Stabilität und Innovation statt schneller Gewinne – mit diesem Geschäftsmodell erwiesen sich Familienunternehmen gerade auch während der Pandemie als ein Pfeiler der globalen Wirtschaft. Wären Familienbetriebe ein eigenes Land, würden sie sich gemessen am Umsatz hinter den USA und China einreihen, wie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY und die Universität St. Gallen in ihrem Family Business Index 2021 errechnet haben. Deutschland kommt in dieser Hinsicht eine besondere Rolle zu.
Größte Familienunternehmen Deutschlands
16 Prozent der 500 größten Familienunternehmen der Welt stammten der Analyse zufolge aus der Bundesrepublik. Zwei schafften es in die Top 10 der umsatzstärksten Firmen, die sich noch in Familienhand befinden. War weltweit nur knapp ein Drittel dieser Firmen älter als 100 Jahre, traf das auf über die Hälfte der deutschen Vertreter zu. Deutsche Gründerfamilien halten ihren Betrieb zudem gern in Privatbesitz, wie die Top 10 für Deutschland zeigt.
Der Family Business Index 2021 hat Unternehmen berücksichtigt, in denen:
- mindestens zwei Familienmitglieder in der Firmenleitung oder im Aufsichtsrat sitzen
- die Familie einen großen Teil der Anteile und Stimmrechte kontrolliert; mehr als 50 Prozent bei privaten Unternehmen, mindestens 32 Prozent bei börsennotierten Firmen
EY und die Universität St. Gallen haben nur eine Firma pro Familie gelistet. Gab es mehrere Großunternehmen, wurde entweder die Mutterfirma oder die umsatzstärkere Firma ausgewählt. Die Daten der Analyse stammten aus öffentlich zugänglichen Berichten und Datenbanken. Die Zahlen durften nicht älter als 24 Monate sein.
Dies sind laut EY und der Universität St. Gallen gemessen am Umsatz die größten Familienunternehmen in Deutschland:
Größte deutsche Familienunternehmen

Henkel ist eines von nur drei an den Börsen gehandelten Unternehmen in den Top 10. In dem globalen Ranking war das Verhältnis zwischen privaten und börsennotierten Unternehmen genau umgekehrt. Der 1876 gegründete Konsumgüterhersteller aus Düsseldorf kam in der deutschen Spitzengruppe mit einem Umsatz von zuletzt umgerechnet 23,7 Mrd. Dollar auf Platz zehn. Die Familie des Gründers Friedrich Karl Henkel kontrolliert demnach 61,6 Prozent der Anteile. Henkel rangierte vor der Merck KGaA (22,4 Mrd. Dollar) und Bertelsmann (21,8 Mrd. Dollar).

CH Boehringer ist die juristische Konzernmutter des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim. Das 1885 gegründete Unternehmen befindet sich vollständig im Besitz der Gründerfamilie. Der Vorsitzende der Unternehmensleitung, Hubertus von Baumbach, ist der Urenkel des Firmengründers Albert Boehringer. CH Boehringer belegte mit einem Umsatz von 23,8 Mrd. Dollar Platz neun der größten deutschen Familienunternehmen

EY und die Universität St. Gallen führten die Heraeus Holding GmbH 2021 mit einem Umsatz von 25,2 Mrd. Dollar auf Platz acht und weltweit auf Platz 59. Der Technologiekonzern mit Hauptsitz in Hanau bezifferte seinen Umsatz im Geschäftsjahr 2020 hingegen auf 31,5 Mrd. Euro. Heraeus ist ein Portfoliounternehmen in Familienbesitz. Zu ihm gehören Firmen aus den Bereichen Umwelt, Elektronik, Gesundheit und industrielle Anwendungen. Die Wurzeln des Unternehmens gehen auf eine 1660 gegründete Apotheke zurück. Offizielles Gründungsjahr der heutigen Firma ist 1851. Die Familie kontrolliert den Angaben zufolge 94,6 Prozent des Unternehmens, ist aber nicht in der Firmenleitung vertreten.

Unter den größten Familienunternehmen Deutschlands gibt es auch einen Jungspund. 1994 gründete Adolf Merckle durch den Zusammenschluss mehrerer regionaler Pharmagroßhändler die Phoenix Group. Die war nach eigenen Angaben von Anfang der Marktführer in Deutschland. Die Gruppe beschäftigt weltweit rund 39.000 Menschen, der Umsatz belief sich laut dem Index zuletzt auf 33 Mrd. Dollar. Das bedeutete in Deutschland Platz sieben, weltweit Platz 43. Die Gründerfamilie kontrolliert laut dem Index hundert Prozent des Unternehmens. Adolf Merckle hatte von seinem Vater Ludwig das Pharmaunternehmen Merckle GmbH geerbt.

Auch einige der berühmtesten deutschen Autobauer sind noch in Familienhand. Bei der Porsche Automobil Holding SE handelt es sich jedoch nicht um den Sportwagenhersteller. Die Porsche AG gehört seit 2009 zum Volkswagenkonzern. Seitdem ist die Porsche SE die Mehrheitsgesellschafterin der Volkswagen AG. Der Family Business Index führte das Unternehmen mit einem Umsatz von 34,6 Mrd. Dollar Umsatz auf Platz sechs (weltweit: Platz 39). Die Familie Porsche-Piëch kontrollierte demnach 53,3 Prozent der Aktien des Unternehmens und besetzte rund die Hälfte der Plätze im Aufsichtsrat.

Über eine Fusion von Aldi Nord und Aldi Süd wird immer wieder spekuliert. Im März 2020 kündigten die Discounter an, ihre Eigenmarken zusammenzuführen. Im Jahr darauf folgte eine engere Zusammenarbeit beim Online-Shop. Eine Fusion soll es aber laut offiziellen Angaben nicht geben. Im Family Business Index wurden die Discounter-Ketten hingegen bereits zusammengelegt. Dort kamen sie als komplett familienkontrollierte Aldi Group mit einem Gesamtumsatz von 35,6 Mrd. Dollar auf Platz fünf in Deutschland (Rang 36 weltweit).

Die INA-Holding Schaeffler GmbH & Co. KG ist ebenfalls zu 100 Prozent in der Hand einer Familie. Der Automobilzulieferer Schaeffler Group wird seit dem Tod des Unternehmensgründers Georg Schaeffler von dessen Witwe Maria-Elisabeth Schaeffler und Sohn Friedrich Wilhelm Schaeffler kontrolliert. Der Umsatz der Schaeffler Group belief sich 2020 laut offiziellen Angaben auf rund 12,6 Mrd. Euro. Zur Holding der Familie gehören auch die Anteile am Automobilzulieferer Continental. Dessen Umsatz lag 2020 bei etwa 37,7 Mrd. Euro. Der Index bezifferte den Gesamtumsatz der INA-Holding Schaeffler auf zuletzt 70,5 Mrd. Dollar.

Auch Platz drei der größten deutschen Familienunternehmen geht an eine komplett von der Gründerfamilie kontrollierte Firma. Die Robert Bosch GmbH wurde 1886 gegründet. Der Mischkonzern (Automobilzulieferer, Gebrauchsgüter, Gebäudetechnik) erwirtschaftete 2020 einen Umsatz von umgerechnet 87 Mrd. Dollar und beschäftigte über 395.00 Mitarbeiter.

Die Bayerische Motoren Werke AG ist auf Platz zwei das größte börsennotierte Familienunternehmen Deutschlands. Hier sind es nicht Nachfahren der Firmengründer, die den Status in dem Index garantieren. Der Industrielle Herbert Quandt hatte Anfang der 1960er Jahre den in finanzielle Schieflage geratenen Autobauer mit seiner Investition saniert. Seine Kinder Stefan Quandt und Susanne Klatten (die reichste Frau Deutschlands) sind mit zusammen 46,8 Prozent die größten Anteilseigner des 1916 gegründeten Autobauers. Unter den größten Familienunternehmen weltweit belegte BMW Platz sechs.

Das größte deutsche Familienunternehmen kam im weltweiten Vergleich mit einem Umsatz von 140 Mrd. Dollar auf Rang vier. Die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) war allerdings die Nummer eins, wenn es um Familienunternehmen in Privatbesitz ging. Das Konglomerat erwies sich in den globalen Top 10 zudem als die einzige Vertreterin, die sich vollständig in Familienbesitz befand. Der Heilbronner Kaufmann Josef Schwarz war 1930 als Gesellschafter in die Lidl & Co. Südfrüchtenhandlung eingetreten. Sein 1939 geborener Sohn Dieter Schwarz machte daraus das größte Einzelhandelsunternehmen in Europa.

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