Die chinesische Kultur kennt Sprichwörter für alle Gelegenheiten. Und deshalb findet sich auch eines, das perfekt zur Lage der chinesischen Autohersteller passt: „Im Glück verbirgt sich das Unglück.“ Auf den ersten Blick verbuchen die chinesischen Konzerne einen Exporterfolg nach dem anderen. In den letzten drei Monaten lieferten sie 36 Prozent mehr Pkws und leichte Lastkraftwagen ins Ausland als im gleichen Quartal des Vorjahres – eine beeindruckende Zahl. Der entsprechende Umsatz aber wuchs nur um 29 Prozent. Der Durchschnittspreis für chinesische Autos, das zeigt der Vergleich der beiden Zahlen, fällt also. Keine gute Nachricht für die Konzerne aus der Volksrepublik, die schon jetzt mit sinkenden Gewinnen und sogar Verlusten kämpfen.
Die allgemeine Konsumzurückhaltung auf dem Binnenmarkt verstärkt diesen Trend. Und auch die Marktführer können sich ihm nicht entziehen. Der E-Auto-Pionier BYD, der auch den deutschen Markt aufrollen möchte, meldete im letzten Quartal einen neuen Auslieferungsrekord: Insgesamt 1.134.892 Fahrzeuge liefen von den Bändern, ein Plus von 37,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal und von 7,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal dieses Jahres. Seine Umsätze konnte der Konzern in diesem Zeitraum jedoch nur um gut 20 Prozent steigern, so die Schätzung westlicher Experten. Auch BYD kämpft also sowohl auf dem eigenen Markt als auch auf den Auslandsmärkten mit einem Preisverfall der Modelle. Oft lassen sie sich nur noch mit sehr hohen Rabatten an den Mann bringen. Deshalb reagierte der Kurs der BYD-Aktie in der letzten Woche auch mehr oder weniger achselzuckend auf die neuen Rekordzahlen.
Xi schaut zu
In China wetteifern über 100 heimische Marken um die Gunst der Autokäufer. Die schwächeren Hersteller sind eigentlich schon bankrott. Doch viele dieser Konzerne gehören direkt oder indirekt dem Staat. Und die jeweiligen Provinzfürsten der KP Chinas und unterschiedlichen Industriefraktionen im Staatsapparat halten sie künstlich am Leben. Solange die Staatsbanken die Kreditlinien erneuern und sogar erhöhen, machen selbst die völlig hoffnungslosen Hersteller weiter wie bisher. Und drängen, wenn das Geld dafür reicht, ebenfalls auf ausländische Märkte vor. So exportieren sie den Preisverfall auf ihrem Binnenmarkt auch nach Europa, die USA und vor allem Asien.
Die chinesischen Konzerne folgen ihrem Crashkurs weiter, solange Xi Jinping sie nicht stoppt. Eigentlich weiß der Diktator, dass es wirtschaftlich nicht so weiter gehen kann wie bisher. Aber weil politische Stabilität im Reich Xis sehr viel wichtiger ist als ökonomische Vernunft, zieht vorläufig niemand den Stöpsel. Angesichts der allgemeinen Wachstumsschwäche in der chinesischen Industrie kann Xi eine Welle von Pleiten in seiner Autoindustrie nicht gebrauchen – auch wenn die überfällige Konsolidierung langfristig gut wäre für die gesamte Volkswirtschaft. Auch für diese Gemengelage gibt es ein passendes Sprichwort in China: „Wer länger glücklich sein möchte, muss sich selbst häufiger verändern.“