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Luftfracht Dieses System soll helfen, in der Luftfracht den Überblick zu behalten

Neben dem Container-Business ist die Luftfracht eine der Säulen des Welthandels.
Neben dem Container-Business ist die Luftfracht eine der Säulen des Welthandels.
© Jochen Tack / IMAGO
Wer den Weg einer Luftfracht verfolgen will, verliert leicht den Überblick. Das Unternehmen Bluebox Systems hat ein Tool entwickelt, mit dem sich das ändern soll – und das auch dem Klimaschutz dient

Wir leben in einer Welt, in der man jede Bestellung digital verfolgen kann. Den Lebenszyklus einer Pizza etwa können wir vom Ofen bis zum Esstisch auf dem Smartphone miterleben. Jede Amazon-Order kann ein Kunde minutengenau tracken. Doch da, wo diese Nachverfolgung besonders wichtig wäre, geht das bisher nur mit großem Aufwand: in der Luftfracht.

Zugegeben, der Vergleich zwischen einer Pizza, die einmal quer durch das Stadtviertel geradelt wird und einer Sendung Mangos, die aus Südostasien mit dem Flugzeug nach Europa kommt, hinkt. Die Frage ist nur, wäre es hier nicht eigentlich viel wichtiger? Denn immerhin fliegen nicht nur Mangos von Asien um die Welt, sondern auch Bauteile für Autos. Und die müssen manchmal nicht nur just in time , sondern sogar just in sequence an Ort und Stelle sein. Sonst stehen die Bänder still. Und stillstehende Bänder bedeuten schnell einen Millionenverlust.

Luftfracht wird auf jedem Flughafen anders behandelt

Diese Frage hat sich auch Martin Schulze gestellt. Schulze ist der Geschäftsführer von Businesscode, einem Unternehmen, das Software-Lösungen für die Logistik-Branche anbietet. Businesscode sitzt in Bonn. „Das verrät auch einen unserer größten Kunden“, sagt er. Jetzt hat Schulz noch ein Start-up gegründet, ein Spin-off seines Unternehmens, wenn man so will. Und das hat nur ein Ziel: dem Chaos in der Luftfracht Herr zu werden.

Martin Schulze
Martin Schulze
© Bluebox Systems

Will man sich dem nähern, was Schulze vorhat, muss man sich vergegenwärtigen, um was es eigentlich geht. Bleiben wir dafür in der Automobilbranche. Bestellt etwa Audi in Ingolstadt Siliziumchips bei einem Hersteller in Taiwan, werden diese nicht von einem Spediteur abgeholt, sondern potenziell von vielen. Sie landen auch nicht in den Flugzeugen einer Airline. Diese Flugzeuge fliegen auch nicht alle dieselbe Route, sie haben nicht dieselben Zwischenstopps. Und auf den verschiedenen Flugplätzen gibt es unterschiedliche Prozesse.

Mal braucht es etwas länger, mal geht es schneller. Kurz: Man kann sich das Ganze als einen dynamischen Regelungsprozess vorstellen. Da den Überblick zu behalten ist kompliziert und kostet Zeit. Denn: Bisher muss man diese Daten auf den Seiten jedes Logistik-Dienstleisters einzeln zusammensuchen. Das kostet Zeit. Und Zeit ist eine der knappsten Ressourcen in dieser Branche.

„Wir geben den in der Supply Chain arbeitenden Mitarbeiter die Zeit zurück“, sagt auch Henning Pottharst. Er ist Product Manager bei Hellmann Logistics, einem der Giganten in der Branche. Pottharsts Job ist es, die Logistik zu digitalisieren. In der Seefracht haben er und sein Team schon ein ähnliches Projekt angeschoben. Das amerikanische Unternehmen Project44 hat ein Werkzeug entwickelt, mit dem man den Überblick über den Container-Markt behalten kann. Jetzt gehört Hellmann zu einem der ersten Kunden von Bluebox Systems.

Überall ein Datenpunkt

Man kann sich das so vorstellen: Bluebox Systems hat die Software entwickelt. Hellmann hat sie eingekauft und bietet sie nun seinen Kunden an. In dem Programm werden alle wichtigen Daten, die auf der Reise eines Produktes rund um den Globus generiert werden, in einem Interface zusammengefasst. Waren, die etwa von Taiwan aus nach Europa gehen, werden mit einem Barcode versehen. Überall, wo der gescannt wird, entsteht ein Datenpunkt, der dann in der Software angezeigt wird. Das ist das eine.

Henning Pottharst
Henning Pottharst
© Hellmann Logistics

Das andere ist, dass Unternehmen, die auf Luftfracht zurückgreifen, nun auch sehen können, welche Routen ihre Waren wirklich genommen haben, in welchen Flugzeugen ihre Güter oder auch nur Teile der Bestellung gesteckt haben, wie lange sie auf welchem Flughafen festgesteckt haben, wo der Zoll oder die Abfertigung mehr oder weniger Zeit in Anspruch genommen hat. „Das ist natürlich dann besonders wichtig, wenn es um gekühlte Produkte geht“, sagt Pottharst. Denn eine Ladung Medikamente, die zu lange in einem Flughafen in der Wüste festgehangen hat, kann schnell dahin sein.

Denn im Flugzeug landen auch heute nur Dinge, die eine hohe Priorität haben oder teuer sind. 80 Prozent aller Waren werden per Schiff transportiert, was aber nur 70 Prozent des Warenwerts entspricht. Im Jahr 2018 wurden 63,3 Milliarden Tonnen mit dem Flugzeug transportiert. Seit 2019 aber beobachten Brancheninsider weltweit höhere Handelshürden. Zudem sind mit der Coronakrise viele Frachtkapazitäten weggefallen. Denn rund die Hälfte aller Güter landet in den Frachträumen regulärer Passagiermaschinen. Dennoch: Jetzt, da die Welt wieder mehr Waren braucht und auf den Weltmeeren Chaos herrscht, steigt die Bedeutung der Luftfracht wieder.

CO2 wird für Luftfracht zum Preisfaktor

„Wir können jetzt die gesamte Lieferkette nicht nur darstellen, sondern auch analysieren“, sagt Schulze. Längst geht es dabei nicht mehr nur darum, welche Airline welche Route nimmt und am schnellsten ist. Es geht auch darum, welchen Flugzeugtyp sie einsetzt. Denn auch in der Logistik, vor allem in der Luftfracht, wird der ökologische Fußabdruck einer Sendung immer wichtiger. Die Daten darüber, welche Airline welches Flugzeug einsetzt, nimmt sich Bluebox von einem Anbieter wie Flight-Radar. „CO2 wird immer mehr zu einem Preisfaktor“, sagt Schulze. Sein Programm ermittelt für jedes Sendungssegment den Flugzeugtyp und die genaue Route. Das ermöglicht es den Unternehmen, den reellen CO2-Fußabdruck einer Ware zu ermitteln.

Martin Obermaier
Martin Obermaier
© Siltronic

Natürlich ist damit noch längst kein Klimagas eingespart. Doch die Unternehmen bekommen nun erstmals ein Tool an die Hand, mit dem sie sehen können, welchen Impact ihre Lieferketten haben. Das wiederum kann Airlines unter Druck setzen, sich entweder für kürzere Routen zu entscheiden oder ihre Flotten zu modernisieren. „Jetzt kann ich mich für eine Airline entscheiden, die nicht mehr mit einem Flieger von 1980 fliegt, sondern mit einem von 2020“, so Schulze.

Ein Unternehmen, das gerade mit dem Gedanken spielt, das System einzusetzen, heißt Siltronic und sitzt in Burghausen Bayern. „Wir sind ein global agierendes Unternehmen und haben da auch eine gewisse Verantwortung“, sagt Martin Obermaier vom Logistics Competence Center von Siltronic. Sein Unternehmen verschickt Reinstsiliziumscheiben um den Globus, die zur Herstellung von Computerchips gebraucht werden. CO2-Berechnungen seien bisher meist ungenau, sie seien „eher als Annäherung zu verstehen", sagt er.

Bisher waren Daten ungenau

Greifbare Informationen über die gesamte Klaviatur der Sendungen seien bisher kaum möglich, dafür sind die Lieferketten zu komplex. Bisher würden diese Rechnungen hauptsächlich von Dienstleistern angeboten, doch deren Berechnungen seien intransparent und über die verschiedenen Routen hinweg auch schlichtweg ungenau. Wenn jetzt alles auf einer Plattform angezeigt würde, könnte sein Unternehmen daraus schneller strategische Ableitungen ziehen.

Noch ist der CO2-Fußabdruck längst nicht der einzige Faktor, der darüber entscheidet, über welche Kanäle Unternehmen ihre Waren transportieren lassen – das aber kann sich ändern, wenn etwa auf dem Klimagipfel in Glasgow entschieden werden sollte, dass genaues CO2-Tracking Pflicht wird. Tools, wie Bluebox können dann dabei helfen, dass das auch funktioniert. Und vielleicht machen sie das Tracking großer Warenströme auch irgendwann so einfach wie bei einer Pizza.

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