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Gastkommentar Dialekte beeinflussen Geschäftsverhandlungen

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© Variopress
Es kommt auf die Aussprache an. Der Ökonom Volker Nitsch zeigt in einer neuen Studie, wie Dialekte Geschäfte anbahnen oder verhindern können

Welche Faktoren sind für deutsche Unternehmen bei der Auswahl ihrer einheimischen Geschäftspartner ausschlaggebend? Fragt man Manager, würden sie wohl zunächst auf sachliche Kriterien verweisen: Entspricht das Produkt den Vorstellungen? Stimmt der Preis? Wichtig wären vermutlich auch Kennziffern wie die Finanzkraft oder die Produktpalette. Schließlich könnten auch „weiche“ Faktoren, wie die Reputation des Verhandlungspartners, die Geschäftsentscheidung beeinflussen. Aspekte, die insbesondere für grenzüberschreitende Transaktionen von großer Bedeutung sind, wie rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen oder die Sprache und Kultur am Unternehmensstandort, dürften demgegenüber wohl nur wenig Einfluss haben. Innerhalb Deutschlands scheinen die Unterschiede zu gering, als dass bei Geschäftsabschlüssen diesbezüglich eine regionale Differenzierung zu erwarten wäre.

Die Realität sieht anders aus. Eine aktuelle Untersuchung*, die ich gemeinsam mit Alfred Lameli, Jens Südekum und Nikolaus Wolf durchgeführt habe, zeigt, dass diese Einschätzung zu kurz greift. Demnach haben die regionalen kulturellen Gegebenheiten erhebliche Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit in Deutschland. Räumliche Muster im innerdeutschen Handel lassen sich systematisch mit sprachlichen Gemeinsamkeiten und Unterschieden erklären. Sie zeigen auf, warum zum Beispiel Augsburg wirtschaftlich stärker mit Gegenden im westlich benachbarten Schwaben als in östlich angrenzenden bayrischen Regionen verflochten ist.

Es lässt sich empirisch beobachten, dass Sprachbarrieren einen erheblichen verzerrenden Einfluss auf geschäftliche Transaktionen haben. Sobald einer der Partner bei Verhandlungen gezwungen ist, eine Fremdsprache zu verwenden, sinkt die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Abschlusses. Unklar bleibt dabei allerdings, inwiefern die sprachlichen Unterschiede tatsächlich auch eine kommunikative Hürde darstellen und nicht eher kulturelle Differenzen widerspiegeln, die nicht beobachtet werden können.

Dieses Problem lässt sich lösen, indem man eben einen homogenen Wirtschaftsraum mit weitgehend einheitlichen institutionellen Rahmenbedingungen betrachtet. In unserer Studie betrachten wir Deutschland. Dabei kombinieren wir neu erschlossene und bislang wenig verwendete Daten. Als Maß für die wirtschaftliche Verflechtung zwischen deutschen Regionen verwenden wir das bilaterale Transportvolumen von Gütern. Diese Daten sind relativ kleinräumig für insgesamt 101 Verkehrsbezirke verfügbar. Gleichzeitig ermitteln wir für diese Bezirke das Ausmaß sprachlicher Überschneidungen - basierend auf Umfragedaten des Linguisten Georg Wenker, die im Zeitraum von 1879 bis 1888 erhoben wurden. Da sich die regionalen Sprachmuster im Zeitablauf nur wenig verschieben, lassen sich mit Hilfe dieser Informationen Ähnlichkeiten und Unterschiede in dem verwendeten Dialekt gut messen.

Das Ergebnis: Tatsächlich finden wir für Deutschland, dass die Verwendung ähnlicher Begriffe, Formulierungen oder Schreibweisen die bilaterale Verflechtung stärkt. Das Transportvolumen zwischen solchen Regionen ist überproportional hoch. Demgegenüber handeln Regionen mit stark voneinander abweichenden Dialekten vergleichsweise wenig miteinander.

Selbst bei mundartlich geführten Verhandlungen dürfte die Kommunikation selbst aber nur geringfügig beeinträchtigt sein. Daher interpretieren wir diese Ergebnisse vor allem als Effekt kultureller Verflechtungen auf den regionalen Handel.

* „Same Same But Different: Dialects and Trade“ IZA Discussion Paper #7397; CESifo Working Paper #4245

Volker Nitsch ist VWL-Professor an der Technischen Universität Darmstadt. Er beschäftigt sich in seiner Forschung mit Handel und Wirtschaftsgeographie.

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