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Gastbeitrag Die NFT-Revolution geht auch den deutschen Mittelstand etwas an

NFT-Kunst bei Christie's in New York
NFT-Kunst bei Christie's in New York
© IMAGO / UPI Photo
NFTs sind der Digital-Hype der Stunde. Ihr wirtschaftliches Potenzial ist noch kaum absehbar. Aber selbst der deutsche Mittelstand sollte sich mit NFTs beschäftigen, glaubt Gastautor Tobias Stamatis

„Bored Apes“ – gelangweilte Affen – sind ein Statussymbol. Nicht für Zoobetreiber, sondern für Social-Media-affine Nutzerinnen, die damit ihre Profile schmücken. Die Affen sind Unikate, rein virtuell und kosten sechs- oder siebenstellige Dollar-Summen. Ihr Geheimnis: Sie sind sogenannte NFT, kurz für Non-Fungible Token. Was NFTs so besonders macht, verrät bereits der Name – die Affen sind nicht austauschbar, sondern so eindeutig zuordenbar wie ein Fingerabdruck.

Aufgrund der Technologie hinter den NFTs, der Blockchain, ist immer klar nachzuvollziehen, wem der jeweilige digitale Bored Ape gehört. In der Blockchain sind die Inhaberschaften eindeutig gespeichert und sämtliche Verkaufsprozesse transparent. Doch wer denkt, dass NFTs bloß eine Technologie der Statussymbole und „Bored Apes“ sowie „Cryptopunks“ einzig die Prestigeprojekte einer digitalen Elite sind, der täuscht sich. Denn was mit NFT einhergeht, ist nichts weniger als eine digitale Revolution.

Die Geschäftsmodelle rund um NFTs sind grenzenlos

Gegenwärtig dominieren bei NFTs vor allem zwei Nutzungsszenarien: Einerseits eben der Kauf und Verkauf von digitalen Produkten wie digitalen Affen und Punks, aber auch virtuellen Gucci- oder Hugo-Boss-Produkten. Andererseits lässt sich die Technologie auch einsetzen, um digitale Communitys aufzubauen, da sich exklusive Mitgliedschaften bzw. Zugänge an die NFTs koppeln lassen. Auf diesen Community-Gedanken setzt etwa der bekannte Unternehmer Gary Vaynerchuk, der an seine NFT-Kollektion „VeeFriends“ beispielsweise den Zugang zu Konferenzen bindet.

Beide Anwendungsszenarien lassen sich im ersten Schritt leicht von anderen Marken und Unternehmen übernehmen. Natürlich könnte jede Fashion-Brand ihre Kleidung in ein digitales Artefakt umwandeln. Konsumgüter-Hersteller können NFT-basierte Club-Mitgliedschaften launchen, etwa für Produkttests und zur Produktentwicklung. Musikerinnen können exklusive Konzerte für ihre Fans spielen, der Zugang wird mit der NFT-Technologie reguliert. Sportvereine und Verbände könnten ihre Mitgliedschaften über die Technologie verwalten.

Aber es geht auch noch weiter: Autohersteller und -verkäufer können mit NFTs die Transaktionen nachverfolgbar machen und einzelnen Personengruppen gleichzeitig Zugänge zu bestimmten Features ermöglichen: So lässt sich mit Hilfe von NFTs etwa bei Gebrauchtwagen Transparenz über die Zahl der Vorbesitzer:innen schaffen. Hersteller könnten beim Neuwagenverkauf eine digitale Variante ihrer Modelle als NFT mit verkaufen – sodass ich auch im Metaverse nicht auf mein Auto als Statussymbol verzichten muss. Und spätestens beim Wort Auto wird klar: Die deutsche Wirtschaft sollte sich NFT sehr genau ansehen.

Denn nicht nur im Endkundengeschäft lassen sich NFTs sinnvoll einsetzen, auch für den B2B-Bereich gibt es zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. So lassen sich auch im B2B-Bereich Kundenbindungsprogramme über NFTs verwalten. Beispiel: Bei jeder Transaktion werden Treuepunkte in der Blockchain hinterlegt und sind damit unkopierbar. Beim Erreichen bestimmter Schwellenwerte lassen sich Prämien, Erstattungen ausgeben – vielleicht ja sogar in Form von Blockchain-Tokens. Die Rückverfolgbarkeit erlaubt eine gezieltere Kundensegmentierung und -ansprache.

Die den NFTs zugrundeliegende Blockchain-Technologie kann wegen ihrer Unveränderlichkeit und Transparenz auch in der Logistik sehr nützlich sein – im B2B-Bereich etwa bei Lieferketten: Maschinenbauer könnten mit Hilfe von NFTs die Herkunft und Qualität der eingesetzten Einzelteile oder Materialien nachweisen. In der Lebensmittelindustrie könnten Produzenten mit NFTs die Qualität der eingesetzten Rohstoffe belegen und zuverlässig sichtbar machen, wann verderbliche Ware hergestellt wurde. Auch Zertifikate, Siegel oder andere Nachweise und Authentifizierungen lassen sich dank der Blockchain fälschungssicher und gleichzeitig für alle einsehbar speichern.

NFTs werden auch die deutsche Wirtschaft verändern

Das alles ist erst der Anfang. Wie einst bei den sozialen Netzwerken lässt sich die Anzahl der Nutzungsszenarien bisher kaum erahnen. Wie auch Facebook, Instagram und Co. sich über Jahre weiterentwickelt und neue Iterationen durchlaufen haben, werden wir es auch bei der NFT-Technologie sehen.

Daher ist jetzt die Chance für Unternehmen, sich rechtzeitig mit der Technologie zu beschäftigen, solange sich diese noch in den ersten Entwicklungsschritten befindet. Dies erfordert in erster Linie Zeit und etwas digitales Verständnis einzelner Mitarbeiter:innen, mehr nicht. Diese Zeit könnte gut investiert sein: Wenn ein Unternehmen sich sehr früh mit NFTs beschäftigt und Use Cases ausprobiert, besteht die Chance, vor der Konkurrenz ein neues Geschäftsfeld zu entwickeln.

Wer heute erst beschließt, sich einen Instagram-Account für sein Marketing anzulegen, hat es deutlich schwieriger als First Mover, eine relevante Durchdringung aufzubauen. Genauso könnte es mit NFT funktionieren: Wer heute den ersten Pflock einschlägt, könnte morgen damit schon die ersten Kund:innen an sich binden.

Gleichzeitig jedoch besteht bei Innovationen immer die Gefahr, dass sie doch nicht die durchschlagende Wirkung haben wie ursprünglich erhofft – Virtual Reality zum Beispiel ist eine Technologie, deren Durchbruch oft angekündigt und doch noch nicht vollzogen ist.

NFTs werden im Metaverse eine Schlüsselrolle spielen

Eine andere Zukunftstechnologie, die – dank Facebook-Gründer Mark Zuckerberg – derzeit in aller Munde ist, ist das Metaverse . Gemeint ist damit letztlich nichts anderes, als dass sich unser Leben künftig zu einem noch viel größeren Anteil als heute im Virtuellen abspielen wird, weil die Grenzen zwischen digitaler und physischer Welt künftig immer weiter verschwimmen werden. Im Metaverse werden NFTs eine Schlüsselrolle spielen – weil sie, wie eingangs erläutert, den exklusiven Besitz von digitalen Gütern ausweisbar machen.

Je mehr Dinge wir künftig rein virtuell kaufen, umso wichtiger wird es werden, dass sie erkennbar uns gehören und nicht einfach so kopiert oder vervielfältigt werden können – das gilt dann für digitale Affen wie auch digitale Kleidung oder 3D-Avatare. Genau das ermöglichen NFTs. Je mehr Zeit wir alle künftig in Onlinewelten verbringen, umso lukrativer wird es für jedes Unternehmen, dort sichtbar zu sein. Denn theoretisch ist im Metaverse jedes Produkt platzierbar – zu jedem analogen Gut (von der Schraube bis zum Haus) kann künftig der NFT-Pendant vermarktet werden.

Auch deshalb bietet gerade der deutsche Mittelstand in seiner ganzen Diversität riesiges Potenzial, um neue Geschäftsmodelle mit NFT-Technologie zu entwickeln und im internationalen Wettbewerb eine Vorreiterrolle einzunehmen. So sind selbst in der Industrie und Unternehmen mit B2B-Fokus die Möglichkeiten gegeben, Geschäftsmodelle mit Mehrwert zu entwickeln und die Potenziale der Technologie auszuschöpfen. Zugleich wäre es ein positives Signal in die Welt, wenn Deutschland sich an dieser Stelle als Vordenker erweisen würde – lange genug sind wir bei innovativen digitalen Geschäftsmodellen im internationalen Vergleich nur hinterhergelaufen.

Tobias Stamatis ist Experte für Digitalisierung, die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle sowie den Aufbau und die Weiterentwicklung von Teams. Er ist Geschäftsführer der Digitalberatung Etribes.

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