Vergleichs schon 2011 gezeigt, dass die Euro-Staaten extrem verwundbar sind, so lange sie keinen „lender of last resort“ haben - eine gemeinschaftliche Instanz, die ihnen im Notfall unbegrenzt Kredit geben und so Vertrauenskrisen ersticken kann.

Seine aktualisierten Daten sind nun eine Art Schadensbilanz.

Sowohl Spanier als auch Briten konnten vor Beginn der Finanzkrise 2007 recht solide Staatsfinanzen vorweisen, ihre Staatschuld lag jeweils weit unter 60 Prozent des BIP.

Mittlerweile haben auch beide wieder die Kurve zum Aufschwung bekommen: Spanien ist das Vorzeigebeispiel für die Wende in der Euro-Zone, sogar die Arbeitslosigkeit sinkt – wenngleich sie noch immer bei über 25 Prozent liegt.

Britisches Wachstumstempo

Großbritannien war nach der Krise lange G7-Schlusslicht, erst in diesen Tagen erreicht sein BIP preisbereinigt wieder das Niveau von 2007. Die Wirtschaft wächst jetzt aber so schnell wie in keinem anderen großen Industrieland.

Die Zinsen britischer und spanischer Staatsanleihen liegen heute wieder fast gleichauf, so wie vor der Finanzkrise auch schon. Zwischendurch haben sich beide Länder allerdings sehr verschieden entwickelt. Mit gravierenden Folgen auch für die Schuldenquoten.

Die Veränderung des Schuldenstands relativ zum BIP ergibt sich nämlich aus dem Unterschied zwischen dem Wachstumstempo der Schulden und dem Wachstumstempo der Wirtschaft. Ein entscheidender Faktor ist deshalb die Differenz zwischen der Verzinsung der Staatsanleihen und dem nominalen – also in laufenden Preisen gemessenen - Wirtschaftswachstum.

Ist der Zins niedriger als das BIP-Wachstum, drückt das automatisch die Schuldenquote. Ist er höher, dann wirkt das wie ein zusätzlicher Schuldentreibsatz. Der Finanzminister muss umso mehr sparen, um eine Schuldenlawine zu verhindern.

Spaniens Wirtschaft wächst schleppend

Der Vergleich zwischen Großbritannien und Spanien zeigt eindrucksvoll, wie vorteilhaft die eigene Währung für die Briten war. Weil sie abwerten konnten, hielt sich zumindest ihr nominales Wachstum passabel, seit 2010 erreichte es fast immer über vier Prozent. Und weil die Bank of England bereitstand, im Notfall die Anleihen des Finanzministers zu kaufen, blieben für diesen auch die Zinsen niedrig – fast immer unter vier Prozent.

In Spanien schossen die Zinsen dagegen hoch, weil die Anleger das Risiko einer Währungsreform und/oder eines Staatsbankrotts fürchten mussten. Weil Spanien innerhalb des Euro-Raums nicht abwerten kann, muss es zudem seine preisliche Wettbewerbsfähigkeit durch besonders niedrige Teuerung zurückgewinnen. Das nominale Wirtschaftswachstum erreicht deshalb selbst im Aufschwung keine zwei Prozent.

Die höheren Zinsen und das geringere Nominalwachstum haben Madrid gezwungen, einen noch schärferen Sparkurs einzuschlagen als die konservative Regierung in London. Die fiskalische Erfolgsbilanz bleibt aber enttäuschend.

Noch 2012 lagen Briten und Spanier beim Staatsschuldenstand gleichauf. Seither stabilisiert sich die britische Schuldenquote bei etwas über 90 Prozent des BIP. Die Quote Spaniens übersteigt dagegen schon die 100-er-Marke und klettert laut EU-Kommission nächstes Jahr auf über 110 Prozent.

Oder anders gesagt: 2015 wird die spanische um mehr als 20 Punkte über der britischen Schuldenquote liegen – obwohl Madrid bei den regulären Staatsausgaben schärfer gespart hat als London. Die spanische Kombination aus hohen Zinsen und niedrigem Nominalwachstum war (und ist) übermächtig.

Gemessen an den Crash- und Horrorszenarien, die vor zwei Jahren im Raum standen, kann man diese Entwicklung immer noch als das kleinere Übel, ja sogar als einen Erfolg betrachten. Grund zum Feiern hat in Euroland an diesem Jahrestag aber niemand.

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