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Kolumne Die Tücken der neuen Audi-Strategie

Bernd Ziesemer
Bernd Ziesemer
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Der neue Audi-Chef Bram Schot greift in Ingolstadt durch. Was der Holländer macht, ist richtig. Aber trotzdem auch gefährlich. Bernd Ziesemer über den neuen Kurs des Premiumherstellers

Weniger Modellvarianten, weniger eigene Entwicklungen, weniger Verschwendung, weniger Bürokratie und weniger Beschäftigte gleich mehr Erfolg und mehr Geld in der Konzernkasse. So könnte man die Rechnung des neuen Audi-Chefs Bram Schot zusammenfassen. Es gibt viel zu tun in Ingolstadt und der Mann aus Rotterdam zögert nicht, die Dinge anzupacken, die unter seinem bedrängten und zuletzt ratlosen Vorgänger Rupert Stadler liegen geblieben sind. Man merkt, es weht ein neuer Wind durch die Audi-Zentrale. Und es gibt kaum jemanden, weder innerhalb des Konzerns noch außerhalb, der Schots Kurs nicht irgendwie gut findet. Selbst die Betriebsräte machen mit, auch wenn für sie der geplante Abbau von ziemlich viel Personal nicht leicht zu schlucken ist.

Hinter viele Punkte der neuen Strategie kann man schnell einen Haken machen. Warum soll Audi nicht zehn Prozent der Führungskräfte streichen? In den letzten Jahren ist die Zahl der Manager schneller gestiegen als die Kopfzahl der Belegschaft insgesamt. Alle Branchenkenner wissen seit Jahren, dass sich der gesamte VW-Konzern mit zu viel Verwaltungsaufgaben beschäftigt und zu wenig mit Innovationen. Das gilt gerade auch für Audi, wo der berühmte „Vorsprung durch Technik“ über die Jahre verloren gegangen ist.

Richtig ist auch der geplante Verzicht auf einige Nischenmodelle. Warum musste es den Audi A3 beispielsweise sowohl mit drei als auch mit fünf Türen geben, sowohl als Sportback als auch als Limousine mit Stufenheck, als Cabriolet und Sportcoupé – und die ganze Palette beim VW Golf, dem Schwestermodell, natürlich auch noch einmal in ganzer Pracht? Der Trend in allen Autokonzernen geht gegenwärtig dahin, den Wildwuchs zu reduzieren, den es früher auch nicht gab und den man sich in den schönen hochprofitablen Zeiten der Nuller Jahre einfach leisten konnte, heute aber nicht mehr.

Audi muss unterscheidbar bleiben

Deutlich gefährlicher könnte ein anderer Punkt auf der To-Do-Liste des neuen Audi-Chefs werden. VW liegt den Managern in Ingolstadt seit langem in den Ohren, mehr Gleichteile aus dem großen Konzernregal zu verwenden und Eigenentwicklungen zu reduzieren. Doch Audi unterscheidet sich von den VW-Schwestermodellen vor allem durch viele kleinere Spielereien, edlere Innenraummaterialien, digitale Gimmicks und einen Hauch von Luxus. Nur so bleibt die Edelmarke unterscheidbar – und teurer verkaufbar. Denn jeder Käufer weiß: Die technische Plattform des Audi A3 unterscheidet sich nicht vom VW-Golf und vom Skoda Octavia. Alles stammt aus dem berühmten Querbaukasten des Konzerns.

Die Billigmarke Skoda ist der Mittelmarke VW so bereits gefährlich nahegerückt, woraus sich alle möglichen Probleme ergeben. Von oben hielt Audi dagegen bisher auf einen größeren Abstand zu den Massenmodellen. Der geplante Verzicht auf viele eigene Teile könnte für Audi deshalb langfristig gefährlich werden, auch wenn er sich kurzfristig sehr gut auf die Bilanz in Ingolstadt auswirkt. In seinem vorherigen Leben als Marketing-Mann widersetzte sich Bram Schot allen Versuchen, die Eigenständigkeit von Audi einzuschränken. Als CEO soll sich der Holländer nun anders positionieren. So will es die Führung des Gesamtkonzerns und so steht es verklausuliert auch in seiner neuen Strategie. Man darf auf die künftige Gratwanderung gespannt sein.

Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint jeden Montag auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen .

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