Jahrelang dümpelte der Aktienkurs von Rheinmetall unter der 100-Euro-Linie dahin. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine aber verdreifachte sich der Wert der Anteilscheine. Der Rüstungskonzern weist jetzt ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 25 aus. Auf einen so hohen Wert kommen normalerweise nur Unternehmen, denen man künftig viel Wachstum zutraut. Und auf den ersten Blick entspricht Rheinmetall auch dieser Erwartung: Der Düsseldorfer Konzern konnte seinen Auftragsbestand in den letzten Monaten um 42 Prozent auf jetzt 37 Mrd. Euro erhöhen. Und so soll es auch weitergehen, wie man in der vergangenen Woche von Vorstandschef Armin Papperger hören konnte.
Ob sich Rheinmetall damit auch langfristig in der Riege der führenden internationalen Rüstungskonzerne halten kann, ist damit jedoch noch keineswegs ausgemacht. Die Wachstumstreiber des Konzerns kommen fast alle aus Feldern, die man als die „alte Rüstungsindustrie“ bezeichnen kann: Das Unternehmen liefert Munition (vor allem für die Ukraine) und Panzer (vor allem für die Bundeswehr). Doch die globale Nachfrage dürfte sich in den nächsten Jahren mehr und mehr auf die Erzeugnisse der „neuen Rüstungsindustrie“ verlagern: Drohnen (sowohl in der Luft als auch auf See), Laser, Cybertechnologie, Digitalisierung. Rheinmetall spielt dabei teilweise auch mit – aber weltweit nicht in der ersten Reihe.
Rheinmetall verzettelt sich auf zu vielen Feldern
Um nur ein Beispiel zu nennen: Der Bedarf an noch präziseren Raketensystemen und Bomben steigt. Das ist eine Folge der Erkenntnisse, die sich aus dem Ukrainekrieg und noch viel mehr aus dem Kampf Israels gegen die Hamas im Gazastreifen ergeben. Die israelische Armee setzt bei ihren Schlägen gegen Tunnelsysteme der Terroristen im dichtbesiedelten Raum Kurzstreckenraketen ein, die mit einer Genauigkeit treffen, die man sich vor zwei Jahren noch nicht vorstellen konnte. Und sie setzt inzwischen künstliche Intelligenz in hohem Maße zur Identifizierung von Zielen ein.
Rheinmetall profitiert von der plötzlichen Nachfrage nach konventionellen Waffen. Der Umsatzboom überdeckt damit kurz- und mittelfristig die Schwachstellen des Unternehmens. Rheinmetall verzettelt sich auf zu vielen Feldern und produziert an zu vielen Standorten. In den Jahren, als die deutsche Rüstungsindustrie auf dem unaufhaltsamen Weg in den endgültigen Niedergang schien und so gut wie keine größeren Bundeswehraufträge mehr hereinkamen, verlegte der Konzern außerdem seine Investitionen auf den Zivilbereich (vor allem die Autoindustrie). Langfristig sollte sich das Unternehmen von diesen Bereichen verabschieden, wenn es in der Rüstungsindustrie vorn mitspielen will.
Allerdings muss auch die deutsche Politik entsprechende Weichen stellen. In der Vergangenheit war sie hauptsächlich damit beschäftigt, das Leben der deutschen Rüstungsunternehmen schwer zu machen. Vor allem durch restriktive Exportauflagen, die Kooperationen mit französischen oder britischen Konzernen nahezu unmöglich machten. Wenn sich Verteidigungsminister Boris Pistorius mit seiner Forderung durchsetzt, Deutschland wieder „wehrfähig“ zu machen, dann folgt daraus auch ein anderer Umgang mit Unternehmen wie Rheinmetall. Doch der Widerstand in seiner eigenen Partei gegen diese Linie ist groß. Und wo Kanzler Olaf Scholz steht, weiß wieder niemand so genau.