Simon Johnson ist Professor an der Sloan School of Management des MIT und Mitverfasser von White House Burning: The Founding Fathers, Our National Debt, and Why It Matters to You.
Der US-Kongress hat Präsident Barack Obama das Mandat zur sogenannten beschleunigten Verhandlungsführung für den Abschluss der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) erteilt, einem geplanten überregionalen Freihandelsabkommen zwischen den USA und elf anderen Ländern. Doch Obamas Sieg ist schwer erkämpft: Die Mitglieder seiner eigenen Demokratischen Partei sprachen sich mit überwältigender Mehrheit gegen die Befugnis zur beschleunigten Verhandlungsführung aus, die die Rolle des Kongresses auf die Annahme oder Ablehnung ausgehandelter Handelsverträge beschränkt und Änderungen ausschließt. Das offiziell als „Trade Promotion Authority“ bezeichnete Mandat wurde nur verabschiedet, weil sich Obama auf die seltene Unterstützung der Republikanischen Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses stützen konnte.
Doch die Kritik der Demokraten ist nicht unberechtigt. Sie verlangen von der Obama-Administration, dass das TPP-Abkommen unter anderem internationale Kernarbeitsnormen für alle Beteiligten, ein hohes Maß an Umweltschutz sowie Zugang zu preiswerten Medikamenten umfasst. Wenn die US-Regierung sich diese gut begründeten Forderungen zu Eigen macht, wäre dem Abkommen die Unterstützung beider Parteien sicher. Entschließt sie sich, die Forderungen zu ignorieren, würde das endgültige Übereinkommen sehr viel stärker polarisieren – und vom Kongress mit nur sehr geringer Unterstützung der Demokraten verabschiedet werden.
Schädliche Geheimnistuerei
Obama hat versprochen, dass das TPP-Abkommen das fortschrittlichste Handelsabkommen aller Zeiten sein wird (was machbar ist). Doch die Geheimnistuerei, die praktisch alle Einzelheiten der Verhandlungen umhüllt, erschwert die Bewertung von Behauptungen und Gegenbehauptungen zum jetzigen Zeitpunkt. Erst wenn das Abkommen ausverhandelt ist, wird es komplett veröffentlicht – was jede Verschleierung unmöglich macht.
Der von den Demokraten im Kongress abgesteckte Rahmen ist sehr klar, relativ konkreter Art und gut durchdacht. Tatsächlich wurden in einer Vereinbarung zwischen den Demokraten im Repräsentantenhaus und der Regierung des ehemaligen Präsidenten George W. Bush vom Mai 2007 fast alle zentralen Prinzipien bereits detailliert festgelegt.
2005 stimmten im Repräsentantenhaus nur 15 Demokraten für das Zentralamerikanische Freihandelsabkommen, weil dessen Bestimmungen bei Arbeitsnormen und Umweltschutz zu lasch waren. Dagegen stimmten 2007 im Repräsentantenhaus 109 Demokraten für das Handelsabkommen zwischen den USA und Peru, weil es wie von ihnen gefordert gemäß der Vereinbarung vom Mai angepasst worden war. Und im Oktober 2011 billigte das Repräsentantenhaus das viel diskutierte Freihandelsabkommen zwischen den USA und Korea mit den Stimmen von 59 Demokraten. Der Umfang Demokratischer Unterstützung im Kongress steht und fällt damit, was genau in den jeweiligen Handelsverträgen steht.
Vage Versprechungen nicht hinnehmbar
Die wesentlichen Grundsätze der Übereinkunft vom Mai 2007 sind unkompliziert und schwer abzulehnen: das Recht der Arbeitnehmer auf Bildung von Gewerkschaften, Abschaffung der Kinderarbeit und Verbot aller Formen der Zwangs- oder Fronarbeit einschließlich Menschenhandel. Vage Versprechungen sind in diesen Fragen nicht hinnehmbar; die beteiligten Länder müssen die diesbezüglichen Vorgaben einhalten, bevor ein Handelsvertrag wirksam wird.
Zudem verlangt die Übereinkunft die Einbeziehung bestehender internationaler Umweltstandards in Freihandelsverträge, darunter Regeln zur Umweltverschmutzung und zum Schutz bedrohter Tierarten. Genauso sollten derartige Verträge den fairen Zugang zu pharmazeutischen Patenten und zu den zum Nachweis der Medikamentensicherheit verwendeten Daten fördern. Und die Übereinkunft vom Mai 2007 macht klar, dass „ausländischen Investoren in den USA keine größeren materiellen Rechte in Bezug auf den Investitionsschutz eingeräumt werden als US-Investoren in den USA.“
In einem im Januar 2015 veröffentlichten Artikel und dann erneut in einer bedeutenden Rede im Mai wandte Sander Levin, der höchstrangige Demokrat im Ways and Means Committee des Repräsentantenhauses, diese Grundsätze auf alle noch ausstehenden Fragen in Bezug auf das TPP-Abkommen an.
Es wäre für die Regierung nicht weiter schwierig, Levin und seinen Kollegen das Gewünschte zu geben. Vielleicht werden sich einige Teilnehmer am TPP-Abkommen tatsächlich weigern, ihre Arbeits- oder Umweltstandards zu erhöhen; dann muss sich die Politik allerdings fragen, ob man diesen Ländern den Zugang zum US-Markt erleichtern sollte. In ähnlicher Weise ist der Zugang zu bezahlbaren Medikamenten etwas, das andere Länder verzweifelt brauchen; es sind die großen Pharmaunternehmen, die nicht besonders begeistert sind.
Gefahr von Abwertungswettläufen
Die größte Herausforderung für die Regierung Obama könnte das Problem der Währungsmanipulation sein. Die Demokraten drängen darauf, Interventionen der Zentralbanken am Devisenmarkt, die den Exporteuren ihrer jeweiligen Länder einen Wettbewerbsvorteil verschaffen sollen, zu verbieten oder einzuschränken. Dies ist auch beim TPP-Abkommen ein enormes potenzielles Problem, da ein Abwertungswettlauf alle anderen Vorteile aus dem Handel zunichtemachen kann, was erhebliche negative Auswirkungen auf die US-Beschäftigungslage hätte. Die Regierung muss sich diesen Aspekt dringend zu eigen machen.
Der Begriff „Freihandel“ war noch nie ganz zutreffend. Zwar ist die Logik eines marktgestützten Welthandels bestechend. Aber jeder Markt besteht innerhalb eines konkreten Satzes von Regeln, die nicht zufällig bedingt oder vom Himmel gefallen sind.
Das TPP-Abkommen stellt eine wichtige Gelegenheit dar, bessere internationale Regeln für Handel und Investitionen abzufassen. Aber davon sind wir noch ein ganzes Stück entfernt.
Aus dem Englischen von Jan Doolan
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