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Magnus Drewelies Warum Deutschland die CO2-Entnahme und -Speicherung entkriminalisieren muss

In Island hat das Schweizer Unternehmen Climeworks eine Anlage zur Abscheidung von Kohlendioxid gebaut. Das CO2 wird aus der Luft gefiltert und in den Boden gepresst
In Island hat das Schweizer Unternehmen Climeworks eine Anlage zur Abscheidung von Kohlendioxid gebaut. Das CO2 wird aus der Luft gefiltert und in den Boden gepresst
© KEYSTONE/Anthony Anex / Picture Alliance
Technologien zur CO2-Speicherung sind wichtige Bestandteile, um das 1,5-Grad-Ziel bei der Erderwärmung zu erreichen. Doch Deutschland sperrt sich. Magnus Drewelies erklärt, warum wir uns diese Haltung nicht länger leisten können
Magnus Drewelies ist Gründer und Geschäftsführer von CEEZER, einer Plattform, die Unternehmen einen einfachen, datengetriebenen und direkten Zugang zur Beschaffung und Steuerung von negativen Emissionen im freiwilligen Kohlenstoffmarkt bietet. 
Magnus Drewelies ist Gründer und Geschäftsführer von CEEZER, einer Plattform, die Unternehmen einen einfachen, datengetriebenen und direkten Zugang zur Beschaffung und Steuerung von negativen Emissionen im freiwilligen Kohlenstoffmarkt bietet. 
© Christian Schmelzer

Der wissenschaftliche Konsens ist klar: Um die Klimaerwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, muss CO2 aus der Atmosphäre entnommen werden. Eine Studie des Weltklimarats (IPCC) zeigt, dass die Einhaltung der Pariser Klimaziele ohne Carbon Dioxide Removal (CDR) unrealistisch ist. Forschungsergebnisse der University of Oxford und anderer Institutionen verdeutlichen, dass ein starkes Wachstum an CO2-Entnahme-Technologien für eine klimaverträgliche Zukunft notwendig ist. Denn CO2-Entnahme und -Speicherung kann vielseitig sein: Von Direct Air Capture über Pflanzenkohle bis hin zur Speicherung in Zement – viele Methoden sind bereits am Markt.

Dennoch stieß das Thema hierzulande immer wieder auf Gegenwind. In den nördlichen Bundesländern, denen das größte Potential zugerechnet wird, gestaltet sich die Umsetzung schwierig. In Schleswig-Holstein entschied das Parlament 2022 gegen Carbon Capture and Storage (CCS). In Niedersachsen wurde 2015 ein Gesetz erlassen, das die Erprobung der CO2-Speicherung untersagt. In Mecklenburg-Vorpommern ist die geologische Speicherung von Kohlendioxid seit 2012 verboten. Brandenburg ist gespalten, wobei ein schneller Konsens nicht zu erwarten ist.

CO2-Entnahme und -Speicherung steht nicht im Wettbewerb mit interner Emissionsreduktion

Ein Grund für politischen Widerstand ergibt sich aus einer einfachen Logik: Statt zu dekarbonisieren, pumpen Unternehmen einfach CO2 „unter die Erde“. Dennoch zeigt eine kürzliche Studie von Ecosystems Marketplace, dass gerade Unternehmen, die im freiwilligen CO2-Markt aktiv sind, deutlich bessere Ergebnisse beim Klimaschutz erzielen. Firmen mit freiwilliger CO2-Kompensation erreichen 1,8-mal häufiger eine Reduktion der eigenen Emissionen von Jahr zu Jahr. Zudem setzen Unternehmen, die in den freiwilligen Markt investieren, durchschnittlich ambitioniertere Klimaziele. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie Science-Based Targets verfolgen, ist sogar um den Faktor 3,4 größer.

In Sachen Klimawirkung ist CO2-Entnahme und -Speicherung sicherer als traditionelle Methoden wie Aufforstung. CO2 muss permanent gespeichert werden, um einen langfristigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Genau diese Permanenz ist bei naturbasierten Methoden (auch als „nature-based solutions“, kurz NBS, bekannt) schwieriger sicherzustellen und zu messen. Zudem wird die Speicherung riskanter, da der bereits heute vorhandene Klimawandel die Speicherkapazität von Ökosystemen kontinuierlich verringert. Dennoch sollte die CO2-Entnahme und -Speicherung nicht ausschließlich technisch sein, da verschiedene Methoden parallel genutzt werden müssen, um die notwendigen Volumina zu erreichen. Naturbasierte Methoden spielen daher ebenso eine Rolle wie technische Lösungen – und für beides muss gesorgt sein.

Deutschland droht den Anschluss zu verlieren

Deutschland ist kein Land der Rohstoffe, sondern eine klassische Industrienation. Dabei sprechen viele Gründe für die Entwicklung eines starken CO2-Entnahmestandorts. Die industrielle Infrastruktur ist ausgeprägt, und Wissenschaftler sowie Talente in relevanten Disziplinen sind vorhanden. Gerade in schwer transformierbaren Sektoren wie Stahl, Zement, und Chemie wird die CO2-Speicherung langfristig auch eine wirtschaftliche Option sein. Ein Engpass wird voraussichtlich beim Transport von CO2 von der Erzeugung zur Speicherung entstehen. Daher ist es umso wichtiger, nicht nur direkte Abscheidung, sondern auch standortunabhängige CO2-Entnahmeprojekte zu ermöglichen.

Statt diese Chance zu nutzen, droht Deutschland den Anschluss zu verpassen. Die USA hat 1,2 Mrd. Dollar Investitionen in CCS angekündigt. Gerade Bundesstaaten mit traditionellen Industrien, die nur langsam Emissionen reduzieren können, werden dadurch stark motiviert. Diesseits des Atlantiks schrieb Dänemark 3,9 Mrd. Dollar aus, um CO2-Entnahmeprojekte zu unterstützen.

Die Gewinner von morgen werden jetzt gemacht

Als führender Industriestandort in Europa kann, soll und muss die Bundesrepublik ähnliche Schritte unternehmen. Obwohl die entscheidende Klimapolitik in Brüssel gemacht wird, hat Deutschland dort Gewicht. Bereits in Planung ist die Aufnahme natürlicher und technologischer CO2-Entnahmen in den europäischen Compliance Markt. Nach dem aktuellen Vorschlag können lokale Projekte von jedem Land zugelassen werden, solange sie europäischen Kriterien entsprechen. Daraus entsteht ein kontinentaler Wettbewerb um die effektivsten CO2-Entnahmetechnologien, was für eine wirtschaftliche Bekämpfung des Klimawandels sinnvoll ist. Wer sich jetzt als starker Akteur etabliert, wird dabei eine langfristige Rolle spielen können.

Die CO2-Entnahme und -Speicherung ersetzt keine Transformation der Industrie. Der konsequente Ausbau erneuerbarer Energien sowie die Dekarbonisierung in produzierenden Unternehmen und schwer dekarbonisierbaren Prozessen bleiben zentral. Die Zeit des Entweder-oder ist jedoch vorbei. Selbst bei vollem Gelingen dieser Maßnahmen spielen negative Emissionen eine zentrale Rolle. Konzepte dafür liegen längst vor. Jetzt gilt es – untypisch deutsch – einen mutigen Schritt zu gehen. Der Anfang ist gemacht, das Bundewirtschaftsministerium arbeitet an Vorschlägen. Ob wir wollen oder nicht: Für eine starke Zukunft muss CO2-Entnahme und -Speicherung zu einer leistungsstarken Industrie werden. Der Markt wird im Jahr 2040 auf 135 Mrd. Dollar geschätzt. Die zukünftigen Gewinner werden heute gemacht und dafür gilt es, eine rechtlich verbindliche Grundlage zu schaffen.

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