Anzeige

Reiseveranstalter FTI-Insolvenz: Sicherungsfonds fehlen noch Daten, um Schaden zu ermitteln

FTI-Zentrale in München
Am Montag meldete der Münchener Reiseanbieter Insolvenz an
© dpa | Matthias Balk / Picture Alliance
Der Geschäftsführer des DRSF-Fonds sichert allen Urlaubern Entschädigung zu. Dafür muss FTI aber erst noch Daten übermitteln. Der Bund wird wohl den Großteil seines Geldes verlieren

Mit der Insolvenz des Reiseveranstalters FTI ist vor allem an zwei Ecken finanzieller Schaden entstanden: zum einen bei Urlauberinnen und Urlaubern, die ihre Reise über FTI gebucht und schon bezahlt haben, zum anderen beim Bund, der FTI in der Coronapandemie finanziell ausgeholfen hat. Anders als der Bund sollten zumindest die Urlauberinnen und Urlauber ihr Geld größtenteils zurückbekommen.

Laut FTI beläuft sich der Anteil der Pauschalreisen an den Buchungen auf mehr als 90 Prozent – und diese sind über den Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF) geschützt. „Alle bis zum Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung bei FTI in Deutschland gebuchten Pauschalreisen sind abgesichert“, bestätigt Stefan Mees, Geschäftsführer des DRSF gegenüber Capital. Eine Schätzung der Schadenssumme sei aktuell noch nicht möglich. Durch das vorgehaltene Kapital stehe aber für alle vom Gesetzgeber vorgesehenen Krisenszenarien genug Geld zur Verfügung – auch für eine Insolvenz in der Größenordnung von FTI. Der Umsatz lag zuletzt bei rund 4 Mrd. Euro.

Der DRSF wurde 2021 eingerichtet als Reaktion auf die Pleite des Tourismuskonzerns Thomas Cook 2019. Die vorgeschriebene Haftungssumme in Höhe von 110 Mio. Euro reichte damals nicht aus, um alle Reisenden vollständig zu entschädigen. Das, was der Versicherer von Thomas Cook Deutschland nicht zurückzahlen konnte, musste der Staat übernehmen. Seitdem sind Reiseanbieter mit einem Umsatz ab 10 Mio. Euro verpflichtet, sich bei einem zentralen Reisesicherungsfonds wie dem DRSF für den Insolvenzfall abzusichern.

Die Mittel des DRSF setzen sich aus Sicherheitsleistungen der Reiseveranstalter, Entgeltzahlungen und Kreditrahmen zusammen. In der Regel hinterlegen Reiseveranstalter einen sogenannten Tarifierungsfaktor von 7 Prozent, der sich aus vier verschiedenen Finanzkennzahlen zusammensetzt. Darunter sind etwa die liquiden Mittel, um kurzfristige Verbindlichkeiten zu bedienen. „Je nachdem wie diese Kennzahlen beim jeweiligen Reiseanbieter ausfallen, erfolgen Auf- und Abschläge auf den Regelsatz“, so Mees zu Capital. Der individuelle Tarifierungsfaktor könne zwischen 5 und 9 Prozent betragen. Nach Informationen von Capital hatte FTI Anfang des Jahres den höchstmöglichen Faktor von 9 Prozent hinterlegt – wurde also bereits mit einem höheren Risiko bewertet.

Bund bleibt wohl auf 84 Prozent der FTI-Schulden sitzen

Für den Bund und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dürfte die FTI-Insolvenz einen deutlich größeren finanziellen Schaden bedeuten: Das Unternehmen hat während der Coronapandemie 595 Mio. Euro an Hilfsmitteln aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) erhalten. Während die ebenfalls unterstützten Firmen Tui und Lufthansa ihre Schulden bereits beglichen haben, hat FTI laut „Handelsblatt“ erst 93 Mio. Euro zurückgezahlt. Eine Anfrage zur genauen Höhe ließ FTI unbeantwortet. 

Aus Regierungskreisen ist zu hören, dass sich der Ausfall nach der Insolvenz und unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Rückflüsse voraussichtlich auf rund 84 Prozent beläuft. Das würde 500 Mio. Euro entsprechen. Für eine konkrete Schlussrechnung sei das weitere Verfahren abzuwarten, heißt es. 

Ob der WSF im Insolvenzverfahren das erste Zugriffsrecht auf das vorhandene Vermögen von FTI und Erlöse aus künftigen Verkäufen bekommen soll, ist noch offen. Das Bundesfinanzministerium wollte sich zum laufenden Insolvenzverfahren nicht äußern. Der vorläufige Insolvenzverwalter Axel Bierbach prüft allerdings derzeit, wie das Unternehmen fortgeführt werden kann und sondiert laut FTI auch Möglichkeiten für den Verkauf von Geschäftsbereichen. Das könnte dem Bund möglicherweise einen Teil der ausstehenden Summe zurückbringen. Auf konkrete Fragen von Capital äußerte sich Bierbach zunächst nicht, die Rückholung der Urlauberinnen und Urlauber aus den Zielgebieten habe Priorität. 

DRSF fehlen noch Daten von FTI

Der Sicherhungsfonds braucht noch genaue Zahlen von FTI, um das Ausmaß des Schadens zu ermitteln. „Wir arbeiten eng mit dem betroffenen Unternehmen sowie dem vom Amtsgericht München bestellten Insolvenzverwalter zusammen, um schnellstmöglich Klarheit über alle offenen Fragen zu schaffen, sind dabei aber vom Zugang und der Qualität der vorliegenden Daten abhängig“, sagt DRSF-Geschäftsführer Meers. Sobald FTI die „notwendigen Daten“ übermittelt habe, werde man auf alle Reisenden zugehen, die einen Anspruch geltend machen können.

Offen ist außerdem weiterhin, warum FTI und der US-Investor Certares, der den angeschlagenen Konzern eigentlich übernehmen wollte, kein Kartellverfahren angemeldet hatten. Wie Capital am Dienstag zuerst berichtet hatte, wurde weder beim Bundeskartellamt noch bei der EU Merger Regulation ein Verfahren zur Übernahme angemeldet. 

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel