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Online-Broker Flatexdegiro-Vorstandschef Niehage hat ausgebrokert

Frank Niehage: Kein Alphamann von Flatexdegiro mehr
Frank Niehage: Kein Alphamann von Flatexdegiro mehr
© SVEN SIMON | Frank Hoermann / SVEN SIMON / Picture Alliance
Seine Kritik an Frank Niehage, Vorstandschef bei Flatexdegiro, äußerte Gründer und Großaktionär Bernd Förtsch ausgerechnet in den Medien. Ein Streit entbrennt in der Öffentlichkeit. Peinlich für Niehage – er geht. Die Hintergründe der Schlammschlacht 

Beides sind Alphamänner: Bernd Förtsch, Verleger von Börsenmagazinen aus Kulmbach, und Frank Niehage, bislang Vorstandschef des Online-Brokers Flatexdegiro. Der erste hat das Unternehmen gegründet und hält 19 Prozent der Anteile daran. Mehrfach hat er bereits den Ausstieg erwogen, sich dann aber doch nicht dazu durchringen können. Der zweite ist nach einem Skandal bei der Schweizer Privatbank Sarasin – die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung – als Vorstandschef zum Frankfurter Wertpapierhändler gekommen. Eine zweite Karrierechance für Niehage. Und er hat sie genutzt. Findet er.

Trotzdem hat der Flatexdegiro-Chef jetzt den Hut genommen. Bereits Ende April, also Anfang kommender Woche, ist er weg. Das ist sehr kurzfristig.  

Der Grund:  Förtsch sieht seine Managementleistung anders. Was er allerdings nicht in einem vertraulichen Gespräch oder über seine Männer im Aufsichtsrat klar macht. Wie das jemand machen würde, der Wert auf die Integrität des Managements seines Unternehmens legt und „seinen“ Mann an der Spitze sieht. Förtsch äußert sich Ende März in einem Interview in der „Wirtschaftswoche“. 

Beide Männer, seit 2014 über das Unternehmen verbunden, sind keine Weggefährten, sondern für alle offensichtlich Rivalen. 

Großaktionär will Entlastung verweigern

Förtsch sieht durch Niehage den Wert seiner Beteiligung gefährdet. Von seinem Rekordhoch im Sommer 2021 ist der SDax-Titel weit entfernt, die Bewertung ist von rund 3 Mrd. Euro auf 1 Mrd. Euro geschrumpft, obwohl sich der Aktienmarkt auf einem Höhenflug befindet. „Beides ist am Ende Ausdruck einer operativen, strategischen und auch aufsichtsratstechnischen Fehlentwicklung des Unternehmens, das einige gute Chancen ausgelassen hat“, sagte Förtsch im Interview. Er bemängelt, dass Flatexdegiro zu teuer und das Gebührenmodell zu komplex geworden sei. Die Benutzeroberflächen könnten nicht mit denen der Neobroker Trade Republic oder Scalable Capital mithalten. Ein eigener Kryptohandel fehle. Förtsch vermisst Innovationen. Und darüber hinaus sei Kommunikation mit der Öffentlichkeit und den Anlegern ein Desaster und das Marketing nicht zielgerichtet. 

Deshalb wolle er bei der Hauptversammlung Anfang Juni sowohl Vorstandschef Frank Niehage als auch  Aufsichtsratschef Martin Korbmacher die Entlastung verwehren. Mehr Misstrauen geht nicht, Förtsch kündigte mit dem Interview an, dass er bereit ist, die Sache eskalieren zu lassen.

 

Niehage kontert die Äußerungen zwar Anfang April im „Handelsblatt“. Förtsch habe Gelegenheiten versäumt, seine Unzufriedenheit über den Aufsichtsrat an das Unternehmen zu kommunizieren. Förtsch würde die Leistungen der rund 1300 Mitarbeiter nicht ausreichend würdigen. Und seine Meinung „repräsentiere nicht die der Mehrheit unserer Gesellschafter“, meint er damals noch zuversichtlich mit Blick auf die Hauptversammlung. 

Zahlen im Sinkflug

Doch der Optimismus war wohl unberechtigt. Am heutigen Dienstag nimmt Niehage den Hut und geht als Verlierer vom Feld. Seine Begründung: unterschiedliche Auffassungen über die Strategie sowie zum Wohle der Gesellschaft. Aber so ganz wird Förtsch ihn nicht los: „Ich werde Flatexdegiro auch weiterhin als Aktionär verbunden bleiben“, sagte Niehage. Er kann mitnehmen, dass unter seiner Führung der kleine Broker zu einem europaweit agierenden Haus aufgestiegen ist, was vor allem der Fusion mit einem niederländischen Broker 2020 zu verdanken ist, der damals bereits in 16 Ländern aktiv war.  Allerdings war die Zahl der Neukunden sowie die jährlich über die Plattform durchgeführten Transaktionen in den vergangenen beiden Jahren im Sinkflug. Hinzu kommt, dass die Finanzaufsicht Bafin bei einer Sonderprüfung Anfang 2023 erhebliche Mängel feststellte, etwa im Meldewesen oder bei der Bewertung von Kreditrisiken. Noch immer arbeitet das Unternehmen die Liste ab.  

Und das scheint doch mehr Investoren zu stören, als Niehage noch Anfang April vermutet hat. Ein Hinweis hätte jedoch die vergangene Hauptversammlung sein können. Damals hatten 33,22 Prozent gegen die Entlastung des Vorstands gestimmt – eine vergleichsweise große Zahl. Aber Niehage wollte seine zweite Chance nicht vergeben und blieb dran. Nun muss er sich eine dritte suchen. 

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