Verschuldung ist in den vergangenen Jahren ein vorherrschendes Thema gewesen und bleibt weiterhin Kern gegenwärtiger Wirtschaftsprobleme sowohl auf Staats-, Unternehmens- wie auch auf privater Ebene. Wie können wir mit diesem Problem umgehen? In seinem Bericht zur globalen Finanzstabilität (Okt. 2013) schätzt der Internationale Währungsfonds (IWF), dass sich die weltweite Gesamtverschuldung Ende 2012 auf 216.000 Mrd. Dollar belief. Angesichts von Kreditvergaben durch Nichtbanken oder sogenannte Schattenbanken ist diese Summe als Mindestbetrag zu betrachten.
Zwar ist es schwierig, das eigentliche Ausmaß des Problems einzuschätzen, doch wie bedeutsam ist die Zahl des IWF? Das Thema Verschuldung ist in der Tat vielschichtiger und wir müssen ihm uns von verschiedenen Perspektiven nähern, um die ganze Tragweite und Auswirkungen zu erfassen.
Bei der Verschuldung über Banken sowie über Schuldverschreibungen sollten zumindest drei Merkmale untersucht werden. Verschuldung hat einen Preis, also einen fixen oder variablen Zinssatz. Sie hat auch eine Laufzeit, kann aber unterschiedliche Fälligkeitsdaten haben, weswegen ihre Laufzeit ein wichtiges Kriterium ist, um den Wert einzuschätzen. Letztlich ist Verschuldung auch ein Finanzierungsinstrument.
Die unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten der aufgenommenen Mittel bedeuten spezifische Risiken für Gläubiger, egal ob es sich um Banken oder Inhaber von Schuldverschreibungen handelt. Diese Risiken können, müssen aber nicht mit Garantien versehen sein.
Verschuldung bemessen
Der eigentliche Verschuldungsgrad an sich hat nicht viel zu bedeuten. Um ihn zu bewerten, müssen wir einen aussagekräftigen Vergleich mit anderen Aspekten der Wirtschaftseinheit durchführen. Der Vergleich von Staatschulden zur Wirtschaftsleistung (BIP) eines Landes bietet – auch wenn dieses Kriterium im Maastricht-Vertrag enthalten ist – nur eine ungefähre Sicht auf die wirkliche Lage. Wichtiger als ein Vergleich mit dem BIP ist das Verhältnis von Schuldzinszahlungen zum Staatshaushalt.
Die beste Art das Risiko, das von einem Unternehmen und seinen Gläubigern eingegangen wird, einzuschätzen, ist der Vergleich von zwei Geldströmen, etwa den jährlichen Zinszahlungen und dem jährlichen Cashflow. Eine sehr kurzfristige Verschuldung deutet darauf hin, dass das Unternehmen wenig Spielraum für die Refinanzierung hat: Zinsen können steigen oder mit strengeren Auflagen verbunden sein, sowohl auf der Bankenkreditseite, wo die Haltung des Kreditgebers ins Gewicht fällt, wie auch bei der Finanzierung mit Schuldverschreibungen, die von der Marktliquidität abhängt.
Wenn Schulden zum Risiko werden
Mit den Krisen in Griechenland, Spanien, Italien, Portugal und Irland wurde der Begriff Länderrisiko in der Eurozone eingeführt. Hinzu kam die ebenso bedrohliche Höhe der Staatsschulden der europäischen Banken. Sie waren bereits von der Krise betroffen, versuchten aber das Risiko aus diesen Staatsschulden in ihren Büchern zu reduzieren, was die Krise verschärfte und dazu beitrug, die Zinsen in die Höhe zu treiben.
Der Anstieg der langfristigen Zinsen für spanische und irische Staatsanleihen in 2011–2012 führte zu der Befürchtung, dass der Schuldendienst anschwellen würde und schränkte so die weiteren Verschuldungsmöglichkeiten dieser Länder ein. Diese Staatsschuldenkrise in manchen Euro Ländern zeigte zwei Dinge:
die Geschwindigkeit, mit der das Vertrauen der Anleger schwand, sobald sie um ein wesentliches Bonitätsrisiko bei ihren Investments in Staatsanleihen fürchteten, und
die Problematik, die sich der Länder stellt wenn sie ihre Schuldenquote zumindest kurzfristig durch einen haushaltspolitischen Sparkurs reduzieren.
Ein Länderrisiko ist nicht immer eine Frage der eigentlichen Schuldenhöhe. Einige Schwellenländer leiden etwa unter den Folgen der Schuldtitelemission in einer Fremdwährung (100 Mrd. Dollar in 2013). Diese Art der Finanzierung hat relativ kurze Laufzeiten und häufig den Vorteil, dass die Zinsen niedriger sind als die des heimischen Marktes. Sobald aber die Währung des kreditnehmenden Landes fällt, steigt der Schuldenstand in lokaler Währung und Anleger verlangen dann nach höheren Zinsen zur Refinanzierung.
Asymmetrische Beziehung zwischen Kreditgeber und -nehmer
Das Wichtigste für den Kreditgeber ist es, ob das Einkommen die Rückzahlungstermine sichern wird. Aus der Perspektive der Kreditnehmer rückt die Höhe der Schulden in den Mittelpunkt, falls sie als bedenklich eingestuft werden. Darüber hinaus sind Risiken im Bankensystem miteinander verknüpft: In einer Rezession vervielfachen sich die Kreditausfälle. Ist eine Bank dann mit Mittelabflüssen aus Einlagen konfrontiert und hat Schwierigkeiten, ihre anderen Kapitalquellen zu refinanzieren, wird das Risiko systemisch.
Dies ist im Grunde das, was in der Krise von 2007-2008 geschehen ist: ein zyklisch verlaufendes, zerstörerisches Muster entstanden durch eine Kettenreaktion von ausufernden Kreditvorfällen, eine Korrektur auf dem US amerikanischen Immobilienmarkt und anderswo sowie eine enorme Bankenverschuldung. Die Gesamtverschuldung von privaten Haushältern und Unternehmen ist daher nicht so sehr ein Anhaltspunkt für schlechtes Finanzmanagement – solange die Zinszahlungen nur einen angemessenen Anteil des Einkommens ausmachen – sondern vielmehr ein Anhaltspunkt dafür, wie anfällig ein Bankensystem sein kann und wie lange die Kreditvergabe gedämpft bleiben kann in einer Entschuldungsphase.
Vermögenswerte nicht außer Acht lassen
Schulden können nicht von den Vermögenswerten getrennt werden, die oft als Sicherheit dienen. Im Falle von Unternehmen sind es die Gewinne aus den Vermögenswerten, die den Schuldendienst finanzieren. Staaten haben zwei Arten von Vermögen: manche Vermögenswerte sind unverzichtbar, da sie für das tägliche Führen des Landes eingesetzt werden oder aber als Kulturerbe gelten. Andere Werte wiederum waren nie als Staatseigentum gedacht und können privatisiert werden.
Inzwischen sind fünf Jahre seit Beginn der Krise vergangen und der Einfluss eines finanziell anfälligen Systems auf die Weltwirtschaft zurückgegangen. Kreditnehmer sind mittlerweile besser in der Lage Zinsen zu zahlen, und die Finanzierung über Banken ist robuster. Dennoch gibt es noch Risiken und Instabilität, wie die Ökonomen Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff betonen. Es bleibt offen in welchem Maße. Die schuldengetriebene Deflation aber konnte durch das bemerkenswerte Vorgehen der Notenbank vermieden werden, wie zum Beispiel dem Ankauf von Vermögenswerten, reichlich Liquidität und kurzfristigen Realzinsen im Negativbereich.
Verschuldung ist per se weder gut noch schlecht, aber eine gewisse Balance ist wünschenswert und notwendig, um maßloses Verhalten in relativ großem Umfang zu vermeiden. Es bleibt schwierig, ein normales oder optimales Level zu definieren.
Die Entwicklungsländer sind in ihrem Bestreben nach Schuldenabbau vereint. Für private Haushalte ist sie bereits im Gange, Staatshaushalte stellen sich jetzt der Herausforderung. Eine ehr zahme Preisinflation kann die Zentralbanken nur darin bestärken, weiterhin eine lockere Geldpolitik zu verfolgen, um so den Wirtschaftsakteuren finanziell wieder auf die Beine zu helfen. Die Lage ist weniger eindeutig für die Schwellenländermärkte, hier ist sowohl die Auslands- als auch die Inlandsverschuldung in den vergangenen Jahren weiter angestiegen.