Zwei Tage nach Elon Musks Übernahme von Twitter tauchte plötzlich ein Mann namens Jason Calacanis in der Konzernzentrale in San Francisco auf. Calacanis ist kein Angestellter, er ist auch kein Unternehmensberater. Und trotzdem twitterte er an diesem Tag allerlei Interna über die strategische Ausrichtung des Kurznachrichtendienstes und über seine Gespräche mit den Führungskräften vor Ort.
In der Folge kochte die Gerüchteküche. Ist Calacanis vielleicht sogar der neue Chef im Haus? Er dementierte. „Ich halte mich ein wenig bei Twitter auf und versuche einfach, während des Übergangs so hilfreich wie möglich zu sein.“
Calacanis eigentliche Rolle bei Twitter ist inzwischen von verschiedenen US-Medien gut dokumentiert: Der US-Investor gehört zu einem kleinen Kreis von langjährigen Vertrauten, die Elon Musk in den Tagen nach der Übernahme als eine Art „Kriegsrat” am Twitter-Hauptsitz installiert hat.
Nach außen wirkt die Mannschaft wie ein Schattenmanagement, obwohl die Mitglieder des Beraterkreises selbst dementieren, tatsächlich Entscheidungen zu treffen. Von der Belegschaft haben die sechs Musketiere bereits den Spitznamen „Musks Schlägertruppe“ bekommen, wie die New York Times berichtet. Offenbar auch wegen ihres ruppigen Umgangstons.
Wer sind die Männer, die offenbar zu Musks engsten Beratern bei der Neuausrichtung von Twitter zählen?
Diese sechs Männer beraten Elon Musk

Der amerikanische Medienunternehmer und Investor begann seine Karriere in den 1990er-Jahren als Tech-Journalist. In der Dotcom-Ära wechselte er die Seiten und machte sich mit der Blog-Plattform Weblogs selbstständig, die er später für geschätzte 25 Mio. US-Dollar an AOL verkaufte. Mit seinem Vermögen investierte er früh in einige große Tech-Unternehmen, darunter Uber und Robinhood. Heute ist Calacanis vor allem durch seinen Podcast All In bekannt, den er regelmäßig mit zwei befreundeten Silicon-Valley-Investoren aufnimmt.
Calacanis ist ein langjähriger Freund von Musk. In der Anbahnung des Twitter-Deals beriet er ihn vor allem in Produkt- und Strategiefragen. So haben die beiden schon im April über Massenentlassungen, die Einführung einer Präsenzpflicht im Büro und die Entwicklung des Bezahlangebots Twitter Blue diskutiert. Das geht aus ihrem privaten Nachrichtenverlauf hervor, der durch Gerichtsdokumente an die Öffentlichkeit gelangte. Alle drei Maßnahmen hat Musk in der ersten Woche als CEO auf den Weg gebracht. In den Chats hatte sich Calacanis auch offensiv als Twitter-Chef unter Musk ins Spiel gebracht. „Schick mich aufs Spielfeld, Coach! (lachender Smiley) Twitter CEO ist mein Traumjob”, schrieb er dem Tesla-Chef.

David Sacks ist ein amerikanischer Seriengründer und Investor. 1999 heuerte er als einer der ersten Mitarbeiter bei der Bezahl-App Paypal an, die später mit Elon Musks Firma X verschmolz. Die beiden blieben auch nach der Paypal-Zeit in Kontakt: Sacks war später einer der ersten Investoren bei Musks Weltraumfirma SpaceX. Mit seinem Vermögen aus dem Paypal-Exit investierte er als Business Angel zudem in Facebook, Airbnb und Palantir. Sacks hat auch zwei eigene Internet-Unternehmen gegründet und verkauft.
In Musks Beraterkreis gilt er laut der Financial Times besonders als Mann für Produktfragen. Nebenberuflich moderiert Sacks zusammen mit Calacanis den Tech-Podcast All In, in dem es in jüngster Zeit häufig um die Vorgänge bei Twitter ging.

Anwälte genießen bei Musk kein besonders hohes Ansehen. Gleich fünf führende Rechtsexperten haben seinen Autobauer Tesla seit 2019 verlassen – und zuletzt tauschte Musk auch seine früheren Stamm-Kanzleien Cooleys und Perkins Coie quasi aus, oder genauer: Er ließ ihre Mandate ausschleichen. Eine juristische Konstante gibt es im Berufsleben von Musk allerdings doch: Alex Spiro. Der 39-Jährige hat Musk zuletzt in einer Reihe prominenter Verfahren vertreten – zum Beispiel bei der Übernahme von Solarcity durch Tesla oder einem persönlichen Verleumdungsverfahren gegen Vernon Unsworth. Auch bei den Massenentlassungen von Twitter spielte Spiro eine entscheidende Rolle, der Musk hier zu den juristischen Fragen beriet.
Spiro gilt als einer der bekanntesten Anwälte der USA. Zu seinen Auftraggebern gehören Prominente wie Mick Jagger, Jay-Z oder Julian Edelman, die ihn vom Wirtschafts- bis zum Strafrecht in allen Fragen hinzuziehen. Spiro, Jahrgang 1982, schloss 2008 die Harvard Law School ab. Bevor er seine Karriere als Anwalt startete, arbeitete er für die andere Seite bei der Staatsanwaltschaft in New York. Hier machte er sich einen Namen, als er Rodney Alcala, den „Dating Game Killer“ für zwei Morde in New York anklagte.

Zu den wenigen echten Freunden Musks zählt Antonio Gracias. So urteilte mal ein Gericht in Delaware. Und tatsächlich hätte Musk wohl nicht vielen den zweiten Tesla aller Zeiten überlassen. Inzwischen ist Gracias in so gut wie allen Musk-Projekten investiert und sitzt auch im Aufsichtsrat seines Raumfahrtunternehmens SpaceX.
Bevor Gracias zum VC und Freund von Musk aufstieg, studierte er Rechtswissenschaften an der Georgetown University. Über einen Kommilitonen lernte er hier auch Elon Musk kennen. Nach dem Studium gründete er das Private Equity Unternehmen M&G Capital und kaufte hier schlingernde Unternehmen auf, die er auf Profitabilität trimmte. Ähnlich funktionierte das Geschäftsmodell später bei Valor Equity Partners. 2005 investierte Valor in Tesla und verkaufte seine Anteile beim Börsengang 2010. Bis zuletzt beriet Valor aber immer wieder Musk-Firmen über finanzielle Fragen – wie zuletzt bei der Übernahme von Twitter.

Der 47-Jährige Birchall kümmert sich um alles, wofür Elon Musk weder Zeit noch Lust hat. Birchall – Leiter des Family Offices von Musk – findet schmutzige Wäsche bei Feinden, arrangiert Darlehen, verkauft Häuser und führt das milliardenschwere Neurotechnologie-Unternehmen Neuralink. Bloomberg bezeichnete ihn jüngst als „rechte Hand von Musk“.
Musk und Birchall lernten sich vor mehr als zehn Jahren kennen, als Birchall noch für die Investmentbank Morgan Stanley gearbeitet hat. Laut „Wall Street Journal“ war Musk davon beeindruckt, wie schnell Birchall enorme Summen in kurzer Zeit auftreiben konnte und band ihn deshalb später an sich – obwohl sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Birchall arbeitet im Hintergrund und gilt als sanftmütig – Musk als das komplette Gegenteil. Die Rolle Birchalls bei der Twitter-Übernahme ist dabei undurchsichtig, wie so vieles um seine Person. Laut Bloomberg ließ er vor allem seine alten Kontakte zu Morgan Stanley spielen, die die Übernahme mitstemmten.

Er gehört eher zu den Leisetretern in Musks Team. Krishnan (r.) hat seine Rolle als Berater zwar öffentlich bestätigt, über seinen genauen Schwerpunkt ist aber wenig bekannt. Nahe liegt, dass er Musk in Produkt- und Technologiefragen berät. Krishnan ist der einzige in Musks Beraterkreis, der die großen Social-Media-Firmen von innen kennt. Als Produktentwickler arbeitete er bei Facebook und Snap, von 2017 bis 2019 war er auch bei Twitter beschäftigt. Dort hat er nach eigenen Angaben unter anderem die Timeline, die Suche und den Anmeldungsprozess weiterentwickelt.
Hauptberuflich kümmert sich Krishnan um Krypto-Investments beim kalifornischen Start-up-Geldgeber Andreessen Horowitz. Sein Arbeitgeber ist ebenfalls mit Twitter verbandelt: Die Gründer Marc Andreessen and Ben Horowitz zählen zu denjenigen, die Musk einen Kredit für seine Twitter-Übernahme gewährten.