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Kurseinbruch Minus 40 Prozent: Bafin-Prüfung lässt Gerresheimer-Aktie abstürzen

Schriftzug an einer Werbetafel vor einem Gerresheimer-Bürogebäude in der Düsseldorfer Airport-City
Der Pharma- und Kosmetik-Verpackungshersteller Gerresheimer steht im Visier der Finanzaufsicht Bafin
© Christoph Reichwein/dpa / Picture Alliance
Weil die Finanzaufsicht Bafin die Bilanz des Verpackungsherstellers Gerresheimer prüft, ist die Aktie am Mittwoch auf Talfahrt gegangen. Dabei ist noch gar nicht erwiesen, ob das Zahlenwerk fehlerhaft ist

Der Pharma- und Kosmetik-Verpackungshersteller Gerresheimer steht im Visier der Finanzaufsicht Bafin. Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde hat am 18. September eine Prüfung des Konzernabschlusses 2023/24 (Ende November) von Gerresheimer und des dazugehörigen Lageberichts eingeleitet, wie aus einer Erklärung der Behörde hervorgeht. Es gebe konkrete Hinweise, dass Gerresheimer gegen Rechnungslegungsvorschriften verstoßen habe. Konkret geht es laut Bafin darum, dass „das Unternehmen möglicherweise Umsatzerlöse für einige Verträge mit Kunden erfasst hat, obwohl die Umsätze noch nicht realisiert waren“.

Die im Nebenwerteindex MDax notierte Aktie brach in der Spitze um knapp 40 Prozent ein und markierte mit 26,52 Euro den tiefsten Stand seit 15 Jahren. Am Nachmittag wurden die Titel noch mit einem Abschlag von 15 Prozent auf 36,28 Euro gehandelt. Analysten der Deutschen Bank werteten die Prüfung als Rückschlag für Gerresheimer: „Selbst wenn das Problem schnell gelöst wird, ist es ein weiterer Schaden für die Glaubwürdigkeit zu einem Zeitpunkt, an dem die Anlegerstimmung aufgrund der vier Prognosesenkungen für das Geschäftsjahr 2025 und der unterdurchschnittlichen Entwicklung der Übernahme von Bormioli Pharma im letzten Jahr ohnehin schon negativ ist.“

Unterdessen erklärte Gerresheimer-Großaktionär Active Ownership Capital (AOC), seinen Stimmrechtsanteil am 19. September auf 8,75 Prozent von zuvor 5,31 Prozent aufgestockt zu haben. Inklusive Derivaten hält AOC demnach mehr als zehn Prozent an dem Unternehmen. Der aktivistische Investor war Ende August bei Gerresheimer eingestiegen und hatte ein Sparprogramm und Verkäufe gefordert. Neben AOC ist auch der britische Aktivist Asset Value Investors an der Firma beteiligt.

Gerresheimer sagt Kooperation zu

Gerresheimer erklärte in einer Stellungnahme, es gehe um Bestellungen, für die im letzten Drittel des Geschäftsjahres 2024 mit den jeweiligen Kunden sogenannte Bill-and-Hold-Vereinbarungen abgeschlossen worden seien. Die Prüfung solle nun klären, ob diese Erlöse im Konzernabschluss 2024 erfasst werden durften oder erst im laufenden Geschäftsjahr 2025. Eine Bill-and-Hold-Vereinbarung ist eine spezielle Art von Verkaufsgeschäft. Dabei stellt ein Unternehmen einem Kunden eine Rechnung für verkaufte Waren aus, liefert diese aber nicht sofort aus. Stattdessen lagert der Verkäufer die Ware für den Kunden ein, bis dieser sie zu einem späteren Zeitpunkt abruft.

„Wir nehmen die Prüfung durch die Aufsichtsbehörde sehr ernst“, betonte der neue Finanzchef Wolf Lehmann. „Wir werden deshalb vollumfänglich mit der Bafin kooperieren, um eine vollständige und transparente Klärung zu ermöglichen.“ Gerresheimer vertritt die Auffassung, korrekt bilanziert zu haben. Ausdrücklich weist die Finanzaufsicht selbst daraufhin, dass sie mit der Bekanntmachung die Arbeit ihrer Bilanzkontrolle transparent macht. „Das bedeutet aber nicht, dass eine Rechnungslegung fehlerhaft ist oder dies voraussichtlich festgestellt wird“, heißt es in der Bafin-Mitteilung.

Der Düsseldorfer Produzent von Verpackungen für die Pharma- und Kosmetikindustrie hatte für 2024 ein Umsatzplus von 2,9 Prozent auf gut 2 Mrd. Euro ausgewiesen. „Die im Rahmen von 'Bill-and-Hold'-Vereinbarungen im Geschäftsjahr 2024 erfassten Umsätze entsprechen insgesamt einem niedrigen zweistelligen Millionenbetrag“, teilte das Unternehmen weiter mit.

Gerresheimer hatte seit Jahresbeginn mit mehreren Finanzinvestoren – in wechselnden Konstellationen – über eine Übernahme verhandelt. Im Juni erteilte der Vorstand jedoch allen Bietern eine Absage. Stattdessen soll die Behälterglas-Sparte Moulded Glass verkauft werden, die rund 30 Prozent des Umsatzes macht. Gerresheimer will sich ganz auf Verpackungen für die Pharma- und Biotech-Branche spezialisieren.

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Zuletzt hatte der Konzern mit dem überraschenden Austausch seines Finanzvorstandes für Furore gesorgt. Bernd Metzner verließ den Angaben zufolge auf eigenen Wunsch das Unternehmen. Lehmann wurde ab September sein Nachfolger. Metzner stand nach dem geplatzten Verkauf von Gerresheimer an Finanzinvestoren und dem Verfall des Aktienkurses verstärkt im Fokus.

rtr/dpa/kb

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