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Gastkommentar Investmentbanken entdecken Fintechs

Fintechs stehen im traditionellen Bankgeschäft schon lange hoch im Kurs. Jetzt wenden sich auch Investmentbanken den Newcomern zu. Von Christopher Schmitz
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Christopher Schmitz ist Partner bei der Unternehmensberatung EY Financial Services. Für die Financial Services Practice von EY arbeiten weltweit mehr als 35.000 Mitarbeiter, davon über 1300 in Deutschland.

Studien unter Online-Nutzern zeigen, dass Fintech-Anbieter vornehmlich in den Bereichen Bezahlservices, Spar- und Anlageprodukte, Versicherungsdienstleistungen sowie Online-Kreditfinanzierung relativ hohe Akzeptanzraten genießen. Eine aktuelle Befragung von EY unter Seniormanagern von Investmentbanken und Fintechs legt nun nahe, dass sich auch Investmentbanken zunehmend mit Fintechs beschäftigten.

Haupttreiber für diese Entwicklung ist einerseits die Suche nach Stellschrauben zur Verbesserung der Eigenkapitalrendite. Zudem suchen Investmentbanken nach effizienten Lösungen, um der Bewältigung umfassender aufsichtsrechtlicher Vorgaben nachzukommen.

Eigenkapitalrenditen unter Druck

Der Return on Equity (ROE) der 14 weltweit führenden Investmentbanken ist in den letzten Jahren erheblich unter Druck geraten. Seit 2009 befinden sich die Eigenkapitalrenditen auf einem Abwärtstrend: Sie fielen von zunächst 17 Prozent auf 10 Prozent (2011) und landeten 2015 bei mageren 6,3 Prozent. Gleichzeitig hat sich die Cost Income Ratio, also das Verhältnis von Aufwand und Ertrag, der Investmentbanken seit 2013 verschlechtert: Sie ist von 76 Prozent auf 83,1 Prozent gestiegen.

Die Gründe sind vielfältig und neben Herausforderungen auf der Anlageseite vornehmlich im technischen Wandel durch die Digitalisierung, der damit einhergehenden Transformation von Geschäftsmodellen sowie in hohen Kosten durch Regulierung und Compliance zu suchen. Branchenauswertungen deuten darauf hin, dass diese Kosten bereits bis zu 40 Prozent der Gesamtausgaben von Investmentbanken ausmachen.

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Investmentbanken wenden sich Fintechs zu

Es verwundert also nicht, dass Investmentbanken in Kooperationen oder Adaptionen von Fintechs einen Weg suchen, um Reporting-Anforderungen technologiebasiert effizient zu erfüllen. Das gilt erst recht, da hohe Ausgaben für die Prävention und Aufarbeitung von Rechtsstreitigkeiten ihre Profitabilität und Gewinnpotenziale zusätzlich beeinträchtigen. Diese Kosten werden von Ratingagenturen im Zeitraum 2008 bis 2015 auf bis zu 200 Mrd. US-Dollar taxiert.

Während professionelle Investoren im vergangenen Jahr weltweit rund 25 Mrd. Euro in Fintech-Unternehmen investierten, davon fast 600 Mio. Euro hierzulande, stehen Investmentbanken noch am Anfang. Doch wo könnten neue, von Fintechs entwickelte Technologien künftig in den Investmentbanking-Abteilungen konkret zum Einsatz kommen?

Die Umfrageteilnehmer sehen beste Chancen bei „Regtech“-Unternehmen, die innovative Technologien bei der Vereinfachung von Prozessen oder der Automatisierung rund um die Erfüllung regulatorischer Anforderungen einsetzen.

Für die (externen) Back-Office-Funktionen einiger Handelsabteilungen werden derzeit neue Formen des Datenverkehrs und der IT-Netzwerke getestet. Diese Blockchain-fähigen Systeme könnten die technischen Infrastrukturen innerhalb der Häuser schon innerhalb der nächsten zwölf Monate erheblich verändern.

Im Front-Office Bereich werden Effizienzpotenziale durch den Einsatz künstlicher Intelligenz (AI) sowie durch die Analyse von Kundendaten, deren Modellierung und Visualisierung gehoben. Ziel ist es, komplexe Daten für das Kundenmanagement in Echtzeit aufzubereiten und damit besser verwertbar zu machen.

Zusammenarbeit statt Konkurrenz

Ob zweistellige Margen für die Kapitalmarkthäuser, die zudem riskante Geschäfte künftig mit mehr Eigenkapital unterlegen müssen, wieder realisierbar sein werden, bleibt abzuwarten. Fakt ist: Die Investmentbanken loten Möglichkeiten aus, um über innovative Fintech-Unternehmen ihre Portfolien und Ertragskraft zu verbessern.

Die größte Herausforderung besteht in der Umsetzung der „Ideen aus dem Labor“ der Fintechs in die Produktion und Anwendungspraxis der Banken. Für die europäischen Investmentbanken ist das vor dem Hintergrund eines längst begonnen Konsolidierungskurses möglicherweise eines von wenigen verbleibenden strategischen Investitionsfeldern, die das Potenzial haben, Differenzierung und Wettbewerbsvorteile gegenüber den (besser kapitalisierten) US-Häusern zu generieren.

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