Anzeige

Kolumne Finanzielle Inklusion jetzt

Rund 2,5 Milliarden Menschen weltweit sind vom Finanzsystem ausgeschlossen. Ihre Inklusion würde die Entwicklung voranbringen. Das erfordert eine angemessene Regulierung des Finanzsektors. Von Zeti Akhtar Aziz
Figure

Zeti Akhtar Aziz ist seit 2000 Gouverneur der Bank Negara Malaysia (der Zentralbank des Landes).

Wenn man den Ärmsten weltweit Zugang zum Finanzsystem verschafft, kann das deren wirtschaftliches Potenzial freisetzen, ihr Leben verbessern und der Volkwirtschaft insgesamt zugutekommen. Es ist daher nicht überraschend dass die finanzielle Inklusion der Armen zu einem wichtigen Ziel der öffentlichen Politik geworden ist. Zentralbanken und Aufsichtsbehörden weltweit haben als Vorreiter, der finanziellen Inklusion Priorität eingeräumt – neben ihrem traditionellen Auftrag der Wahrung von Geld- und Finanzstabilität.

Bei der finanziellen Inklusion geht es darum, jenen 2,5 Milliarden Menschen weltweit, die nicht über ein Bankkonto verfügen und die finanziell unzureichend betreut werden, eine Chance auf Teilnahme am offiziellen Bankensystem zu eröffnen. Damit soll ein Beitrag geleistet werden, sie aus der Armut zu befreien und in das Wirtschaftsleben zu integrieren. Ihre stärkere finanzielle Teilhabe verspricht einen stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt und mehr Ausgewogenheit bei Wachstum und Entwicklung.

Zudem würden auch die Finanzsysteme selbst von einer stärkeren Ausweitung und mehr Fortschrittsgeist profitieren. Die zusätzlichen am offiziellen Finanzsystem beteiligten Verbraucher könnten die nationalen Volkswirtschaften stärken und so die Weltwirtschaft bereichern. Tatsächlich ist die finanzielle Inklusion ein zentraler Aspekt des weiteren Fortschritts der Entwicklungsländer auf dem Weg zum Status von Ländern mittleren Einkommens.

Ausgewogene Regulierung

In Ländern mit einem hohen Grad an finanzieller Ausgrenzung sind die Verbraucher häufig auf unregulierte Elemente des Schattenbankensystems angewiesen. Dieser minderwertige Ersatz ist für die Kreditnehmer oft mit exorbitanten Kosten verbunden, und mit Krediten, deren Laufzeiten häufig für eine produktive Investitionstätigkeit zu kurz sind. Auch machen mangelnder Verbraucherschutz und das Fehlen von Regulierung und Aufsicht informelle Aktivitäten verwundbar, was Kreditnehmern schaden und die Finanzstabilität gefährden kann.

Die Ausweitung der Verfügbarkeit offizieller Finanzdienstleistungen auf lange Zeit Ausgeschlossene erfordert die Schaffung einer ausgewogenen Regulierung. Repressive, umfassende Regelungen, wie sie in komplexen, unberechenbaren Märkten nötig sein mögen, können in ländlichen Gemeinwesen überflüssig sein oder gar die Bemühungen zur Förderung der finanziellen Inklusion untergraben.

Ein wichtiger Aspekt der Regulierung ist die Verhältnismäßigkeit. Sie macht Vorsichtsmaßnahmen möglich, die den zu bewältigenden Risiken angemessen sind, statt diese zu übersteigen oder zu unterschätzen. Es überrascht daher nicht, dass das hohe Maß an finanzieller Ausgrenzung in den Entwicklungs- und Schwellenländern die Politik veranlasst, eine stärker verhältnismäßige Regulierung zu verfolgen, so Flexibilität zur Förderung von Innovationen bei der Bereitstellung von Finanzdienstleistungen zu gewinnen und zugleich Finanzstabilität zu wahren.

Bangladesch etwa hat seine Finanzvorschriften für Mikrokreditgeber angepasst. Dies hat zu einer Zunahme nachhaltiger Mikrokredite an örtliche von Frauen geführter Unternehmen geführt. Kenias „Test-and-Learn“-Ansatz bei der Regulierung hat – über das M-PESA-System, das den Verbrauchern eine sichere und praktische Alternative zu Bargeld bietet – das Potenzial handybasierter Finanzleistungen erschlossen.

Filiallose Banken

Es gibt noch viele weitere Beispiele einer erfolgreichen Umsetzung verhältnismäßiger Regulierungen, die zu einer stärkeren finanziellen Inklusion geführt haben, ohne die Finanzstabilität zu beeinträchtigen. In Malaysia hat die Regulierung des „Agent Banking“ (die die Interessen der Verbraucher schützt und zugleich die Geschäftsmodelle der Finanzinstitute unterstützt) zur Ausweitung von filiallosen Banken geführt, was nun bisher nicht betreute ländliche Gebiete erreicht hat.

In ähnlicher Weise hat Mexikos „gestaffelter“ Ansatz in Bezug auf den Zugang zum Finanzsystem – bei dem die Anforderungen an die Eröffnung eines Bankkontos auf die damit verbundenen Risiken abgestimmt sind und geringerwertige Konten höheren Transaktionsbeschränkungen unterliegen – den Zugang zu grundlegenden Bankkonten ausgeweitet und zugleich das Geldwäscherisiko beschränkt. Pakistan und Indonesien versetzen Mikrokreditinstitute in die Lage, bestimmte Marktnischen nachhaltig zu betreuen, indem sie die Kapitalanforderungen an die Größe der zu betreuenden Bevölkerung koppeln.

Die Politik hat sich in jüngster Zeit in vielen Ländern mit der Rolle der standardsetzenden Gremien (Standard Setting Bodies, SSB) bei der Ausweitung der finanziellen Inklusion befasst. Insbesondere konzentriert sie sich auf die konkreten Herausforderungen, die bei der Anwendung von Aufsichtsnormen in um Finanzstabilität und finanzielle Inklusion bemühten Entwicklungsländern auftreten.

Obwohl globale Normen vorgeblich die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit widerspiegeln, bieten sie nationalen Regulierungsstellen, Bankinstituten und Prüfstellen des Finanzsektors, die versuchen, sie in stark unterschiedlichen Umfeldern zur Anwendung zu bringen, keine ausreichende Orientierungshilfe. Dieser Mangel an kontextbezogener Klarheit hat zu einer übertrieben konservativen Auslegung der Regeln geführt – und damit zur Schaffung unbeabsichtigter Barrieren für die finanzielle Inklusion. Dem zu begegnen, erfordert Anregungen politischer Entscheidungsträger mit praktischer Erfahrung bei der Anwendung internationaler Normen, insbesondere in den Schwellenländern.

Zugleich müssen Entwicklungs- und Schwellenländer eine größere Rolle bei der Ausformung künftiger Normen spielen, um anhaltende Fortschritte in Richtung finanzieller Inklusion zu gewährleisten. Die „Alliance for Financial Inclusion“, ein Netzwerk von Zentralbankern und Finanzpolitikern aus mehr als 80 Entwicklungsländern, trägt bereits zu einer effektiveren und verhältnismäßigeren globalen Regulierung bei, indem sie verstärkte Kontakte zu den Regulierungsstellen unterstützt. Im September wird die Notenbank von Malaysia diesen Prozess durch Ausrichtung des AFI Global Policy Forum vorantreiben.

Solche gemeinsamen Anstrengungen seitens der Entwicklungsländer fördern letztlich eine engere Zusammenarbeit zwischen diesen und ihren entwickelten Ansprechpartnern. Dies wird zu besseren Ergebnissen für das globale Finanzsystem, die globale Realwirtschaft und insbesondere die viel zu lange von beiden ausgeschlossenen Menschen führen.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

Copyright: Project Syndicate, 2013.
www.project-syndicate.org

Mehr aus unserer Top-Ökonomen-Reihe: Die Türkei im Sturm des Nahen Ostens und Lang lebe Chinas Boom

Neueste Artikel