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Gastkommentar Deutschland schiebt die Griechenland-Risiken auf die lange Bank

Die Auswirkungen der Krise für Deutschland sind vor allem langfristiger Natur.
Die Griechen müssen sich auf weitere Sparmaßnahmen einstellen
Die Krise in Griechenland ist noch nicht vorüber
© Getty Images

Stefan Bielmeier ist der Chefvolkswirt und Bereichsleiter Research der DZ Bank

Nach der vorläufigen Einigung vom 13. Juli treten Griechenland und seine Gläubiger bald in Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket unter dem Regime des ESM. Das Gesamtkreditvolumen, das aktuell bereits bei über 230 Mrd. Euro liegt, dürfte somit nochmals deutlich steigen. Legt man die kolportiere ESM-Kredithöhe von voraussichtlich bis zu 86 Mrd. Euro zugrunde, erhöhten sich Deutschlands Forderungen gegenüber Griechenland unter Berücksichtigung des ESM-Kapitalanteils auf rund 117 Mrd. Euro.

Die finanziellen Risiken und etwaigen Belastungen für den deutschen Staat sind vor allem langfristiger Natur, da sich EFSF und ESM selbständig refinanzieren und somit ein neuer Griechenland-Kredit keine Auswirkungen auf den laufenden deutschen Staatshaushalt hat. Gefahren bestehen für Deutschland vor allem dann, wenn die gegebenen Garantien zum Tragen kämen, weil Griechenland die Kredite nicht mehr bediente. Risiken entstünden auch, wenn Kreditlaufzeiten verlängert würden und die Refinanzierungskosten der Sicherungsinstrumente EFSF und ESM aufgrund eines dann höheren Zinsniveaus anstiegen.

Deutsche Unternehmen von Griechenland-Krise kaum betroffen

Betrachtet man die finanziellen Auswirkungen für den deutschen Staat in einem weiteren Kontext, sind nicht nur die direkten Forderungen gegenüber Griechenland von Interesse, sondern auch, ob sich Deutschlands Schuldentragfähigkeitsprofil und somit die gesamten Refinanzierungskosten änderten. Hierbei sind zwei gegeneinander wirkende Effekte zu berücksichtigen. Zum einen könnte man intuitiv annehmen, dass höhere finanzielle Risiken für Deutschland zu einem Anstieg der Risikoprämie führen. Zum anderen profitiert Deutschland aber von seinem Status als sicheren Hafen, sodass Kapital aus den Peripherieländern in Bundesanleihen fließt. Während beide Effekte zum Gipfel der Staatsschuldenkrise im Jahr 2012 noch deutlich messbar waren, hielten sich die Auswirkungen der jüngsten Eskalation der Griechenland-Krise in sehr viel engeren Grenzen.

Betrachtet man die Auswirkungen der Griechenland-Krise auf Deutschland in einem gesamtwirtschaftlichen Kontext, müssen auch die Auswirkungen auf Banken und Unternehmen berücksichtigt werden. Hierbei lassen sich wiederum die direkten realwirtschaftlichen von den marktbezogenen Kriseneffekten unterscheiden.

Das Exportvolumen deutscher Unternehmen nach Griechenland betrug 2014 knapp fünf Milliarden Euro. Der Wert der Einfuhren aus Griechenland nach Deutschland lag bei etwa 1,7 Mrd. Euro. Selbst ein deutlicher Einbruch der Handelsaktivität würde die deutsche Wirtschaft somit nicht in einem nennenswerten Umfang belasten.

Auswirkungen auf Wechselkurse

Bei den marktbezogenen Effekten für deutsche Unternehmen sind zum einen die Risikoaufschläge und zum anderen die Wechselkursimplikationen zu berücksichtigen. Bei den Risikoaufschlägen waren ähnliche Muster wie bei den Staatsanleihen der Peripherie erkennbar, die vorübergehend deutlich unter der Griechenland-Krise gelitten hatten. Die Spreads haben sich zwischen Ende Mai und Anfang Juni signifikant ausgeweitet. Allerdings war diese Bewegung nicht von langer Dauer, sodass die Refinanzierungskosten für europäische Unternehmen für einen Zeitraum von maximal zwei Monate erhöht waren.

Setzt man den EUR-USD-Wechselkurs zu den griechischen Risikoprämien seit Beginn der Spreadausweitungen und der allmählichen Zuspitzung der Lage in Hellas seit Mitte des letzten Jahres ins Verhältnis, lässt sich feststellen, dass EUR-USD zurückgegangen ist, während die griechischen Risikoprämien zulegten. Allerdings besteht ein vergleichbar enger (aber positiver) Zusammenhang auch zwischen der Entwicklung des EUR-USD-Wechselkurses und den Bund-Renditen, sodass die Ursache wahrscheinlich nicht allein bei der Griechenland-Krise liegt.

Folgen eines Grexit

Anders sieht es für den Zeitraum seit Anfang Juni bis zum aktuellen Rand aus. Während die Bund-Renditen im genannten Zeitraum deutlich gestiegen waren, fiel die Erholung bei EUR-USD wegen der Verunsicherung aufgrund der Griechenland-Krise merklich geringer aus. EUR-USD hat damit nicht annähernd so stark wie die Risikoprämien von der jüngsten Entspannung der Lage rund um Griechenland profitiert. Unter Umständen halten sich Investoren außerhalb der Eurozone mit Neuengagements in der EWU noch etwas zurück.

Da der Handel mit Griechenland für die deutsche Wirtschaft von ungeordneter Bedeutung ist und auch keine größeren mittelbaren Negativeffekte über andere EWU-Staaten zu erwarten sind, dürften die aus Sicht der gesamten Exportindustrie positiven Wechselkurs- die negativen Handelseffekte mindestens kompensieren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass mehr als 60% der deutschen Exporte für Länder außerhalb der EWU bestimmt sind.

Käme es wider Erwarten kurzfristig doch noch zu einem Grexit, dürften sowohl die Auswirkungen auf die Risikoprämien als auch auf den Wechselkurs deutlich stärker ausfallen, während der Staat den Verlust unmittelbar auffangen müsste, anstatt das Risiko auf die lange Bank zu schieben. Zu bedenken ist allerdings, dass selbst im Falle eines Grexit der deutsche Staat de facto nicht sofort in die Haftung geht. ESM und EFSF könnten sich zunächst am Markt refinanzieren und die Fälligkeiten liegen weit in der Zukunft. Es blieben die privatwirtschaftlichen Folgen: Bei einem Austritt Griechenlands aus dem Euro würden die griechischen Banken und Unternehmen zu einem erheblichen Teil bald zahlungsunfähig werden. Das würde auch zu signifikanten Belastungen bei deutschen Banken und Unternehmen führen.

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