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Kolumne Das alte Ehepaar der Energiewirtschaft

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Die Chefs von Eon und RWE können bald Vollzug melden: Der Umbau der Energiewirtschaft, es ist mindestens der fünfte, steht kurz vor dem Abschluss. Die Zukunft aber bleibt unsicher

Sie kennen sich seit Jahrzehnten und ihre Lebensläufe ähneln sich: Beide begannen ihre Karrieren beim früheren Stromkonzern Veba, arbeiteten eine Zeitlang im gleichen Unternehmen und stehen nun schon seit vielen Jahren an der Spitze der deutschen Energiewirtschaft: RWE-Chef Rolf Martin Schmitz und Eon-Chef Johannes Teyssen. Man könnte die beiden Grauschöpfe als das alte Ehepaar der Branche bezeichnen – so viel haben sie bereits gegeneinander ausgefochten, aber auch miteinander auf den Weg gebracht. Die Neuordnung der Energiewirtschaft, die in diesen Wochen kurz vor ihrem Abschluss steht, wäre ohne die besondere Beziehung der beiden wohl nicht möglich gewesen.

Künftig konzentriert sich Eon auf den Vertrieb und die Stromnetze, RWE auf die Produktion. Aus zwei Unternehmen, die sich viele Jahrzehnte lang einen heftigen Wettbewerb lieferten, entsteht ein Duopol, das sich seine Aufgaben teilt und künftig kaum noch in die Quere kommt. Teyssen und Schmitz haben die Branche damit zum vierten Mal in 30 Jahren neu erfunden: Am Anfang entstanden aus vielen mittleren Unternehmen zwei ganz große, RWE und Eon. Dann setzen beide Konzerne voll auf die falsche Technologie (Atomkraftwerke) und die falsche Strategie (Expansion ins Ausland).

Schließlich erfanden sich beide Unternehmen neu als Protagonisten von Technologien, die sie jahrelang immer wieder verspottet hatten: Windkraft und Sonnenenergie. Beide spalteten große Teile ihres Geschäfts ab, um sich auf wenige Aufgaben zu konzentrieren. Und rauften sich anschließend zur großen Überraschung ihrer eigenen Manager zusammen, um sich neu zu erfinden und dabei ihre jeweiligen Töchter Uniper und Innogy schnöde zu opfern. Zwischendurch verbrannten Teyssen und Schmitz viele Milliarden Euro und trieben die Aktien ihrer Unternehmen immer weiter nach unten. Persönlich geschadet hat es den beiden am Ende nicht.

Die Energiewirtschaft steht am Anfang großer Veränderungen

Bei jeder Windung und Wendung war in der Vergangenheit aus den Zentralen der beiden Konzerne der schöne Spruch zu hören, man habe sich nun gut für die Zukunft aufgestellt. Natürlich hört man ihn auch jetzt. Ob sich die beiden Konzerne jedoch nachhaltig nach vorn entwickeln werden oder gar zu vergangener Größe aufschließen, kann man bezweifeln. Die Energiewirtschaft steht noch am Anfang großer Veränderungen und keineswegs bereits an ihrem Ende. Der Energiemix der Zukunft dürfte anders aussehen als der heutige. Die Klimadebatte verändert die politischen Parameter. Die Preise hängen vor allem von den Regulatoren ab, die in früheren Jahren schon für viele erratische Entscheidungen verantwortlich waren. Viel wichtiger noch: viele junge und sehr agile Unternehmen knabbern am hergebrachten Geschäftsmodell der Energiekonzerne. So trifft Eon plötzlich auf Google, RWE auf eine Großzahl sehr beweglicher lokaler Konkurrenten.

Verfügen die Großkonzerne wirklich über die richtigen Manager, um sich in der neuen flexiblen Welt zurechtzufinden und an der Spitze zu halten? Keine Branche kreist bisher so stark in sich wie die deutsche Energiewirtschaft – man schaue nur in die Biographien der Vorstände. Schmitz und Teyssen sind durchaus nicht das einzige alte Ehepaar der Branche. Ein Generationenwechsel steht noch aus.

Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint jeden Montag auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen .

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