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Bankenaufsicht Bundesbank-Vizechefin für Spitzenjob der EZB nominiert

Claudia Buch im Jahr 2020 vor einer Kabinettssitzung im Berliner Bundeskanzleramt
Claudia Buch im Jahr 2020 vor einer Kabinettssitzung im Berliner Bundeskanzleramt
© IMAGO / IPON
Die ehemalige Wirtschaftsweise und VWL-Professorin Claudia Buch soll zum Jahreswechsel Europas Banken beaufsichtigen. Es fehlt nur noch das Plazet des Europaparlaments und des Ministerrats. Wofür steht Buch?

Zuletzt hatte sie den Stresstest der deutschen Bankhäuser zu bewerten ­– neben der Finanzaufsicht Bafin. Nun hat Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch selbst einen bedeutsamen Stresstest überstanden: Sie soll auf den Chefposten der EZB-Bankenaufsicht vorrücken. Der 26-köpfige EZB-Rat nominierte die Ökonomin als neue Vorsitzende seines Aufsichtsgremiums. Die Ökonomin setzte sich in geheimer Abstimmung mehrheitlich gegen eine spanische Konkurrentin durch und dürfte damit zum Jahresende die Nachfolge des Italieners Andrea Enria antreten, der nach fünf Jahren aus dem Amt ausscheidet.

Zwischen der 57-Jährigen und ihrer neuen Aufgabe steht nun noch eine öffentliche Anhörung beim Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments. Dieser könnte sich auch gegen sie entscheiden, zumal er sich in einer ersten Befassung mit der hochrangigen Personalie für die spanische Rivalin Margarita Delgado ausgesprochen hatte – Buchs Pendant in der spanischen Notenbank. Grünes Licht muss dann schließlich der Ministerrat der Europäischen Union geben.

Die EZB ist seit Herbst 2014 für die Aufsicht der Großbanken im Euroraum zuständig. Aktuell kontrolliert die EZB-Bankenaufsicht 109 Geldhäuser, darunter in Deutschland die Deutsche Bank, die Commerzbank und die DZ Bank. Als Bundesbank-Vizepräsidentin war Claudia Buch seit April dieses Jahres im Führungsgremium der Notenbank für die Bankenaufsicht zuständig. In dem Gremium war sie seit 2014 lange die einzige Frau  und befasste sich mit dem Thema Finanzstabilität.

Schon nach ihrer Promotion 1996 leitete sie am Kieler IfW die Forschungsgruppe Finanzmärkte, bevor sie 2004 auf den Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie an der Universität Tübingen berufen wurde. Dort leitete sie das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung, beriet das Bundeswirtschaftsministerium und gehörte 2012 bis 2014 dem Kreis der Wirtschaftsweisen an, dem Beraterstab der Bundesregierung für die Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Lage. 2013 übernahm die VWL-Professorin die Führung des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle und einen Lehrstuhl an der Uni Magedeburg.

Instrumente effektiv einsetzen

Deutschlands Banken hält Buch für ausreichend mit Kapital ausgestattet. Doch plädierte sie im Dienst der Stabilität zuletzt nicht nur für eine stets wachsame Aufsicht, sondern brachte auch mögliche Sanktionen ins Spiel. Die EZB-Aufsicht müsse sicherlich Defizite bei Geldhäusern anprangern, aber auch entschlossen handeln, sagte sie in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ im August. Mit Blick auf die Pleite der Silicon Valley Bank in den USA mahnte sie: Das Umfeld ändere sich, für Banken, Unternehmen und Gesellschaft. „Deshalb müssen wir unsere kritische Aufsichtskultur weiterentwickeln. Dazu gehört, unsere aufsichtlichen Instrumente so effektiv wie möglich einzusetzen.“

Sorgen bereitete Buch zuletzt das Risiko, dass jenseits des US-amerikanischen Immobilienmarkts der Druck auch für Finanzierungen im deutschen und europäischen Gewerbeimmobilienmarkt zunehme. Deutschen Banken komme zugute, dass sie nicht oder nur geringfügig in diesem US-Markt involviert seien, der stark unter dem konjunkturellen Abschwung leide. Im Moment seien Europas Banken zwar ausreichend kapitalisiert, sagte Buch in dem Interview weiter. „Aber Banken und Aufsicht müssen den Blick nach vorne auf künftige Risiken richten.“

Die jüngsten Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten haben das Finanzsystem insgesamt verwundbarer gemacht, sagte Buch bei anderer Gelegenheit: verwundbarer gegenüber höheren Zinsen, verwundbarer gegenüber einer sehr hohen internationalen makroökonomischen Unsicherheit.

Europäische Postenverteilung

Für die Bundesregierung ist die Nominierung von Claudia Buch ein Erfolg im europäischen Personalkarussell. Durch das Ausscheiden von Margarita Delgado steigen zugleich die Chancen der spanischen Bewerberin um den Chefposten der Europäischen Investitionsbank, dem global größten multilateralen Geldgeber. Die Vize-Regierungschefin und Wirtschaftsministerin Nadia Calviño rivalisiert für die Nachfolge von Werner Hoyer noch mit der früheren dänischen EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager

Claudia Buch könnte an der Spitze der 2014 als Konsequenz aus der europäischen Schuldenkrise eingesetzten EZB-Bankenaufsicht, auch bekannt als Single Supervisory Mechanism (SSM), aus Sicht der „Financial Times“ eine härtere Gangart einschlagen – zumal sie in einem Interview angesichts bedeutender Risiken aus den jüngsten makroökonomischen Verwerfungen die Notwendigkeit einer „kritischeren Haltung“ unterstrichen habe.

Das Bankensystem der Eurozone habe sich zwar als widerstandsfähiger gegenüber den starken Zinsanstiegen gezeigt als in den USA oder in der Schweiz, so die FT. Doch habe der externe EU-Rechnungsprüfer durchaus kritisiert, dass die EZB die Banken zu lax beaufsichtige und nicht aggressiv genug sei, was den Abbau der faulen Kredite anbelangt, die noch aus der Krise der Eurozone vor einem Jahrzehnt übrig seien. Darüber hinaus stünden für die zukünftigen Stresstests ausreichend Risiken wie Wirtschaftseinbrüche, anhaltend starke Inflation und geopolitische Krisenszenarien bevor.

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