Mitarbeiter der Finanzaufsicht Bafin haben auch mit Aktien und Derivaten des Leasingunternehmens Grenke gehandelt – jenes Konzerns, gegen den seit Mitte schwere Bilanzfälschungsvorwürfe im Raum stehen und bei dem eine Sonderprüfung der Bafin läuft. Das ergibt sich aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums an den Grünen-Finanzpolitiker Danyal Bayaz. Demnach meldeten in diesem Jahr bis Ende September drei Bafin-Beschäftigte insgesamt zwölf private Geschäfte mit Wertpapieren des MDax-Unternehmens. Bei zwei Mitarbeitern ging es um Aktien von Grenke. Ein Mitarbeiter aus der für Marktüberwachung zuständigen Abteilung der Behörde meldete acht Käufe und Verkäufe von Derivaten. Die Antwort an Bayaz liegt Capital vor.
Insgesamt hat die Bafin rund 2.700 Mitarbeiter – da könnten die Geschäfte von drei Beschäftigten auf den ersten Blick wie Einzelfälle wirken. Doch in den vergangenen Wochen war die Bafin bereits in die Kritik geraten, weil einige ihrer Mitarbeiter in den Monaten vor der Wirecard-Pleite verstärkt Aktien und spekulative Derivate des Skandalkonzerns gehandelt hatten. Wie Capital im September berichtete, gehörten dazu auch hoch riskante, teilweise mehrfach gehebelte Finanzinstrumente, darunter Turbozertifikate, Knock-out-Papiere und sogar Contracts for Difference (CFDs) , von deren Handel die Finanzaufsicht Privatanleger eigentlich abhalten will.
Parallelen zum Fall Wirecard
Bereits bei den Wirecard-Geschäften waren auch einige Beschäftigte der Abteilung WA2 besonders aktiv , die unter anderem für die Verfolgung von Marktmanipulation und Insiderhandel sowie Leerverkäufe zuständig ist. Die Deals haben Fragen nach möglichen Interessenkonflikten aufgeworfen, wenn Bafin-Beschäftigte privat mit Papieren eines Unternehmens spekulieren können, das im Visier der Behörde steht. Bislang mussten die Beamten private Deals zwar nachträglich melden. Nach früheren Angaben des Bundesfinanzministeriums gab es in der Bafin allerdings keinen einzigen Fall, in dem Vorgesetzte ein Geschäft für bedenklich hielten. Im ersten Halbjahr 2020 zeigten demnach 531 Bafin-Mitarbeiter insgesamt 8.267 Wertpapiergeschäfte an.
Anders als Wirecard war der Baden-Badener Leasinganbieter Grenke bis vor Kurzem öffentlich kaum bekannt. Auch für private Aktiengeschäfte der Bafin-Mitarbeiter spielte das von Wolfgang Grenke gegründete Unternehmen, das sein Geld mit dem Verleih von Büroausstattung und IT-Ausrüstung verdient, lange keine Rolle: Laut der Antwort des Finanzministeriums an den Grünen-Bundestagsabgeordneten Bayaz wurden für die Jahre 2018 und 2019 keinerlei Geschäfte mit Wertpapieren von Grenke gemeldet. Mitte September 2020 rückte das Unternehmen dann öffentlich in den Fokus, nachdem der namhafte britische Shortseller Fraser Perring mit seiner Analysefirma Viceroy Research schwere Manipulationsvorwürfe erhoben hatte: Grenke solle unter anderem mithilfe von Zukäufen verbundener Unternehmen seine Bilanzen künstlich aufgebläht haben. Zudem sei die Grenke-Bank in schmutzige Geschäfte verwickelt, etwa in Geldwäsche. Grenke wies sämtliche Vorwürfe vehement zurück und beauftragte die Wirtschaftsprüfer von KPMG mit einer Sonderanalyse. Als Reaktion auf die Vorwürfe brach der Aktienkurs aber zeitweise um fast die Hälfte ein und hat sich seither nur teilweise erholt.
Für die Bafin ist Perring ein alter Bekannter: Schon bei Wirecard veröffentlichte er im Jahr 2016 Analyseberichte über Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen, die dann von der britischen „Financial Times“ aufgegriffen wurden. Zugleich spekulierte er offen mit Leerverkäufen auf einen fallenden Aktienkurs des Zahlungsdienstleisters. Die Bafin warf Perring deshalb Marktmanipulation vor und zeigte ihn Anfang 2019 bei der Staatsanwaltschaft München I an. Ungeachtet der Fehden mit der Bafin informierte er nach eigener Darstellung die Finanzaufsicht vorab über die Erkenntnisse der Viceroy-Analsten über Grenke. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlichte Perring etwa am 10. September ein Foto einer an Behördenchef Felix Hufeld adressierten Postendung.
Tatsächlich wurde der Grenke-Bericht von Viceroy, das sich auch bei der Aufdeckung des milliardenschweren Bilanzfälschungsskandals bei dem südafrikanisch-deutschen Möbelriesen Steinhoff Ende 2017 einen klangvollen Namen in der internationalen Finanzwelt gemacht hat, dann am 15. September veröffentlicht. Zugleich gab Perring auch bekannt, Shortpositionen auf die Grenke-Aktie zu halten. Als Reaktion auf die Vorwürfe von Viceroy begann die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) – die angesichts ihrer begrenzten personellen Möglichkeiten etwas irreführend als Bilanzpolizei bezeichnet wird und nach bisherigem Recht auf der ersten Stufe für die Bilanzkontrolle zuständig ist – eine Sonderprüfung des Jahresabschlusses für 2019. Ende September zog die Bafin, bei der schon zuvor eine Sonderprüfung nach dem Kreditwesengesetz gegen Grenke lief, die Untersuchung der DPR dann jedoch an sich – anders als im Fall Wirecard, in dem die Aufsichtsbehörde nach Darstellung des Finanzministeriums keine Möglichkeiten hatte, die Prüfung vorzeitig selbst von der DPR zu übernehmen. Kritiker werfen der Bafin und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) deshalb Versagen vor.
Geschäfte mit Zertifikaten im September
Angaben, zu welchen Zeitpunkten die drei Bafin-Mitarbeiter mit den Aktien und Derivaten von Grenke handelten, finden sich in der Auflistung für den Grünen-Finanzpolitiker Bayaz nicht. Aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums geht allerdings hervor, dass der Mitarbeiter der Abteilung WA2 im September acht Geschäfte mit zwei sogenannten Discountzertifikaten mit unterschiedlichen Laufzeiten meldete. Bei Discountzertifikaten handelt es sich um Termingeschäfte mit vergleichsweise geringem Risiko, bei denen Anleger beim Kauf einen Rabatt (Discount) auf den dahinter liegenden Basiswert erhalten, dafür aber nur bis zu einer bestimmten Obergrenze (Cap) von Kursgewinnen profitieren. Im Prinzip wetten Käufer eines Discountzertifikats also darauf, dass die Aktie zumindest nicht deutlich steigt. Die beiden Derivate auf Grenke mit unterschiedlich hohen Caps, die der Bafin-Mitarbeiter acht Mal handelte, wurden jeweils am 17. September aufgelegt – also nach Bekanntwerden der Manipulationsvorwürfe. Um wie viele Käufe und Verkäufe es sich handelte, wird von der Bafin nicht erfasst. Unbekannt ist auch, ob der betreffende Mitarbeiter auch aktiv mit Papieren von Wirecard spekuliert hat.
Angesichts der Vermutung, dass Bafin-Beschäftigte bei ihren privaten Deals erst durch die aktuellen Vorwürfe auf das Nischenunternehmen Grenke aufmerksam geworden sind, wertete Bayaz gegenüber Capital die Geschäfte als problematisch. „Wenn Mitarbeiter der Aufsicht mit Aktien eines Unternehmens handeln können, das gerade von der Bafin durchleuchtet wird, dann ist das widersinnig. Ein Interessenskonflikt bleibt ein Interessenskonflikt, auch wenn es nur um wenige Fälle geht“, sagte Bayaz, der für die Grünen auch im Wirecard-Untersuchungsausschuss sitzt. Durch die bisherigen Regelungen für Mitarbeitergeschäfte bei der Bafin seien fahrlässig Probleme in Kauf genommen worden, „die für das Vertrauen in und die Praxis der Aufsicht teuer werden können“, fügte er hinzu. „Es ist überfällig, dass nun endlich die Regeln verschärft werden, damit in Zukunft nicht der leiseste Zweifel an der Integrität der Finanzaufsicht besteht.“
Obwohl die Bafin stets betont hatte, dass Insidergeschäfte ihrer Beamten durch das interne Meldesystem ausgeschlossen seien, hatte sie zuletzt angekündigt, die Richtlinien für Mitarbeitergeschäfte zu verschärfen. So dürfen Bafin-Beschäftigte künftig generell keine Papiere mehr von Unternehmen aus dem Finanzbereich handeln, die von der Behörde beaufsichtigt werden. Darüber hinaus läuft derzeit Bafin-intern eine Sonderprüfung aller Deals ihrer Mitarbeiter mit Aktien und Derivaten von Wirecard.

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