Wollte man gemein sein, dann könnte man sagen: Immer wenn Bayer-Chef Werner Baumann ein großes Interview gibt, stürzt am Tag danach die Aktie seines Konzerns weiter ab. Zum Auftakt dieser Woche war es mal wieder so weit: Erst erschien in der „Frankfurter Sonntagszeitung“ ein langes Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden, dann rauschte am Montag die Notierung an den Börsen um mehr als fünf Prozent nach unten. Dabei war in dem Baumann-Interview nichts Neues zu hören: Der Kauf von Monsanto sei eine „gute Idee“ , die Entscheidung „war und ist“ seiner Meinung nach „richtig“, Bayer werde die Prozesse in den USA am Ende alle gewinnen, der Verfall der Aktie sei eine „Übertreibung“.
Alle diese Aussagen sind falsch – bis auf die letzte. Natürlich neigen die Anleger dazu, die Risiken höher zu bewerten als sie sind. Die Analysten rechnen so: Im jetzigen Kurs der Bayer-Aktie sind rund 30 Mrd. Euro an Verlusten aus den Glyphosat-Prozessen bereits eingepreist. Das ist selbst in den USA eine sehr große Summe. Sie reicht aus, um vielen Klägern einen hohen Schadenersatz zu zahlen. Am Ende der Prozessserie dürfte mit sehr großer Wahrscheinlichkeit – wie fast immer in den USA – ein Vergleich stehen. Eigentlich hätte die Nachrichtenlage vom Montag genau diesen Zusammenhang bei Glyphosat ins Bewusstsein der Anleger zurückrufen können – gab Bayer doch just an diesem Tag einen Vergleichsvorschlag in der Auseinandersetzung mit seinem Blockbuster-Medikament Xarelto bekannt. Den Rechtsstreit mit Tausenden von US-Klägern will Bayer mit der Zahlung von 775 Mio. Dollar beilegen – und die Hälfte kommt sogar noch vom amerikanischen Vertriebspartner der Deutschen. Ein Klacks für die Bilanz des Konzerns.
Langes juristisches Tauziehen um Glyphosat
Warum löste diese – eigentlich doch positive – Nachricht dann gemeinsam mit dem Interview Baumanns vom Vortag trotzdem einen Kurssturz aus? Weil sie den Anlegern schlagartig vor Augen führte, wie lang sich die ganz Glyphosat-Misere noch hinziehen kann. Im Fall von Xarelto begannen die juristischen Streitereien um die gefährlichen Nebenwirkungen des neuen Blutgerinnungshemmers bereits unmittelbar nach seiner Zulassung im Jahr 2008. Obwohl die Bayer-Anwälte in den allermeisten Fällen sofort als Sieger aus den Gerichtssälen nach Hause gingen, dauerte es zehn lange Jahre bis zum jetzigen Vergleichsvorschlag. Ob damit ein Ende absehbar ist, weiß noch niemand.
Vorstandschef Baumann erweckt jedoch durch seine markigen Äußerungen („Mit einer vollen Hose gewinnt man keinen Marathonlauf“) den falschen Eindruck, dass sich schon bald alles zum Allerbesten wendet. So schraubt der Konzern die Erwartungen mit jedem neuen Prozess weiter in die Höhe – und verstärkt damit den Druck weiter, wenn es anders als erwartet kommt. Gute Kommunikation sieht irgendwie anders aus.
Für die Aktie folgt daraus: Wer grundsätzlich an den Konzern glaubt, kann sich trotzdem mit dem Wiedereinstieg Zeit lassen. Denn kurzfristig bleibt der Druck nach unten stark. Dafür sorgt allein schon Glyphosat – von den vielen anderen Baustellen im Konzern einmal abgesehen .