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Finanzevolution Fintech ist Mainstream

Konkurrenz war gestern. Banken und Fintechs rücken immer enger zusammen und der Wandel ist längst Mainstream. Von Dirk Elsner

Dirk Elsnerist bei der DZ Bank Senior Manager Innovation und Digitalisierung. In dieser Kolumne äußert er seine private Meinung. 2008 hat er das private Wirtschaftsblog BlickLog gegründet, das mehrfach ausgezeichnet wurde.

Vor fast zwei Jahren habe ich in meiner letzten Kolumne für das Wall Street Journal über das Ende des Anfangs vom digitalen Wandel in der Finanzwelt geschrieben. Damals musste man sich freilich noch die Indizien dafür mühsam zusammensuchen, dass die etablierte Finanzwelt die technische Evolution ihrer Geschäftsfelder ernstnimmt. Es war bereits gut erkennbar, dass der vielzitierte digitale Wandel, wenn auch in unterschiedliche Richtungen und mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, Fahrt aufnehmen wird.

Der Begriff Fintech (ein Kunstwort aus Financial und Technology) ging vielen Bankern damals noch nicht so flüssig über die Lippen wie heute. Mittlerweile hat Fintech einige Geschwister bekommen. Regtech (Recht und Regulierung), Insurtech (Versicherung) oder Proptech (Immobilien) haben sich dazu gesellt. Neben diesen Tech-Geschäftsfeldern wird mittlerweile mit der Bezeichnung Digitalisierung jede IT-Dienstleistung so inflationär etikettiert, dass der Begriff zuweilen zu einer inhaltslosen Verkaufsfloskel degeneriert.

Das deutsche Finanzministerium hat gerade unter der Leitung der Professoren Gregor Dorfleitner (Universität Regensburg) und Lars Hornuf (Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb) den Fintech-Markt Deutschland vermessen und eine interessante und vor allem relativ unabhängige Studie vorgelegt. Wegen der Dynamik des Sektors dürften die Daten zwar überholt sein, dennoch lohnt sich ein kurzer Blick darauf: So haben die Autoren 433 Fintech-Unternehmen mit einer Geschäftstätigkeit in Deutschland identifiziert. 346 waren davon aktiv, 87 Unternehmen waren entweder vor 2016 nicht aktiv oder hatten ihre Geschäftstätigkeit wieder eingestellt.

Die Studie versucht gar nicht erst eine Definition des Fintech-Begriffs, sondern differenziert elf verschiedene beziehungsweise sich überschneidende Teilsegmente. Das Gesamtmarktvolumen 2015 der in Deutschland tätigen Fintech-Unternehmen in den Segmenten Finanzierung und Vermögensmanagement beziffern die Autoren auf 2,2 Mrd. Euro. Finanzierungen wurden immerhin im Wert von 270 Mio. Euro über Crowdfunding-Plattformen vermittelt und Vermögen von über 360 Mio. Euro durch Social-Trading-Plattformen und Robo-Advice-Anbieter verwaltet. Im Zahlungsverkehr haben die Autoren ein Transaktionsvolumen von 17 Mrd. Euro errechnet und festgestellt, dass rund 1,2 Millionen Deutsche 2015 unabhängige Personal-Financial-Management-Systeme zur Verwaltung ihrer persönlichen Finanzen nutzten.

Geringe Summen, hohes Wachstum

Das sind zwar beachtliche Erfolge, im Vergleich zu den jeweiligen Gesamtmärkten jedoch noch geringe Summen. Dafür beobachteten die Autoren in fast allen Fintech-Segmenten sehr hohe Wachstumsraten. Im Teilsegment Robo-Advice soll sich das Marktvolumen gar verzehnfacht haben. Daneben verzeichnen auch Social Trading und Crowdinvesting durchschnittlich jährliche Wachstumsraten im dreistelligen Bereich.

Die Studie beglückt die Finanzwelt auch mit einer Menge Prognosen über die künftige Entwicklung. Ich bin kein Freund solcher Zahlenspiele und empfehle bei Interesse einen direkten Blick in die Untersuchung. Ohnehin findet heute jeder nach persönlichem Geschmack eine Untersuchung, die die eigene Position bestätigt, das mögen wir Menschen ja besonders gern. Während etwa die Fintech-Studie des Bundesfinanzministeriums ein deutliches Wachstum sieht, fragte der Bank Blog ob das Ende des Fintech-Booms gekommen sei, weil im dritten Quartal 2016 nach einer Analyse von KPMG das Investitionsvolumen in Fintech-Start-ups massiv eingebrochen ist.

Wie gesagt, mit Studien und Analysen von Unternehmensberatungen lässt sich alles und das Gegenteil begründen. Ich orientiere mich da eher an Fakten der Gegenwart. Und hier konnte man etwa bei der Eröffnung des neuen Tech Quartiers Mitte November in Frankfurt erkennen, wohin sich ein Teil der Reise bewegen könnte. Wer wie ich dort war, wird bestätigen dass es hier nicht um den Kampf der Systeme geht. Spürbar wird eher der Wille über eine Zusammenarbeit zwischen klassischen Finanzhäusern und der neuen Techwelt die Zukunft der Finanzdienstleistung zu gestalten. Wie groß das Interesse der Kreditinstitute ist, zeigt die Bereitschaft, das auf Initiative des hessischen Wirtschaftsministeriums sowie des von Frankfurt Main Finance e.V initiierten Fintech Dialogforums entstandene Tech Quartier zu fördern. Darunter ist auch mein Arbeitgeber, die DZ Bank.

Banken und Fintechs auf Kuschelkurs

Wer weitere Belege benötigt, der schaut auf die Beteiligung der Deutschen Börse an Figo. Das Hamburger Unternehmen verbindet mit einer offenen Banking-Plattform über eine Programmierschnittstelle Banken und Finanzdienstleister untereinander. Für die Deutsche Börse ist das nicht das erste Engagement. In ihrem kleinen aber feinen Hub in Frankfurt fördert sie ambitionierte Gründungen wie etwa Savedroid oder Dwins.

Ich hatte im April bereits geschrieben, dass die neue Entwicklung den Finanzsektor nicht bedroht, sondern Grenzen zwischen Banken und Fintechs eher konstruiert wirken. Auf der Slush-Konferenz in Helsinki spielte neben Technologiethemen die Zusammenarbeit zwischen Banken und Start-ups in vielen Gesprächen eine zentrale Rolle. Auch der Bankathon in Hamburg oder der Hackathon der Sparkassen haben gezeigt, dass beide Seiten auf Kooperationskurs sind und gemeinsam Innovationen vorantreiben wollen.

In der Praxis rücken nun andere Fragen in den Vordergrund: Unter welchen Voraussetzungen können Finanzhäuser und Fintechs gut zusammenarbeiten? In den Frankfurter Hochhäusern ist längst klar, dass allein eine gute Idee und ein charismatischer Gründer noch nicht für eine Zusammenarbeit reichen. Technische, organisatorische, finanzielle und regulatorische Anforderungen rücken bei realen Kooperationen in den Vordergrund. Längst nicht jede gute Idee findet daher so einfach den Weg der Realisierung.

Heute weiß noch niemand ob die Digitalfabrik der Deutschen Bank, der Digital Campus der Commerzbank oder das Innovation Lab der DZ Bank den großen Durchbruch bringen können. Die Summe dieser und vieler anderer Aktivitäten unterstreicht aber deutlich, dass der technologische Wandel längst Mainstream geworden und die Differenzierung zwischen Banken und Fintech eher künstlich ist.

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