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Western von gestern Der Baulöwe Jürgen Schneider und die „Peanuts“-Affäre

Baulöwe Jürgen Schneider nach seiner Festnahme in Miami
Baulöwe Jürgen Schneider nach seiner Festnahme in Miami
© dpa
Der Baulöwe Jürgen Schneider war der Liebling deutscher Banken. Gerne gaben sie ihm Geld - allen voran die Deutsche Bank. Als der Schwindel aufflog, blieb an ihr die „Peanuts“-Affäre hängen

Ohne Toupet, das schüttere Haar zerzaust, dafür mit sonnengegerbter Haut schaut Utz Jürgen Schneider mürrisch in die Kamera der Polizei in Miami. Vor der Brust die obligatorische schwarze Tafel mit den weißen Buchstaben und Zahlen. Es ist der 18. Mai 1995. Das Ende einer achtmonatigen Flucht und der Beginn eines der spektakulärsten Betrugsprozesse der Bundesrepublik.

Schneider hatte sie alle geleimt. Der smarte Mann mit der sonoren Stimme verkehrte in höchsten Kreisen. Er war der Liebling deutscher Banker. Wenn der Baulöwe einen Kredit haben wollte, bekam er ihn. „Nicht kleckern, klotzen“ war seine Masche. Bis ein Medienbericht Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit weckte. Über Nacht tauchte Schneider mit seiner Frau ab. Für die Reisekasse überwies er sich zum Abschied noch 245 Mio. D-Mark in die Schweiz. Und ließ 5,4 Mrd. D-Mark Bankschulden zurück.

Der Fall des Milliardenbetrügers Schneider entlarvte die Sorglosigkeit der deutschen Banken. Ungeprüft hatten sie ihm Millionen hinterhergeworfen. Allen voran die Deutsche Bank. Frisierte Mietverträge, Scheinrechnungen, gefälschte Unterschriften – die Banken bemerkten nichts. Und das, obwohl einige Bauprojekte direkt in Sichtweite der Bankentürme lagen. Wie die Zeilgalerie in Frankfurt.

Fiasko für die Deutsche Bank

Schneider vergrößerte auf dem Papier die Nutzfläche um das Doppelte, erfand neue Stockwerke und Mieter hinzu. Dabei hätte allein ein Blick auf das Schild vor der Baustelle den Bluff auffliegen lassen.

Mit seinen Tricks stieg der Bauingenieur aus Königstein zu Deutschlands größtem privatem Immobilienbesitzer auf. 168 Objekte in Deutschland, darunter die edelsten Adressen, zählten zu seinem Reich. Nur: Er machte kein Geld damit.

Das Frankfurter Landgericht verurteilte Schneider zu milden sechs Jahren und neun Monaten Haft. Den Banken gab der Richter eine Mitschuld. Sie hätten es Schneider schlicht zu einfach gemacht. Im Dezember 1999 wurde Schneider vorzeitig entlassen.

Für die Deutsche Bank wurde der Fall ein Fiasko. Finanziell und wegen eines Wortes von Vorstandschef Hilmar Kopper . Es wurde sogar Unwort des Jahres: „Peanuts“. So hatte er die 50 Mio. D-Mark an offenen Rechnungen genannt, auf denen Handwerker sitzen blieben. Er meinte damit, die Bank werde alles übernehmen – doch das Wort steht bis heute für die Hybris der Banker.

Hauptperson

Jürgen Schneider wurde am 30. April 1934 in Frankfurt am Main als Sohn eines mittelständischen Bauunternehmers geboren. Anfangs restaurierte Schneider historische Immobilien in besten Innenstadtlagen. Sein Renommee wuchs. Dabei waren die meisten seiner Projekte unrentabel. Für immer neue Kredite fingierte Schneider Bilanzen und Unterlagen – und häufte Milliarden an Schulden an. Nachdem er Ende 1999 aus der Haft entlassen wurde, zog sich Schneider zurück und wurde Autor.

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