Das Optiker-Imperium von Brillenkönig Günther Fielmann
Sein erstes Fachgeschäft eröffnet Günther Fielmann vor mehr als 50 Jahren in Cuxhaven. Seine Idee 1972: Brillen zu günstigen Preisen anbieten. Fielmann wusste, dass die meisten Optiker ein Vielfaches auf den Einkaufspreis von Brillenmodellen aufschlugen. Die günstigen Preise, die er seinen Kunden bot, bedeuteten aber erst einmal deutlich geringere Margen für ihn. Für den dauerhaften Erfolg musste sein Unternehmen also eine gewisse Größe haben. Schon zwei Jahre nach der Eröffnung hatte Fielmann sieben Geschäfte. Das Foto zeigt sein erstes Brillen-Geschäft in Cuxhaven
Anfang der 1980er Jahre schafft Günther Fielmann mit seinem jungen Unternehmen den Durchbruch. Er revolutioniert die sogenannte Kassenbrille – jene Brille, die von der Krankenkasse bezahlt wurde, aber nicht gerade modisch aussah. Wer ein schickeres Gestell wollte, musste bis 1981 tief in die Tasche greifen. Doch Fielmann gelingt ein Deal mit der großen Krankenkasse AOK. Seither können sich auch Kassenpatienten moderne Modelle leisten, weil Fielmann sie ohne Zuzahlung verkauft. „Bis dahin musste jeder Brillenträger den Nachweis seines geringen Einkommens auf der Nase tragen“, sagte Fielmann einmal. Fortan gibt es „Brillen zum Nulltarif“ – und einer von vielen legendären Werbeslogans der Fielmann-Gruppe war geboren. Schon 1983 eröffnet Fielmann eine Filiale, in der Kunden zwischen 7000 Brillen wählen können
1994 bringt Fielmann sein Unternehmen an die Börse. Die Internationalisierung beginnt, soll aber insgesamt hinter den Erwartungen zurückbleiben. Die Fielmann-Aktie ist heute im deutschen SDAX gelistet. In den vergangenen Jahren hat sie jedoch gelitten. Der Schlamassel begann im zweiten Quartal 2022. Im Zuge einer sich verschlechternden Konjunktur in Verbindung mit steigenden Kosten, blieb der Firma immer weniger Geld in der Kasse übrig. Zuletzt sah es aber nach einem Comeback der Aktie 2024 aus. Auf dem Foto ist Günther Fielmann mit einer überdimensional großen Aktie am ersten Tag der amtlichen Notierung in der Hamburger Börse zu sehen
Günther Fielmann will den Brillenkauf für Kundinnen und Kunden zum Erlebnis machen. Seine Optiker-Geschäfte erinnern daher nicht mehr wie früher üblich an schnöde Apotheken, sondern eher an schicke Boutiquen. Die Branche fühlt sich anfangs von dem modernen Konzept, den attraktiven Preisen und oft provokanten Werbeaktionen attackiert. Doch Günther Fielmann spornt das erst recht an. „Wenn die Branche mich in den Anfangsjahren nicht so hart angegangen wäre, dann wäre ich vielleicht so ein Optiker mit fünf, sechs Filialen geworden“, wird er zitiert. Heute rühmt sich das Unternehmen damit, Brillenmodelle demokratisiert zu haben, was die „historische Leistung unseres Unternehmensgründers“ sei. Seinen Hang zur Mode stellt Fielmann durchaus zur Schau. Regelmäßig posierte Fielmann mit Models – hier 2005 nach der Bilanzpressekonferenz seines Unternehmens
Fielmann arbeitet viel und stellt das Privatleben lange hinten an. Mit 48 Jahren heiratete er seine Frau Heike, sie 29 Jahre jünger als er. Das Paar hatte sich in der Zentrale des Unternehmens kennengelernt, wo Heike als Brillenmodel gearbeitet hatte. Die Ehe hielt fast 13 Jahre. Dass er seine Kinder Marc und Sophie-Luise erst in fortgeschrittenem Alter bekam, bereute Fielmann später. Das Foto zeigt ihn 1991 mit seiner Ehefrau Heike
Fielmanns eigener Vater, ein Oberstudiendirektor, war streng. Geboren in dem kleinen Ort Stafstedt mitten in Schleswig-Holstein, wollte Fielmann als Jugendlicher eigentlich Fotograf werden. Doch sein Vater drängte ihn zu einer Optiker-Lehre – letztlich die richtige Wahl, gab Fielmann Jahre später zu. Er bestand die Prüfung mit Auszeichnung, arbeitete in verschiedenen Betrieben im In- und Ausland und wurde Optikermeister. Schließlich wechselte er als Handelsvertreter in die Industrie und beschloss dabei, sich selbstständig zu machen. Dieses Foto zeigt Günther Fielmann mit seiner Tochter Sophie-Luise und seiner Lebensgefährtin Beate Ludwig im Mai 2014
In einem Porträt über Fielmann heißt es, sein Vater hätte ihn „keine Gedanken an schöne Dinge verschwenden“ lassen, „also durfte Günther Fielmann auch keine haben“. Später machte der Patriarch sich das Leben dafür umso schöner. Er besaß teure Antiquitäten und kaufte 1998 das Herrenhaus am Schierensee von der Verlegerwitwe Friede Springer. 2002 erwarb Fielmann außerdem vom Land Schleswig-Holstein das Schloss Plön, hier zu sehen. Seit 2005 ist dort die Fielmann-Akademie untergebracht, eine öffentliche Ausbildungsstätte für angehende Optiker.
Der „Welt am Sonntag“ sagte Fielmann einmal, es gebe auch „eine Welt neben der Augenoptik“. So engagierte er sich für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Naturschutz. Bei aller Liebe zur Natur, hatte er außerdem eine große Leidenschaft für Ferraris: „Ein wenig Unvernunft darf sein“, erklärt er. „Der Ferrari ist eine Urgewalt, und eine schöne dazu. Mein positives Karma sammle ich im Umweltschutz. Wir pflanzen für jeden Mitarbeiter jedes Jahr einen Baum.“
Gegenüber Mitarbeitenden soll Fielmann durchaus ruppig gewesen sein. Der Biograph Harald Czycholl berichtet sogar von geworfenen Stühlen. Gesprächspartnern soll er gelegentlich die Brille abgenommen haben, um sie neu zu richten. Sozialen Werten habe sich der Patriarch aber stets verpflichtet gefühlt.
Zu sehen ist Fielmann hier mit Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel 2012 bei einer Feier in der Fielmann-Akademie auf Schloss Plön
Fielmann galt als großer Naturliebhaber. Bis heute hat sein Unternehmen weit mehr als eine Million Bäume gepflanzt. 1989 gründete Günther Fielmann außerdem den Betrieb Hof Lütjensee, zu dem mittlerweile fünf Höfe mit Bioland gehören. Jeder von ihnen übernimmt eine spezielle Aufgabe: Es werden vom Aussterben bedrohte Haustierrassen gezüchtet, Futter für die Tiere auf den anderen Höfen angebaut und mit der Uni Kiel sogar dazu geforscht, wie die Umstellung von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft gelingen kann
Auch wenn es seit dem Börsengang 1994 ein festes Management im Unternehmen gibt, trifft Günther Fielmann die wichtigsten Entscheidungen lange immer noch selbst. Selbst fast 50 Jahre nach Eröffnung der ersten Filiale ging angeblich noch jedes neue Brillenmodell durch seine Hände. Bis 2019 steht er an der Spitze seines Unternehmens, insgesamt 47 Jahre.
Doch kaum etwas war Fielmann so wichtig, wie sein Lebenswerk innerhalb der Familie zu übergeben. Deswegen hatte er erste Führungsaufgaben bereits in den vergangenen Jahren an seinen Sohn Marc (r.) übertragen. Der 34-Jährige wurde 2016 Vorstandsmitglied, verantwortete mehrere Jahre den Bereich Marketing und führte das Unternehmen von 2018 an gemeinsam mit seinem Vater. Ende 2019 übernahm er schließlich die alleinige Führung
Laut „Forbes“ besitzt die Familie Fielmann ein Vermögen von 4,6 Mrd. US-Dollar und hält über 70 Prozent der Aktien am Unternehmen, das an der Börse fast 4 Mrd. Euro wert ist. 2012 überführte Günther Fielmann die Mehrheit der Anteile an der Fielmann AG in eine Familienstiftung. In Lütjensee lebte Fielmann bis zuletzt, als Ehrenbürger des Landes Schleswig-Holstein.
Der Patriarch machte die Optikerkette mit einer breiten Produktpalette und innovativen Ideen zum Optiker Nummer eins – in Deutschland, aber auch in Zentraleuropa. Hierzulande hat Fielmann einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent und weltweit 28 Millionen Kundinnen und Kunden. Das Unternehmen deckt die gesamte Wertschöpfung der Augenoptik ab vom Design über die Produktion bis zur Filiale. Mittlerweile gehören zu Fielmann mehrere Marken, auch in Nordamerika. Dorthin expandierte das Unternehmen 2023, indem es den Einzelhändler „SVS Vision“ und das Digital-Startup „Befitting“ übernahm