Mögen die Xi-Jinping-Festspiele in Peking beginnen! So konnte man zum Auftakt der bombastischen Propagandashow der KP Chinas am Sonntag ausrufen. Es geht bei der Großveranstaltung mit dem irreführenden Titel „20. Parteitag“ um die Selbstbeweihräucherung des Diktators und nicht um politische Diskussionen oder gar demokratische Entscheidungen.
Das Gepränge der bis ins allerkleinste Detail durchchoreografierten Krönungsmesse für Xi Jinping sollte jedoch nicht den Blick dafür verstellen, dass sich China unter seiner Führung in die globale Sackgasse manövriert hat, aus der es kein leichtes Entrinnen mehr gibt. Acht Gründe für die These, dass Xi Jinping und sein Regime ihren Zenit überschritten haben.
Erstens. Xi Jinping hat die Diktatur des Politbüros in den letzten Jahren in eine persönliche Diktatur umgewandelt. Früher sprachen andere Führer und vor allem die einflussreichen „Parteiältesten“ in Krisen ein gehöriges Wort mit – und konnten so wenigstens grobe strategische Fehler des Regimes wieder glattbügeln. So musste Mao trotz seiner gewaltigen Macht gleich zweimal in der Geschichte einlenken – und den verheerenden „Großen Sprung nach vorn“ in den 50er-Jahren und die noch schlimmere Kulturrevolution in den 60er- Jahren wieder abblasen. So ein Korrekturmechanismus fehlt heute.
Zweitens. Innenpolitisch hat Xi Jinping durch die brutalen Zwangsquarantänen seiner Null-Covid-Politik zum ersten Mal das Vertrauen großer Teile des Volkes in die „weise“ Führung der Partei verspielt und zugleich einen volkswirtschaftlichen Schaden angerichtet, der Chinas langen Wachstumspfad nachhaltig unterminiert. Der „soziale Vertrag“ zwischen der KP und ihren Untertanen – Ihr verbessert unser Leben, Wir halten uns aus der Politik raus – steht zur Disposition.
Drittens. Durch seine Kriegsdrohungen gegen Taiwan isoliert Xi Jinping nicht die kleine Inselrepublik, sondern das Festland. Noch nie war die Solidarität mit der jungen Demokratie im Westen so stark, noch nie die Entschlossenheit zu ihrer militärischen Aufrüstung gegen den übermächtigen Feind so hoch. Seit Xi Jinping den Besuch der amerikanischen Politikerin Nancy Pelosi mit Gewalt verhindern wollte, reißt der Besucherstrom von Parlamentariern und Regierungsvertretern aus aller Welt in Taipeh nicht mehr ab. Einschüchterung funktioniert nicht mehr.
Viertens. Die anfängliche bedingungslose Unterstützung Wladimir Putins nach dem Überfall auf die Ukraine geht wohl in die Geschichte der chinesischen Außenpolitik als folgenschwerster Fehler Xi Jinpings ein. Dass die Volksrepublik nun an der Seite eines weltweit geächteten Verlierers und Kriegsverbrechers steht statt sich als verantwortungsbewusste Weltmacht zu beweisen, schadet ihr nachhaltig. Der Wunsch, den Westen zu untergraben, war kurzsichtig. China hat den Schulterschluss zwischen den USA und Europa, den es sonst immer verhindern will, in diesem Fall durch das eigene Verhalten befördert.
Fünftens. Alle Versuche der Chinesen, technologisch an die Spitze der Nationen vorzudringen, stehen vor dem Scheitern. Die Entscheidung der USA, China ein für alle Mal von modernster Chiptechnologie abzuschneiden, leiten den wirtschaftlichen Niedergang der ganzen Volkswirtschaft ein. Die Entkopplung vom Westen erfasst zwar nicht alle Branchen, aber schreitet unaufhaltsam vorwärts. Bis auf einige unbelehrbare Konzerne (vor allem die deutsche Autoindustrie) schwenkt die Mehrheit der europäischen Unternehmen auf eine vorsichtigere Politik um. Niemand will sich mehr abhängig machen von der Volksrepublik, die Direktinvestitionen stagnieren.
Sechstens. Das bisherige chinesische Wachstumsmodell beruht seit Jahren auf zwei Pfeilern: der Entwicklung des Exports nach außen und des Immobiliensektors nach innen. Diese zweite Säule wackelt nun. Die gewaltigen Fehlinvestitionen in der Provinz lasten auf dem ohnehin schwer anfälligen Bankensektor. Eine Lösung ist nicht in Sicht, weitere Pleiten großer Immobilienentwickler scheinen unvermeidbar. Und Millionen Bürger, die ihr Geld in eine Wohnung investiert haben, die jetzt nicht gebaut wird, begehren gegen die Ungerechtigkeit auf.
Siebtens. Xi Jinpings großes und sehr teures Prestigeobjekt – die sogenannte Neue Seidenstraße – erweist sich mit jedem Monat mehr als gewaltiger Flop. Die Entwicklungsländer, die unter den hohen Kreditzinsen für Eisenbahnen, Häfen und Brücken ächzen, rebellieren gegen den „chinesischen Imperialismus“. Und der Krieg in der Ukraine unterbricht den wichtigsten Strang nach Europa.
Achtens. Jahrzehntelange konnten sich die Chinesen durch ein Netzwerk von Ex-Politikern, Industriellen und Publizisten in den demokratischen Ländern einen gewaltigen Einfluss verschaffen. Doch die Zeit der Naivität gegenüber diesen pro-chinesischen Einflussagenten und Fellow-Travellern geht zu Ende. Die Ernüchterung ist groß. Das beste Beispiel liefern die Universitäten, wo sich die KP Chinas mit ihren Konfuzius-Instituten lange Zeit ungehindert breitmachen konnte, nun aber unter Beschuss steht für die kontinuierliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Gastländer.
Natürlich sollte man trotz all dieser Schwächen nicht auf ein krachendes Ende des chinesischen Entwicklungsmodells wetten. Chinas fleißige, gut ausgebildete und innovative Mittelschicht und vor allem die talentierten Unternehmer sorgen dafür, dass es nach jeder Krise weiter geht. Aber sie stoßen in einem totalitären Regime, das sich unter Xi Jinping immer stärker abkapselt und als reformunfähig erweist, notwendig an ihre Grenzen.