Welche Unternehmen sind in der Impfstoffentwicklung derzeit am weitesten? Wo stehen die deutschen Kandidaten?
Einen großen Durchbruch gab es zuletzt von Biontech und Pfizer. Die Unternehmen haben verkündet, dass ihr Impfstoff wohl einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor Covid-19 bietet. Das ist das Ergebnis einer ersten Zwischenanalyse im Rahmen einer Phase-3-Studie. Schon ab der nächsten Woche soll wohl die Zulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragt werden. Die Nachricht hat auch an der Börse für Aufregung gesorgt: Die Aktien von Pfizer und Biontech legten um rund 13 und 25 Prozent zu. Die interessanten Impfstoff-Kandidaten sind alle in Phase 3 der Impfstoffentwicklung, in der Tausende Probanden getestet werden. Dort befinden sich derzeit elf Kandidaten. Diese Phase schließen erfahrungsgemäß nur etwa die Hälfte der Kandidaten erfolgreich ab. Die heißesten Kandidaten neben Pfizer und Biontech sind AstraZeneca und Moderna. Es kann aber auch ein Kandidat das Feld von hinten aufrollen. Das deutsche Unternehmen Curevac, an dem auch der Staat beteiligt ist, rechnet nicht damit, dass es in der ersten Runde dabei ist. Sie setzen aber auch nicht auf die Notfallzulassung oder eine Zulassung auf Vorbehalt, sondern darauf, dass sie aus den Fehlern der anderen lernen und in einer späteren Runde zum Zuge kommen. Denn es wird nicht nur einen Impfstoff geben. Möglicherweise wird es mehrere geben, die jeweils für unterschiedliche Risikogruppen geeignet sind.
Wo stehen wir gerade in der Impfstoffentwicklung? Wann ist mit einer Zulassung für einen Covid-Impfstoff in Deutschland beziehungsweise in der EU zu rechnen?
Das kann man derzeit noch nicht sagen. US-Präsident Donald Trump in den USA hatte die Hoffnung, dass es noch vor der Wahl sein würde, entsprechend hat er Druck auf die Zulassungsbehörde gemacht. In Deutschland flackerte Hoffnung auf, als Gesundheitsminister Jens Spahn neulich sagte, dass er bald mit einer Zulassung rechne. Auch die Unternehmen haben teils Erwartungen geweckt, die sie nicht halten können. Es könnte möglicherweise doch länger dauern als wir denken. Aber nicht nur in der Entwicklung geht es mit Lichtgeschwindigkeit zu , auch im Zulassungsprozess. Der wurde angesichts der Not stark verändert. In den USA will Pfizer in der dritten Novemberwoche eine Notfallzulassung beantragen. Konkurrent Moderna geht davon aus, im Dezember eine solche Zulassung zu bekommen. Gleiches gilt für Europa: Auch hier ist eine Zulassung frühestens jetzt, im November, möglich. Die europäische Zulassungsbehörde hat für die Impfstoffe von AstraZeneca sowie von Biontech und Pfizer Anfang Oktober ein sogenanntes Rolling-Review-Verfahren zugelassen. In diesen Verfahren können die Studienergebnisse Stück für Stück eingereicht werden und nicht wie sonst gesammelt. Mit viel Glück gibt es also Ende des Jahres eine Zulassung. Das heißt aber noch nicht, dass der Impfstoff verfügbar ist und verteilt werden kann.
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Wie würde ein Impfstoff unter den Ländern verteilt werden? Wie sichert sich Deutschland genügend Dosen des Impfstoffs?
Deutschland und die EU haben sich bereits einige Millionen Dosen Impfstoff gesichert – zum Beispiel hat Deutschland 54 Millionen Impfstoffdosen von AstraZeneca bestellt. Laut Jens Spahn würde das reichen, um 27 Millionen Menschen in Deutschland zu impfen. Deutschland ist auch der Plattform COVAX unter der Führung der Impfallianz Gavi, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Forschungsallianz CEPI beigetreten. Darüber hinaus wollen Staaten weltweit gemeinsam zwei Milliarden Dosen Impfstoffe einkaufen und sicherstellen, dass sie fair verteilt werden – so sollen nicht nur Industriestaaten versorgt werden, sondern auch und vor allem Pfleger und Ärzte in Afrika. Deutschland zahlt hier 674 Mio. Euro.
Was wird der Impfstoff kosten und wer verdient eigentlich daran?
Das Impfgeschäft galt lange als sehr unattraktiv für Pharmafirmen. Covid-19 ändert das. Das liegt vor allem auch daran, dass es wohl nicht bei einer Covid-Impfung bleiben wird. Man rechnet eher damit, dass man die Impfung jedes Jahr wird erneuern müssen – wie zum Beispiel auch die Grippeimpfung. So könnte dieses Segment auch wirtschaftlich wieder attraktiv werden. Die Impfstoffentwicklung wird zum Teil von staatlicher Seite unterstützt. Immer wieder hört man die Frage, warum die Unternehmen das Risiko nicht stärker selbst tragen. Das Problem ist, dass niemand weiß, welcher Wirkstoff funktioniert. Man kann nicht erwarten, dass die Unternehmen in die Vorfinanzierung gehen. Denn sie müssen den Impfstoff ja schon vorproduzieren, damit er im Falle einer Zulassung schnell verfügbar ist. Das würde kein Unternehmen tun, wenn es nicht eine gewisse Absicherung hätte. Einzelne Unternehmen geben inzwischen Preise bekannt: Pfizer spricht von 20 US-Dollar pro Dosis, andere Unternehmen liegen etwas darunter. Manche Unternehmen sagen auch, dass sie den Impfstoff für Entwicklungsländer zum Selbstkostenpreis anbieten würden.
Was ist von den Impfstoffen zu halten, die in China und Russland bereits eingesetzt werden?
Dort wurde die Phase 3 der Impfstoff-Entwicklung übersprungen, in der große Datenmengen darüber gesammelt werden, wie der Impfstoff wirkt. Zum Teil wird diese Phase jetzt nachgeholt, aber mit deutlich geringeren Versuchszahlen. So kann man sehr wenig dazu sagen, wie sicher diese Impfstoffe sind und wie gut sie schützen. Viele Ergebnisse gibt es von dort auch noch nicht. Ein solches Vorgehen wäre in den USA und in der EU undenkbar.
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